Von der Konfrontation zum Nebeneinander
Bei aller Abgrenzung war das Verhältnis von Staat und katholischer Kirche doch Wandlungen unterworfen. In den fünfziger Jahren hatte die SED, von kurzfristigen Lockerungen nach dem 17. Juni 1953 abgesehen, einen kirchenfeindlichen Kurs eingeschlagen. Die katholische Kirche reagierte auf die Konfrontation – mit entsprechenden Folgen für ihre Mitglieder. Ein Beispiel: die Jugendweihe, 1955 als sozialistisches Ersatzritual für Konfirmation und Firmung eingeführt. Die katholische Kirche wandte sich entschieden gegen diese Feier des "Eintritts in die atheistische Gesellschaft“, wie der bischöfliche Kommissar für Meiningen, Joseph Schönauer, in einem Hirtenbrief an die Gemeinden schrieb. Die Teilnahme an der Jugendweihe wertete die Kirche als "schwere Sünde". Eine Rigorosität der frühen Jahre, die so in späteren Zeiten nicht mehr galt.
Kirchliche Großveranstaltungen in den 80er-Jahren
Die 80er-Jahre brachten für die katholische Kirche eine Zeit kirchenpolitischer Entspannung. Sichtbarer Ausdruck waren zwei Großveranstaltungen, wie es sie bislang in der DDR nicht gegeben hatte: die Elisabethwallfahrt im Jahr 1981, zu der mehr als 65.000 Katholiken kamen, und das Katholikentreffen 1987 in Dresden, an dem mehr als 100.000 Menschen teilnahmen. De facto ein DDR-weiter Katholikentag, auch wenn die Berliner Bischofskonferenz aus deutschlandpolitischen Erwägungen heraus bewusst auf diese Bezeichnung verzichtet hatte. Die 80er-Jahre sind aber auch jene Zeit, in der das Ministerium für Staatssicherheit verstärkt versuchte, die katholische Kirche zu unterwandern. Auch wenn es über die Arbeit der IMs weniger Erkenntnisse gebe als bei der evangelischen Kirche, sei es dem MfS bei der katholischen Kirche ebenso wenig gelungen, "diese zu instrumentalisieren und in ihren Entscheidungen zu beeinflussen", urteilt der evangelische Kirchenhistoriker Peter Maser in seinem Buch "Die Kirchen in der DDR".
Kirche gibt Raum für DDR-Kritik
In die letzten Jahre der DDR fallen auch die Anfänge des konziliaren Prozesses für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, an dem sich nach anfänglichem Zögern auch die katholische Kirche beteiligte. 1988/ 89 fanden in Dresden und Magdeburg drei Treffen in Vorbereitung auf die Ökumenische Versammlung in Basel statt, von denen wichtige Impulse für den gesellschaftlichen Wandel in der DDR ausgingen. Es waren die Jahre, da sich unter dem schützenden Dach der evangelischen Kirche Oppositionelle sammelten. Der katholischen Kirche lag es, gemäß ihrer Haltung der politischen Abstinenz, eher fern, ihre Räume für Andersdenkende zu öffnen. Doch in den oppositionellen Basisgruppen engagierten sich auch zahlreiche katholische Laien, ebenso wie später bei den Montagsdemonstrationen. Und nicht nur Laien, auch katholische Geistliche traten gegen Ende der DDR als Moderatoren der Runden Tische in Erscheinung. Bis heute ist der Anteil von Politikern katholischer Konfession in den neuen Bundesländern, gemessen am Bevölkerungsanteil, außergewöhnlich hoch.
IM - Inoffizieller Mitarbeiter Ein "Inoffizieller Mitarbeiter" (kurz IM) war in der DDR eine Person, die verdeckt Informationen an das Ministerium für Staatssicherheit (MfS oder "Stasi") lieferte, ohne formal für diese Behörde zu arbeiten. Wikipedia
Konziliarer Prozess ist die Bezeichnung für den gemeinsamen Lernweg christlicher Kirchen zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Wikipedia
Ministerium für Staatssicherheit Das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (kurz MfS) war der Inlands- und Auslandsgeheimdienst der DDR. Zugleich war das MfS die Ermittlungsbehörde für "politische Straftaten". Das MfS war innenpolitisch vor allem ein Unterdrückungs- und Überwachungsinstrument der SED gegenüber der DDR-Bevölkerung. Wikipedia
Ökumenische Versammlung Unter der Bezeichnung Ökumenische Versammlung werden verschiedene Treffen innerhalb des Konziliaren Prozesses der christlichen Kirchen zusammengefasst. Wikipedia