Ex-Sprinterin Marita Koch (DDR) lernt für ihr Medizinstudium
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Gesundheit in der DDR Arztsein in der DDR - kein Traumberuf

01. Februar 2021, 10:49 Uhr

Zu DDR-Zeiten war Arztsein kein Zuckerschlecken: Täglich mussten Ärzte kleine Wunder vollbringen, denn das Gesundheitswesen der DDR war chronisch unterfinanziert. Es fehlte oft an grundlegenden Dingen, und anders als heute zählten Ärzte zu den schlecht bezahlten Berufen - weshalb es viele in den Westen zog.

1974 krachte ein Patient der Charité in Ost-Berlin in seinem Bett liegend durch den morschen Holzboden der Augenklinik. Der Kranke hatte Glück: Sein Bett blieb an einem Balken hängen, er überlebte den Vorfall. An diesem Beispiel zeigt sich, wie sehr der SED-Staat das einst so ruhmreiche Krankenhaus heruntergewirtschaftet hatte.

Ähnlich desolat war die Lage im gesamten Gesundheitswesen der DDR. Es fehlte nicht nur an Medikamenten und medizinischen Gerätschaften, sondern auch an den einfachsten Materialien. In einer Stasiakte von 1987 lässt sich nachlesen, wie das Politbüromitglied Kurt Hager zur "Sicherung des dringendsten Bedarfs" an der Charité "Materialien wie Operationshandschuhe, Mullkompressen, Tupfer, Binden usw." bei Wirtschaftsfunktionär und Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski orderte.


Gravierender Ärztemangel

Die schlechten Arbeitsbedingungen waren ein Grund, warum es viele Ärzte in den Westen zog. Drei große Fluchtwellen von Ärzten und medizinischem Personal gab es in der DDR. Bis zum Mauerbau im Jahr 1961 setzten sich mehr als 10.000 Ärzte in die Bundesrepublik ab. Zum Vergleich: 14.600 blieben im "Arbeiter- und Bauernstaat". Danach setzten viele Ärzte auf die restlichen Fluchtmöglichkeiten. So nutzten sie zum Beispiel Familienbesuche in der BRD zur Flucht oder ließen sich von Fluchthelfern über die Grenze schmuggeln. Ende der 1980er-Jahre gab es die dritte Fluchtwelle: Viele Ärzte machten von den gelockerten Ein- und Ausreisebedingungen Gebrauch, um in den Westen zu gehen. Allein 1989 waren es 1.500 Mediziner.

Der Exodus hatte verheerende Folgen für die medizinische Versorgung. Zeitweise drohte sie sogar zusammenzubrechen. So gab es in der 32.000-Einwohner-Stadt Weißwasser im Jahr 1985 nur einen Frauenarzt, der zudem noch für die Poliklinik des ansässigen Kraftwerks zuständig war. Nicht nur in den Krankenhäusern waren Mediziner Mangelware, sondern auch in der ambulanten Betreuung.


Kaum Wohnraum und schlechte Bezahlung

Neben der schlechten Ausstattung der Krankenhäuser bemängelten viele Mediziner den niedrigen Lohn. So verdiente ein Arzt beim Berufseinstieg um die 830 DDR-Mark. Das durchschnittliche Arbeitseinkommen lag Mitte der 1980er-Jahre mit 1.140 DDR-Mark deutlich höher. In Westdeutschland konnten Ärzte locker mit einigen tausend D-Mark rechnen. Zudem waren die Jobaussichten in der Bundesrepublik gut, die gut ausgebildeten Ärzte wurden gern genommen. Zu den beruflichen Motiven für die Ausreise kamen soziale hinzu. Ärzte genossen in der DDR keine besonderen Privilegien. Wie viele andere auch mussten sie oft jahrelang auf eine Wohnung oder ein Auto warten.


Ausreiseverbot für Mediziner

Die DDR-Führung wusste um die Probleme und versuchte gegenzusteuern - mit unterschiedlichen Maßnahmen. 1958 wurde den Medizinern untersagt, ins westliche Ausland zu reisen. Sie durften nicht mehr an wissenschaftlichen Kongressen teilnehmen, nachdem viele diese Gelegenheit zur Flucht genutzt hatten. Gegen Ende der 1980er-Jahre wollte die Regierung Ärzte mit höheren Löhnen halten. Die Maßnahmen kamen allerdings zu spät.

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Das Krankenhauspersonal in der DDR hatte vielfältige Aufgaben. Operpfleger Martin Held schildert unter anderem, wie Verbandsstoffe einsatztauglich gemacht wurden.

MDR FERNSEHEN Do 08.09.2011 14:39Uhr 03:09 min

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Spitzelhochburg Charité

Da sich die Gebäude der Charité direkt an der Grenze zu West-Berlin befanden, bot das Krankenhaus günstige Bedingungen für die Flucht. So war der erste nach dem Mauerbau erschossene Flüchtling, Günter Litfin, im August 1961 über das Charité-Gelände geflüchtet. Die Stasi baute dort deshalb mit großem Aufwand ein innerbetriebliches Spitzelsystem auf. Mehr als 80 inoffizielle Stasi-Mitarbeiter sollen 1986 an der Charité Ärzte und Patienten bespitzelt haben.

Trotz aller Schwierigkeiten hielt das medizinische Fachpersonal das Gesundheitssystem so gut es ging aufrecht. Auf dem Land ersetzten zum Beispiel Gemeindeschwestern die fehlenden Ärzte.

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Zeitreise | 31. Januar 2021 | 22:20 Uhr