Der "Maulwurf" in Pullach: Schreibtischtäter und Doppelverdiener
Heinz Felfe ist kein James Bond, sondern Schreibtischtäter. Den Hauptteil seiner Arbeit erledigt er unauffällig von seinem Dienstzimmer in Pullach bei München. Über Jahre fotografiert er mit einer Minox-Kamera interne Papiere wie Listen von Residenten im Ausland, Deckadressen von V-Männern und Unterlagen zu Agentennetzen.
Wenn er ungestört sein will, schließt er sich einfach in seinem Büro ein. Dennoch kommt im BND bald die Vermutung auf, dass es einen "Maulwurf" geben muss. Die CIA, mit der Felfe in Berlin Karlshorst zusammenarbeitet, nimmt ihn bereits 1954 ins Visier. In später veröffentlichten CIA-Berichten heißt es, es sei auffällig, dass Felfe offenbar einen höheren Lebensstandard pflege, als Kollegen derselben Gehaltsklasse. Eine Tatsache, die sich im Nachhinein leicht erklären lässt: Felfe war eben nicht nur Doppelspion, sondern auch Doppelverdiener. Der KGB honoriert seine Top-Quelle außerordentlich großzügig: Neben einem Orden für erfolgreiche Kundschaftertätigkeit erhält er mehrere hunderttausend Mark, wovon er sich unter anderem ein Haus mit zehn Zimmern kauft. Doch trotz dieser Auffälligkeiten hält Reinhard Gehlen immer seine schützende Hand über ihn.
Bis ihm das Handwerk gelegt wird, vergehen so noch Jahre. Erst 1961, als Felfe bereits durch BND-Mitarbeiter beschattet wird, bringt ihn ein Missgeschick zu Fall. Sein KGB-Kollege Hans Clemens schickt ihm per Einschreiben einen Brief. Der Inhalt ist verschlüsselt und offenkundig von Felfes Führungsoffizier mit Decknamen Alfred verfasst. Ein eindeutiger Beweis, den auch Gehlen akzeptieren muss. Am 6. November 1961 wird Felfe festgenommen und anschließend wegen Landesverrats zu 14 Jahren Zuchthaus verurteilt. 1969, nach nur acht Jahren Haft, lässt die BRD ihn im Zuge eines Agentenaustausches frei. Felfe siedelt in die DDR über und wird Professor für Kriminalistik an der Humboldt-Universität in Ost-Berlin.
Bittere Blamage für Gehlen
Laut Schadensbericht des amerikanischen Geheimdienstes CIA hat Felfe etwa 15.000 vertrauliche Dokumente kopiert und dem KGB übergeben sowie etwa 200 Spione von CIA und der Organisation Gehlen enttarnt. Ein unschätzbarer Verlust für beide Geheimdienste.
Besonders bitter ist der Fall Felfe jedoch für Reinhard Gehlen. Er hatte Felfe, wie vielen anderen ehemaligen Nazis, blind vertraut, und sie in Schlüsselpositionen gebracht. Schließlich war er selber ein ehemaliger NS-Funktionär. Dass diese Personen der Bundesrepublik nicht loyal ergeben und durch ihre Vergangenheit oftmals erpressbar waren, übersah er fahrlässig. Im Anschluss an den Skandal ließ Gehlen deshalb die SS-Vergangenheit aller BND-Mitarbeiter überprüfen. Die Ergebnisse der Untersuchung führten in den folgenden zwei Jahren zur Entlassung von 71 Personen. Doch die tiefen NS-Verstrickungen des BND-Personals werden erst seit 2011 von einer unabhängigen Historiker-Kommission untersucht.