Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Wiedervereinigung

31. Januar 2023, 14:57 Uhr


Wann und warum beschloss die DDR-Volkskammer den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik?

In der Nacht zum 23. August 1990, um 2:47 Uhr, beschloss die Volkskammer in einer turbulenten Sitzung den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik. Stichtag: der 3. Oktober 1990. Zuvor hatte Ministerpräsident Lothar de Maizière eine Sondersitzung beantragt, um endlich einen Termin für den Beitritt zu beschließen und damit die Wiedervereinigung zu beschleunigen. Nach langem Ringen um einen Beitrittstermin stimmte schließlich die nötige Mehrheit der Abgeordneten für den 3. Oktober als Beitrittsdatum. Die Abgeordneten der Parteien CDU und Demokratischer Aufbruch (DA), Deutsche Soziale Union (DSU), FDP und SPD hatten zuvor den Antrag für den 3. Oktober eingebracht.

DDR-Volkskammer beschließt Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland
In der Nacht zum 23. August beschließt die DDR-Volkskammer den Beitritt zur Bundesrepublik. Bildrechte: picture alliance/dpa | Michael Jung

Warum wurde der 3. Oktober 1990 das Datum für die Wiedervereinigung?

Anders als beispielsweise der 9. November oder der 7. Oktober ist der 3. Oktober kein symbolträchtiges Datum der deutschen Geschichte. Die Abgeordneten der DDR-Volkskammer einigten sich aus rein pragmatischen Gründen auf diesen Tag: Bis zum 2. Oktober 1990 sollte die Konferenz der KSZE-Außenminister in New York stattfinden. Auf dieser Tagung erst sollten die Regierungen der Bundesrepublik und der DDR über das Ergebnis der "Zwei-plus-Vier-Verhandlungen" berichten. Nach der Rückkehr von Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher sollte dann am 3. Oktober der Beitritt zur Bundesrepublik erfolgen.


Was war der "Zwei-plus-Vier"-Vertrag?

Der "Zwei-plus-Vier"-Vertrag ist ein Staatsvertrag zwischen der Bundesrepublik, der DDR und den früheren Siegermächten Frankreich, Großbritannien, der UdSSR und den USA. Er ebnete den Weg zur Wiedervereinigung und ermöglichte Deutschlands vollständige Souveränität. Er bestimmte unter anderem die deutschen Grenzen, seine Bündniszugehörigkeit und Truppenstärke. Demnach durfte das vereinte Deutschland der NATO beitreten. Die Sowjetunion erhielt im Gegenzug wirtschaftliche Hilfen. Deutschland garantierte die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen und verzichtete auf atomare, biologische und chemische Waffen.

Bereits am 2. Februar 1990 warb Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher bei US-Außenminister Baker für die deutsche Wiedervereinigung, da er für diese die Zustimmung der früheren Siegermächte benötigte. Erste "Zwei-plus-Vier"-Gespräche fanden am 14. März 1990 in Bonn statt. Wiederholt wurde kritisiert, es sei über die Köpfe der "besiegten" DDR-Gesandten hinweg entschieden worden. Als letztes Land ratifizierte die Sowjetunion am 4. März 1991 das Abkommen.


Was steht im Einigungsvertrag?

Der Einigungsvertrag besiegelte rechtlich die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten. Am 31. August 1990 unterzeichneten Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und DDR-Staatssekretär Günther Krause den 45 Paragrafen-umfassenden Vertrag. Er übertrug bundesdeutsches Recht auf das der DDR und sah unter anderem vor, Berlin zu einem Bundesland zu vereinigen und zur neuen Hauptstadt zu machen, sowie die Übernahme des DDR-Vermögens und der Schuldenhaftung durch die Bundesrepublik. Strittige Punkte waren unter anderem das Bodenrecht, das Recht auf Abtreibung, sowie das Fortbestehen der DDR-Institutionen wie dem Staatsrundfunk.


Wann fanden die ersten freien demokratischen Wahlen in der DDR statt?

Volkskammerwahl - Einige Bürger blieben bis zur Auszählung der Stimmzettel
Bei der Volkskammerwahl blieben einige Bürgerinnen und -Bürger bis zur Auszählung der Stimmzettel – wie hier in Rostock. Bildrechte: imago images/Roland Hartig

Am 18. März 1990 war es so weit: Zum ersten Mal durften die DDR-Bürger frei und geheim die Abgeordneten der Volkskammer wählen. Ursprünglich war der 6. Mai geplant – genau ein Jahr nach der Kommunalwahl in der DDR, bei der Bürgerrechtler erstmals Wahlfälschung nachweisen konnten. Doch sollten die Bürgerinnen und Bürger so schnell wie möglich eine demokratisch legitimierte Regierung wählen können. Mehr als 93 Prozent von ihnen gaben ihre Stimme ab, mehr als bei jeder anderen demokratischen Parlamentswahl in Deutschland bisher.

Am Ende stimmten mehr als 48 Prozent für das konservative Wahlbündnis "Allianz für Deutschland", darunter die CDU. Die SPD erhielt 21,9 Prozent. Die frühere SED errang als PDS 16,4 Prozent. Das Bündnis 90 der Opposition hingegen erhielt nur knapp 3 Prozent der Stimmen. Die meisten Bürger forderten mit ihrem Wahlergebnis die Einführung der D-Mark und eine schnelle Wiedervereinigung.

Die Volkskammerwahl war zum einen Endpunkt der Friedlichen Revolution und zugleich ein Meilenstein auf dem Weg zur Einheit. Bis zur Wiedervereinigung regierte nun eine große Koalition unter Ministerpräsident Lothar de Maizière.


Worum handelte es sich beim "Runden Tisch"?

Am zentralen "Runden Tisch" in Berlin kamen Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler, Vertreter der DDR-Regierung Modrow und Vertreter von Kirche und Parteien zu wöchentlichen Treffen zusammen. Das erste Treffen fand am 7. Dezember 1989 statt und sollte drohende Eskalationen zwischen Regierung und Opposition verhindern. Der Runde Tisch war seiner Idee nach tatsächlich rund, wie 1989 in Polen, um eine möglichst auf Augenhöhe geführte Diskussion ohne "Vorsitz" zu gewährleisten. In der DDR allerdings hatte der Runde Tisch anfangs vier Ecken.

Der Runde Tisch wollte den friedlichen Übergang von einer Diktatur in eine Demokratie sichern und verstand sich als eine Art Vorparlament. So setzte der Runde Tisch nach langwierigen Gesprächen die Auflösung der Stasi durch und begann, eine neue Verfassung für die DDR zu erarbeiten. Außerdem verpflichteten die Vertreter die DDR-Regierung zu politischer Rechenschaft. Der Runde Tisch tagte am 12. März 1990 zum letzten Mal. Mit den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März verlor er seine Bedeutung, weil er nicht durch Wahlen legitimiert war.


Ab wann gab es die D-Mark in der DDR?

Am 1. Juli 1990 wurde die D-Mark das offizielle Zahlungsmittel der DDR. Denn an diesem Tag trat die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion in Kraft. Nur fünf Monate zuvor hatte Bundeskanzler Helmut Kohl eine Währungsunion angekündigt. Die Aussicht auf die D-Mark war für viele Bürger der Anlass, ihre Stimme bei der Volkskammerwahl 1990 der CDU zu geben. Lange und hartnäckig wurde der Wechselkurs verhandelt. Viele DDR-Bürger wollten einen Kurs von 1:1, dagegen sprachen sich jedoch viele Wirtschaftsexperten aus.

Schließlich wurden Zahlungen wie Löhne, Gehälter, Renten und Mieten im Verhältnis 1:1 umgestellt. Bargeld und Bankguthaben wurden teilweise im Verhältnis 2:1 oder 3:1 umgestellt. Bald sorgte das bei vielen DDR-Bürgern für Unmut: Statt des erhofften wirtschaftlichen Aufschwungs ging Erspartes verloren und es kam zu Preissteigerungen.

Diese Dresdner Familie tauschte am 01.07.1990 in einer Sparkasse in Dresden Ostmark gegen 2000 D-Mark.
Diese Dresdner Familie tauschte am 01.07.1990 in einer Sparkasse in Dresden ihre Ostmark gegen 2.000 D-Mark. Bildrechte: imago/Ulrich Hässler

Welche Rolle spielte die Treuhand während und nach der Wiedervereinigung?

Die Treuhand wurde am 1. März 1990 gegründet. Ihre Hauptaufgabe war es, die DDR-eigenen Betriebe zu privatisieren, zu verwalten und von der Plan- in die Marktwirtschaft zu überführen. Im Juli 1990 übernahm sie rund 8.500 Betriebe mit vier Millionen Beschäftigten. Die Betriebe wurden in rund 12.500 kleinere Einheiten aufgespalten. Mehr als die Hälfte von ihnen wurde privatisiert.

Mit der neuen Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion verschlechterte sich die Lage der Ostbetriebe jedoch rapide. Die sofortige Währungsumstellung im Kurs 1:1, das Wegbrechen der Absatzmärkte in Osteuropa und die schnell expandierende Konkurrenz aus Westdeutschland trieben viele Betriebe in die Insolvenz. Die Treuhand sah sich gezwungen, bis 1994 rund 30 Prozent der Betriebe stillzulegen oder abzuwickeln. Etwa zweieinhalb Millionen DDR-Bürger verloren ihre Arbeit. Durch die Folgen ihrer Tätigkeit wurde die Treuhand zu einer der umstrittensten Institutionen in der Geschichte der Wiedervereinigung.

Birgit Breuel entfernt am 30.12.1994 mit einem Schraubenzieher das Firmenschild am Eingang der Treuhandanstalt in Berlin
Treuhand-Chefin Birgit Breuel entfernt am 30.12.1994 eigenhändig mit einem Schraubenzieher das Firmenschild am Eingang der Treuhandanstalt in Berlin. Bildrechte: picture alliance/dpa/Wolfgang Kumm