MDRfragt - Das Meinungsbarometer für Mitteldeutschland Zwei Drittel sehen ostdeutsche Interessen im Einigungsvertrag zu wenig berücksichtigt
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03. September 2020, 13:00 Uhr
Die Mehrheit der MDRfragt-Teilnehmer sehen die ostdeutschen Interessen im Einigungsvertrag zu wenig berücksichtigt. Die Hoffnung auf eine Angleichung der Lebensverhältnisse hat fast die Häfte aufgegeben. Das sind die Ergebnisse der aktuellen MDRfragt-Befragung. Weitere Themen darin: der Schulstart und die Diskussion um die Wiedereinführung der Wehrpflicht.
Die Mehrheit der mdrFRAGT-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, sehen die ostdeutschen Interessen im Einigungsvertrag zu wenig berücksichtigt: Zwei Drittel (66 %) vertreten diese Meinung. Weitere 17 Prozent finden, dass die ostdeutschen Interessen gar nicht berücksichtigt wurden. Weniger als ein Zehntel (9 %) ist der Meinung, die Interessen der Ostdeutschen wurden angemessen berücksichtigt.
Fast die Hälfte glaubt, gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West wird es nie geben
Fast die Hälfte der Befragungsteilnehmerinnen und -teilnehmer glaubt, dass gleiche Lebensverhältnisse in Ost- und Westdeutschland nie erreicht werden (44 %). Fast genauso viele sind der Ansicht, dass dies passieren wird, allerdings erst in mehr als 10 Jahren (42 %). Dass eine Angleichung der Lebensverhältnisse bereits erreicht ist, glauben nur 3 Prozent.
Viele mdrFRAGT-Mitglieder haben uns dazu Kommentare geschickt. Hier eine Auswahl:
Um gleiche Lebensverhältnisse zu erreichen, müssten westdeutsche Unternehmen mit ihren Chefetagen, in den Osten umsiedeln, dann wären sie selbst an besseren Löhnen, Einbeziehung der Ostdeutschen in Gestaltungs- und Produktionsentscheidungen interessiert. So, wie es bisher läuft, werden wir weiterhin die verlängerte Werkbank der westdeutschen Konzerne bleiben.
Leider wird von einigen Menschen auf hohem Niveau geklagt. Jeder hatte die Chance, sein Leben nach seinen Wünschen zu gestalten. Viele machen für die eigene Trägheit den Staat verantwortlich. Ich war alleinerziehend und konnte nur mit meinem Einkommen mein Kind erziehen, welches einen guten Beruf erlernt hat, in diesem immer noch arbeitet. Mein Lebensstandard ist stetig gestiegen. Der Mauerfall war für mich eine große Chance. Es war nicht immer leicht, aber machbar. Ich habe ein Haus, dass ich erhalten und modernisiert habe. Das wäre in der DDR nie möglich gewesen.
Der Vergleich ist nicht mehr zeitgemäß. Man sollte zwischen Regionen (z. B. Bundesländern) vergleichen. Es gibt auch im Westen arme Gebiete und im Osten Städte und Umland mit guten Lebensverhältnissen. Im Westen gibt es andere Probleme, z. B. Mieten.
Mehrheit für Wiedereinführung der Wehrpflicht
In der Befragung ging es auch um das Thema Wehrpflicht. Seit einiger Zeit gibt es Diskussionen darum, ob die Wehrpflicht in Deutschland wieder eingeführt werden sollte. Eine Mehrheit von 60 Prozent der mdrFRAGT-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiltigt haben, sind für eine Wiedereinführung. Dagegen sind 31 Prozent.
Es sind vor allem die älteren Befragungsteilnehmenden, die für die Wiedereinführung sind. Bei der ältesten Gruppe der über 65-Jährigen sind zwei Drittel (66 %) dafür:
Bei der jüngsten Gruppe der 16- bis 30-Jährigen sind 72 Prozent der Meinung, die Wehrpflicht sollte weiter ausgesetzt bleiben:
Zwei Drittel finden höheres Einstiegsgehalt beim Freiwilligen Wehrdienst im Vergleich zu anderen Freiwilligendiensten ungerecht
1.400 Euro netto beträgt das monatliche Einstiegsgehalt für den Freiwilligen Wehrdienst im Heimatschutz der Bundeswehr. Das sind rund 1.000 Euro mehr als man in anderen Freiwilligendiensten erhält. Mehr als zwei Drittel (67 %) der beteiligten mdrFRAGT-Mitglieder finden das ungerecht. Rund ein Fünftel (22 %) findet es gerecht.
Große Mehrheit der Eltern empfindet Schulweg als sicher
Pünktlich zum Start des neuen Schuljahrs haben wir die Eltern, die an der Befragung teilgenommen haben, auch nach einigen Schulthemen befragt. So wollten wir beispielsweise wissen, wie die Eltern die Sicherheit des Schulwegs einschätzen. Für rund 80 Prozent der Schulkinder ist der Schulweg nach Angaben der Eltern, die abgestimmt haben, sicher oder eher sicher (86 %). Nicht sicher oder eher unsicher ist der Schulweg nach der Einschätzung der Eltern, die teilgenommen haben, für 14 Prozent der Kinder.
Besonders die Eltern, die den Schulweg als unsicher empfinden, haben uns in Kommentaren erläutert, wo sie Probleme sehen. Hier einige Beispiele:
Es gibt keinen Fußweg und die Straßen sind so schmal, dass man, wenn ein Auto kommt, sich irgendwo auf einem fremden Grundstück in Sicherheit bringen muss.
Obwohl auf einem sicheren Weg, nur wenige Minuten zu Fuß entfernt, eine Grundschule ist, muss unser Kind in eine weit entfernte Schule, da die nahe nicht unser Schulbezirk ist. Daher wird es meist mit dem Auto gebracht. Mit dem Fahrrad ist die Strecke nicht sicher.
Auf der Landesstraße fahren die Autos teil mit Tempo 160, Radwege oder alternative Strecken gibt es nicht.
Unser Kind muss bei jedem Wetter über einen Kilometer nach Hause laufen ohne Rad- oder Fußweg mit der schweren Tasche.
Es gibt keinen Fußweg, mein Kind muss am Straßenrand zur Busstelle laufen, Lkw und Pkw donnern mit erlaubten 100km/h vorbei. Der Schulbus fährt an unserem Haus vorbei, da hier keine Haltestelle eingerichtet werden will! Und Geschwindigkeitsbegrenzung Fehlanzeige.
Fast die Hälfte der Schulkinder kommt mit Bus oder Bahn zur Schule
Die meisten Schulkinder, deren Eltern an unserer Befragung teilgenommen haben, kommen mit Bus oder Bahn zur Schule (46 %). Jedes fünfte Kind (20 %) geht eigenständig zu Fuß in die Schule. Mit dem Auto werden 15 Prozent der Kinder gefahren. Etwa jedes zehnte Kind (11 %) bewältigt den Schulweg eigenständig mit dem Fahrrad.
Zu Fuß oder mit Rad werden nur wenige Kinder gebracht (je rund 3 %). Ein kleiner Teil der Kinder hat bereits einen Führerschein und fährt selbst mit Auto, Roller oder Mofa (4 %).
Großteil der Eltern ist zufrieden mit Zustand des Schulgebäudes
Die Schulgebäude von der großen Mehrheit der Kinder, deren Eltern bei uns abgestimmt haben, sind zufriedenstellend (82 %). Eher bis sehr unzufriedenstellend sind die Schulgebäude von 18 Prozent der Schulkinder.
Auch hier haben viele Eltern, die unzufrieden sind, ihre Einschätzung begründet. Oft wird kritisiert, dass die Schulgebäude nicht saniert sind oder es starke Mängel gibt. Hier einige Kommentare dazu:
Dach undicht, Fenster defekt und schließen nicht, Toiletten katastrophal, nur auf einer Etage fließend Wasser. Möbel aus DDR Zeit.
Die Klassenräume sind zu klein, zu wenig Ablagemöglichkeiten für die Unterrichtsmaterialien, die sanitären Anlagen sind miserabel, die Ausstattung mit digitaler Technik ist ein Witz.
Altes DDR-Gebäude, Sanierung und Umbau viel zu spät begonnen, daher jetzt kein Platz für Klassenräume und Fachschaften. Kein Schulhof, kein wirklicher Sportplatz. sengende Hitze bei Sonnenschein in allen Räumen. Keine Möglichkeiten, sinnvoll in halber Klassenstärke weiter zu unterrichten, da ständig Räume mit anderen Gruppen im stündlichen Wechsel geteilt werden müssen. So schon unzumutbar, in Zeiten von Corona unbeschreiblich.
Über die Befragung
In einer Befragung vom 15. bis zum 24. August 2020 wollten wir von den mdrFRAGT-Teilnehmerinnen und Teilnehmern wissen: "Corona-Schutz – Eigenverantwortung oder Staatsaufgabe?"
Neben Corona ging es dabei auch um die Themen Deutsche Einheit, Wehrpflicht und Schulstart.
An der Befragung haben 17.420 Menschen teilgenommen, davon 2.442 Erziehungsberechtigte von Schulkindern. Insgesamt sind mittlerweile 29.948 registrierte Mitglieder aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Teil der mdrFRAGT-Gemeinschaft.
51 Prozent der Befragten kommen aus Sachsen, 25 Prozent aus Sachsen-Anhalt und 24 Prozent aus Thüringen. Das entspricht in etwa der Verteilung der Einwohner in den drei Bundesländern.
55 Prozent der Befragten sind männlich und 45 Prozent weiblich.
Die Teilnehmer dieser Befragung verteilen sich auf folgende Altersgruppen:
344 Menschen sind zwischen 16 und 30 Jahre alt,
3.302 zwischen 31 und 50 Jahren,
7.219 zwischen 51 und 64 Jahren und
6.555 Teilnehmer sind 65 Jahre und älter.
Die Befragungen sind nicht repräsentativ, aber sie werden nach statistischen Merkmalen wie Geschlecht, Bildung und Beruf gewichtet. Die Gewichtung ist eine Methode aus der Wissenschaft bei der es darum geht, die Befragungsergebnisse an die real existierenden Bedingungen anzupassen. Konkret heißt das, dass wir die Daten der Befragungsteilnehmer mit den statistischen Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgleichen.
Wenn also beispielsweise mehr Männer als Frauen abstimmen, werden die Antworten der Männer weniger stark, die Antworten der Frauen stärker gewichtet. Die Antworten verteilen sich dann am Ende so, wie es der tatsächlichen Verteilung von Männern und Frauen in der Bevölkerung Mitteldeutschlands entspricht.
Dabei unterstützt ein wissenschaftlicher Beirat das Team von "mdrFRAGT". Mit dem MDR Meinungsbarometer soll ein möglichst breites Stimmungsbild der Menschen in Mitteldeutschland eingefangen werden – mit möglichst vielen Teilnehmenden.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | FAKT IST | 31. August 2020 | 22:10 Uhr