Bischofferode - Zeitzeugen erinnern sich Regine Tiedtke: Hatte genug Kunden fürs Salz aus Bischofferode
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24. Februar 2020, 14:15 Uhr
Regine Tiedtke reist seit den 60er-Jahren durch die Welt, um das hochwertige Kalisalz aus Bischofferode im Ausland zu verkaufen. Nach der Wende ist ihr um die Zukunft des Werkes nicht bange, denn die Kunden aus Westeuropa wollen auch weiterhin nur das Salz aus dem Eichsfeld. Umso größer ist ihre Wut, als das Werk trotzdem geschlossen wird.
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Erze, Kohle, Kalisalze – Regine Tiedtke reiste für diese Rohstoffe um die halbe Welt. 1958 schließt Regine Tiedtke, die aus der Oberlausitz stammt, ihr Studium für Außenhandel ab. Sie spezialisiert sich auf den Berg, eine Männerdomäne. Regine Tiedtke ist vor allem in den skandinavischen Ländern unterwegs. Das ostdeutsche Kalisalz an den Mann zu bringen, ist kein einfacher Job für die junge Frau. Sie muss lernen, sich durchzusetzen: Bei ihrem ersten Verkaufsgespräch in Schweden dreht der schwedische Einkäufer ihr während des Gesprächs den Rücken zu - weil sie eine Frau ist. Sie wird jahrzehntelang eine der wenigen Frauen in diesem Bereich bleiben.
Mehrmals im Jahr ist sie in Stockholm, Oslo oder Brüssel. Ihre Kunden sind die ganz Großen der europäischen Düngemittelindustrie und sie wollen nur das Kalisalz aus Bischofferode. Es wird nicht als Dünger direkt auf die Felder verbracht, sondern dient als Grundstoff für hochpreisige Düngemittel, für Mehrnährstoffdünger oder Kaliumsulfat. Tiedtkes Kunden in Finnland, Schweden und Belgien haben ihre Herstellungsprozesse über Jahre hinweg auf das qualitativ hochwertige Kalisalz aus Bischofferode abgestimmt.
"Bischofferode hat uns gerettet"
Nach der Wiedervereinigung und der Auflösung des VEB Kombinat Kali wird Regine Tiedtke in die Mitteldeutsche Kali AG (MdK) übernommen. Sie beobachtet, was mit den ostdeutschen Gruben passiert: "Es war eine ganz schlimme Zeit. Da hat uns Bischofferode zunächst gerettet, weil wir da die Abnehmer hatten, das waren natürlich die zahlungskräftigsten Abnehmer, die es überhaupt gab", sagt sie mit Blick auf den festen Kundenstamm, den die Bischofferoder Grube auch nach dem Ende der DDR behielt und der der Grube eine stabile Auftragslage bescherte. "Für uns war Bischofferode eine ganz wichtige Säule und wir waren völlig von den Socken als es hieß: Das wird zugemacht."
In Westdeutschland beherrscht zu dieser die BASF-Tochter Kali und Salz AG aus Kassel den Kalimarkt. Das Unternehmen macht gerade eine schwere Zeit durch: 1990 hat es den bis dahin größten Verlust seiner Geschichte eingefahren. Deshalb schaut man in Kassel argwöhnisch auf die Kaliindustrie im Osten. Bischofferode ist eine ernstzunehmende Konkurrenz für den Konzern. Doch mit einer Übernahme der ostdeutschen Kaligruben könnte Kali und Salz den deutschen Kalimarkt kontrollieren.
Gegen die Interessen des Arbeitgebers
Im Dezember 1992 wird die Fusion der ost- und westdeutschen Kaliindustrie verkündet und damit auch die Schließung von Bischofferode und anderen Gruben im Osten besiegelt. Von den einst zehn Gruben in der ehemaligen DDR bleiben zwei erhalten. Auch im Westen müssen zwei Gruben schließen, aber die Übergangszeiten sind dort um Jahre länger. "Bischofferode", sagt Regine Tiedtke immer noch mit Bedauern und Wut, "war eigentlich der größte Konkurrent von Kali und Salz". Als Außenhandelskauffrau bei der Mitteldeutschen Kali AG kann sie sich damals nicht offiziell solidarisch zeigen mit dem Arbeitskampf der Bischofferoder Kumpel, ohne ihren eigenen Arbeitsplatz zu gefährden. Aber sie und ihre Kollegen versuchen, entgegen den Interessen ihres Arbeitgebers, bis zuletzt die Aufträge für Bischofferode stabil zu halten, damit die Grube bis zum letzten Tag ausgelastet ist.
Noch heute ist Regine Tiedtke wütend und traurig über den Umgang von Politik und Wirtschaft mit den Bischofferöder Kumpeln.
Die haben ja gekämpft wie die Löwen. Wie die Löwen! Das ist wirklich schade.
Regine Tiedtke wird 1994 selbst arbeitslos: Nach der Übernahme der ostdeutschen Gruben und der Auflösung der Mitteldeutschen Kali AG durch die Kali + Salz aus Kassel, entscheidet sie sich, diesen Wechsel nicht mitzugehen.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im Fernsehen: Bischofferode - Das Treuhand-Trauma | Do, 05.07.2018 | 20:15 Uhr