Wohnkultur vor und nach 1989 Wie wohnte man in der DDR?
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17. August 2020, 13:13 Uhr
Eine verlassene Wohnung, die 20 Jahre niemand betreten hatte, verblüfft Anfang 2009 mit ihrer unveränderten DDR-Ausstattung. Wie sah die typische DDR-Wohnung aus, was durfte nicht fehlen und was sorgt noch heute für "Heimatgefühle"?
Im November 2008 machte der Leipziger Architekt Mark Aretz eine überraschende Entdeckung: Bei einer Hausbesichtigung im Stadtteil Reudnitz stieß er auf eine Wohnung, die 20 Jahre im Dornröschenschlaf geschlummert hatte. Der Wandkalender zeigte "August 1988" an, auf dem Küchentisch standen eine leere Flasche "Kristall Wodka", eine Dose "Marella"-Margarine und eine Flasche "Hit-Cola". Alu-Besteck lag herum und eine Tube mit Rügener Fischpastete. Im Wohnzimmer fand er eine typische DDR-Couchgarnitur. Kurzum, ein realsozialistisches Arrangement auf 40 Quadratmetern ohne jegliche Westprodukte.
Sparsamkeit oder Nostalgie?
"Nicht die Dinge an sich waren ungewöhnlich", diktierte Aretz den herbeigeeilten Journalisten in die Notizbücher, "sondern diese Unversehrtheit nach so langer Zeit." Doch seit die Nachricht von dem Reudnitzer Fund die Runde machte, wird darüber debattiert, wie viel DDR noch heute in den Wohnungen des Ostens steckt. Auch wenn verlässliche Aussagen oder gar statistische Angaben darüber fehlen – in vielen ostdeutschen Wohnzimmern finden sich noch etliche Gegenstände von damals. Die Gründe dafür sind vielfältig: Geldnot, Verbundenheit mit vertraut gewordenen Gegenständen, Nostalgie oder Erinnerungen, die mit dem einen oder anderen Möbelstück verknüpft sind.
In der DDR wurde viel Kraft und Liebe in die Ausgestaltung der Wohnräume investiert. Denn zum einen hatte es viel Mühe und Zeit gekostet, um von der "Kommunalen Wohnungsverwaltung" überhaupt eine Wohnung "zugewiesen" zu bekommen, zum andern war das passende Mobiliar oftmals nur mit Glück und Beziehungen zu erstehen. In einer solchen Situation entwickelten die Menschen eine besondere Nähe zu den Dingen in ihren Wohnungen.
Ein anderer Blick
Mit dem Ende der DDR verschwanden viele vertraute Gegenstände von einem Tag auf den anderen auf dem Sperrmüll. "Wenn man sich in der neuen Warenwelt eingerichtet hatte, die eine Welt der Beliebigkeit und des Überflusses ist", sagt der Fachpublizist und DDR-Sammler Günter Höhne, "bekommt man mit zeitlichem Abstand einen anderen Blick auf die abhanden gekommenen Dinge." Die Gegenstände in den Wohnungen der DDR, so Höhne, "sagten zu ihren Besitzern: Du kannst dich auf mich verlassen, ich bleibe bei dir, wenn du mich behalten willst."
Unabweisbarkeit des Authentischen
Was die Entdeckung der konservierten Wohnung zu einer kleinen Sensation werden ließ, war wohl der Reiz und die Unabweisbarkeit des Authentischen, die sich auf den Fotos der konservierten DDR-Wohnung manifestierte: So oder so ähnlich hatte es einmal ausgesehen in den Wohnstuben der DDR. Plötzlich war alles wieder da: der "Kristall Wodka", der "Stern Recorder", das Alu-Besteck und selbst der Stoffbeutel für den täglichen Einkauf ...
Ungebrochenes Interesse an der Alltagskultur der DDR
Das Interesse an der Alltagskultur der DDR ist jedenfalls ungebrochen. Das beweist nicht nur die Diskussion um den Reudnitzer Fund. Auch die Museen zur Alltagskultur der DDR – in Berlin, in Eisenhüttenstadt oder im Leipziger "Zeitgeschichtlichen Forum" - verzeichnen anhaltend hohe Besucherzahlen.
(zuerst veröffentlicht am 16.02.2009)
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR um 4 | 06.11.2017 | 16:00 Uhr