Pilzberatung zu DDR-Zeiten Giftig oder genießbar?

02. November 2020, 13:09 Uhr

Pilze sammeln war in der DDR beliebt. Hunderttausende suchten im Herbst in den Wäldern nach Pilzen. Wer sich nicht sicher war, ob genießbar oder giftig, holte sich Rat bei den Pilzberatungsstellen, die es überall im Land gab.

In der DDR gab es ein dichtes Netz von Pilzberatungsstellen. In jedem der 14 Bezirke und in der Hauptstadt Berlin gab es in den Bezirkshygiene-Inspektionen einen hauptberuflichen "Bezirkspilzsachverständigen". Dieser organisierte über die Kreis-Hygieneinspektionen in jedem Kreis mindestens eine, oft aber mehrere Pilzberatungsstellen. Die dort tätigen Pilzberater waren ehrenamtlich, aber im staatlichen Auftrag tätig. Über 1100 Pilzberater gab es in der DDR. Sie alle wurden regelmäßig geschult und wurden erst nach der Ablegung entsprechender Prüfungen berufen. Die Hygieneinspektionen zahlten kleine Aufwandsentschädigungen an die Pilzberater.

Pilze sammeln war beliebt im Osten

Pilze sammeln war in der DDR beliebt. Bis zu 300.000 Menschen nutzen jährlich das Angebot der Beratung. In den Herbstmonaten zogen Tausende in die Wälder. Man genoss die Natur und freute sich daran, den heimischen Speiseplan um das ein oder andere Pilzgericht zu erweitern. Die Selbstversorgung der Bevölkerung durch die "Früchte des Waldes" spielte dabei durchaus eine Rolle.

Keine flächendeckende Pilzberatung im Westen

In der alten Bundesrepublik gab es auch Pilzberatungsstellen, aber bei weitem nicht so viele und nicht flächendeckend. Oft unter der Regie einzelner Lebensmittelämter oder ebenfalls ehrenamtlich, organisiert durch Verbraucherschutzorganisationen.

Pilzberatung im NS-Staat

Im Zuge der Kriegsvorbereitungen und der Bestrebungen, die Bevölkerung unabhängig von Importen stabil zu versorgen und zu ernähren, spielte auch im sogenannten Dritten Reich die "Ernährung aus dem Wald" eine wichtige Rolle. Um Kenntnisse über essbare Pilze zu verbreiten und Vergiftungen zu vermeiden, wurde im Deutschen Reich ein Flächensystem von Pilzberatungsstellen organisiert. Dies lag in der Hand des "Reichsnährstandes". Die ständische Organisation der Agrawirtschaft war eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, spielte aber als gleichgeschaltete Organisation auch eine wichtige Rolle bei der Durchsetzung nationalsozialistischer Propaganda auf dem Lande.

Pilzberatung nach Tschernobyl

Während man sich in der DDR bei der offiziellen Berichterstattung über die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl bemühte, die Ereignisse und ihre Folgen für ganz Europa zu verharmlosen, gab es in der Bundesrepublik viele Hinweise auf mögliche Gefahren durch Radioaktivität, gespeichert in Böden, Pflanzen und dem entsprechend in Lebensmitteln. In vielen Teilen der Republik wurde vor dem Verzehr von Pilzen gewarnt.

Die Pilzberater in der DDR erhielten von offizieller Seite kaum Informationen. Sie rieten also auch nicht vom Pilzesammeln und Pilzessen ab. Bis heute ist die radioaktive Belastung der Böden durch die Katastrophe von Tschernobyl regional sehr unterschiedlich. Am schwersten Betroffen sind noch immer Teile Bayerns. Dort wird noch immer vom Verzehr von Wild-Pilzen abgeraten. Besonders hohe radioaktive, in der Regel jedoch nicht gesundheitsschädigende Werte, findet man in Maronen. Gänzlich abgeraten wird noch immer vom Violetten Bläuling.

Pilzberatung heute

Viele ehrenamtliche Pilzsachverständige bieten auch heute noch ihre Dienste an. Meist sind sie organisiert in der Deutschen Gesellschaft für Mykologie e.V. Die DGM, aber auch der Bund für Umwelt und Naturschutz oder einzelne Landesfacharbeitsgemeinschaften für Mykologie (Pilzkunde), bilden Pilzsachverständige aus. Da die Begriffe "Pilzberater" und "Pilzberatungsstelle" nicht geschützt sind, sollte man sich über die Qualifikation eines Beraters informieren. Ob und wo man in der Nähe eine zuverlässige Beratungsstelle findet, erfährt man am besten auf der Internetseite der "Deutschen Gesellschaft für Mykologie e.V.".

Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: MDR AKTUELL | 29. Oktober 2020 | 17:45 Uhr