Eine Insel als Geschenk: "Isla Ernesto Thälmann"
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21. Juni 2010, 12:29 Uhr
1972 hatte Fidel Castro der DDR eine Insel vor der kubanischen Küste geschenkt. Doch nur eine Handvoll DDR-Bürger konnten das idyllische Eiland besuchen und so war es allmählich in Vergessenheit geraten.
Im Februar 2001 berichtete die Berliner Internetzeitung "Thema 1" von einer vermeintlichen Sensation: "17. Bundesland vor Kuba - Fidel Castro schenkte uns eine Sonneninsel!" In ihrem "exklusiven" Beitrag schrieben die Redakteure, dass Fidel Castro 1972 der DDR eine Insel geschenkt habe und diese jetzt der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger der DDR gehöre. Doch der Traum von einem sonnigen Bundesland in der Karibik zerfiel alsbald. Sowohl die kubanische Botschaft in Deutschland als auch das Auswärtige Amt erklärten nur Tage später, es habe sich bei der Schenkung lediglich um einen "symbolischen Akt" gehandelt und nicht um eine rechtsverbindliche Besitzübertragung.
Ein Stück Karibik für die DDR
Die Legende von einer Karibikinsel der DDR hatte ihren Ursprung im Juni 1972. Als der kubanische Staatschef damals auf Einladung Erich Honeckers die DDR besuchte, bekam er als Geschenk einen Berliner Bären aus Plüsch überreicht. Castro selbst zeigte sich weitaus spendabler. Vor Honecker breitete der "maximo lider" im Staatsratsgebäude eine Karte Kubas aus und zeigte auf ein kleines Eiland der Inselkette Cayo Blanco del Sur (Weiße Insel im Süden).
"Sie befindet sich in der Schweinebucht", erklärte Castro mit großer Geste, "dort, wo sich die Invasion der Imperialisten vollzogen hat." Und genau diese Insel wolle er dem Volk der DDR als Geschenk überreichen. Danach schrieb er seinen Namen auf die Karte und auch Honecker unterzeichnete. Das "Neue Deutschland" würdigte am darauffolgenden Tag in einem ausführlichen Artikel die Schenkung als einen Ausdruck der "unverbrüchlichen Freundschaft zwischen Kuba und der DDR".
Sonnenstrand "Playa RDA"
Bereits vor seiner Abreise in die DDR hatte Fidel Castro die nur knapp 300 Meter breite, jedoch fast 20 Kilometer lange "Weiße Insel im Süden" in "Isla Ernesto Thälmann" umbenennen lassen – in Gedenken an einen "beispielhaften Sohn des deutschen Volkes". Und der mit Palmen bestandene Strand der unbewohnten Insel sollte fortan den Namen "Playa RDA" tragen, "Strand der DDR". Die graue ostdeutsche Republik schien von nun an im Besitz eines karibischen Archipels zu sein.
Thälmann-Büste am Strand unter Palmen
Am 18. August 1972, zwei Monate nach dem Besuch Fidel Castros in der DDR, wurde auf der "Isla Ernesto Thälmann" im Beisein von Vertretern der Kommunistischen Partei Kubas, eines Botschaftsrats der DDR sowie der Besatzung eines Rostocker Handelsschiffs eine meterhohe Büste Ernst Thälmanns enthüllt. Das Zentralorgan der SED feierte die Veranstaltung auf der "Playa RDA" als ein "Symbol brüderlicher Verbundenheit", mit der "das Andenken Ernst Thälmanns am 28. Jahrestag seiner Ermordung in Kuba geehrt" werde.
Die "Honnie-Insel"
Danach tat sich allerdings nichts mehr. Und auch kein DDR-Bürger konnte den Urlaub auf der fernen Karibikinsel seines Staates verbringen. Es kam sogar das Gerücht auf, Castro habe die Insel Honecker persönlich geschenkt, und so wurde schließlich nur noch von der "Honnie-Insel" gesprochen. Einer der wenigen DDR-Bürger, die die "Isla Ernesto Thälmann" besuchen durften, war der Schlagersänger Frank Schöbel: "Die Insel war zwar klein, aber traumhaft schön: lange Sandstrände und Palmen, absolut menschenleer." Über die Büste Ernst Thälmanns, dem ständig die Wellen ins Gesicht schwappten, habe er sich aber "totgelacht". Schöbel war 1975 im Auftrag des DDR-Fernsehens auf dem Eiland an Land gegangen, um ein Musikvideo zu drehen. Er tollte in Begleitung kubanischer Grazien über den weißen Strand und trällerte sein Lied von einer "Insel am Golf von Cazzone". Die Schnulze vermochte die DDR-Bürger aber nicht recht zu begeistern und verschwand schnell im Archiv. Auch die Insel selbst geriet allmählich in Vergessenheit. "Wir konnten ja kaum nach Ungarn fahren", sagt Schöbel heute, "wie wollten wir dann in die Karibik fliegen?"
Thälmanns Kopf im Sand
Nachdem sich der Traum von einem Bundesland in der Karibik 1991 zerschlagen hatte, versuchte ein Bankkaufmann aus Pirmasens noch im selben Jahr, den Kubanern die Insel abzukaufen. Sein Geschäftsmodell versprach potentiellen Anlegern Parzellen auf dem Eiland. Doch sein Plan scheiterte – es fanden sich nicht genügend Interessenten. Und so ist die "Isla Ernesto Thälmann" auch heute noch so unberührt wie damals: Es gibt keine Hotels und keine Bewohner. Nur manchmal bringen Fischerboote ein paar ausländische Touristen für einen Nachmittag an Land. Die einzige Veränderung: Die Büste Ernst Thälmanns wurde 1998 von einem Hurrikan umgeweht. Das Gesicht des Namensgebers der Insel liegt seither im Sand.