Lexikon Jugendfreizeit
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Arbeitsgemeinschaft | Diskothek | Freizeitgestaltung | Jugendklub
16. Februar 2010, 10:16 Uhr
In der DDR nahm der Staat nicht nur über das einheitliche sozialistische Bildungssystem Einfluss auf das Leben und die Entwicklung seiner Kinder und Jugendlichen. Nach dem Klingelzeichen, das den Schultag beendete, war für die jungen Leute noch lange nicht Schluss. Die Freizeit sollte "sinnvoll" verbracht werden. Was sinnvoll war, bestimmte die offizielle Parteilinie. Im Vordergrund stand die Förderung der so genannten "gesellschaftlichen Arbeit".
Schon die Grundschüler wurden dazu angehalten Aufgaben für die Allgemeinheit zu übernehmen. Unter der Obhut von Staat, Pionier- und FDJ-Organisationen hatten die Kinder- und Jugendlichen viel Spaß an einem breiten Freizeitangebot, in Arbeitsgemeinschaften, Jugendklubs und Pionierhäusern.
Wir Jungpioniere achten alle arbeitenden Menschen und helfen überall tüchtig mit.
Sinnvolle Freizeitgestaltung: Timur und sein Trupp
"Timur und sein Trupp", ein Buch des sowjetischen Schriftstellers Arkadi Gaidar, wurde zum Kultbuch erhoben. Entsprechend edel, hilfreich und gut wie die Romanhelden wünschte sich die Partei „ihre“ Kinder. Dabei nutzte sie die natürliche Hilfsbereitschaft und Abenteuerlust der Kleinen, sowie ihren Eifer, stets die Besten sein zu wollen. Die Kinder waren mit Feuereifer bei der Sache, wenn es darum ging, mit einem Handwagen von Haus zu Haus zu ziehen, um "Sekundärrohstoffe" zu sammeln: Lumpen, Flaschen oder Altpapier.
Die legendäre Aktion SERO (Sekundärrohstofferfassung) wurde vorwiegend von Jungpionieren ausgerichtet. Die Wirtschaft benötigte die Altstoffe dringend. Fünf bis 30 Pfennig zahlten die Annahmestellen für Flaschen, ein wenig mehr für ein Kilo Papier. Für fleißiges Sammeln gab es sogar ein Lob beim Fahnenappell und ein paar Mark für die Klassenkasse. Doch die "sinnvolle Freizeitgestaltung" konnte auch anders geleistet werden: als Hauhaltshilfe für alte Menschen, durch wöchentliche Pioniernachmittage, die Gestaltung der Klassenwandzeitungen oder auch den Wettbewerb um die Goldene Eins im Straßenverkehr. Besonders eifrige Pioniere wurden mit dem Abzeichen "Für gute Arbeit in der Schule" ausgezeichnet.
Was die Kleinen noch gerne machten, wurde von den FDJlern zunehmend als lästige Pflicht empfunden. 1948 sammelte die FDJ für den Bau von Neubauernhäusern, 1950 für den Ofen 5 des Stahl- und Walzwerkes Brandenburg und 1970 bis 1973 für den Aufbau des VEB Robotron. Andere verbrachten einen Teil ihrer Freizeit als Arbeitskraft bei Meliorationsarbeiten in der Altmärkischen Wische oder beim Bau einer Wasserversorgung für die Maxhütte Unterwellenborn. Sinnvolle Freizeitgestaltung war auch die Teilnahme an Fachzirkeln, die mit einer Prüfung zum "Abzeichen für gutes Wissen" endeten.
Arbeitsgemeinschaften
Fast alle waren dabei, doch nicht jeder machte mit. Die Teilnahme an einer außerunterrichtlichen Arbeitsgemeinschaft war für eine gute Beurteilung wichtig. Mitglieder des Deutschen Turn- und Sportbundes oder der Gesellschaft für Sport und Technik waren fein raus, ihr Engagement wurde gleichermaßen anerkannt. Oftmals hatten die Kinder und Jugendlichen Spaß an ihren AGs. Wie vielfältig und interessant das Angebot war, hing nicht zuletzt vom Engagement, der Phantasie und der Lust des jeweiligen Lehrers ab. Zumeist war er für die Gestaltung der Arbeitsgemeinschaften allein verantwortlich.
Je nach ihren Interessen konnten die Kinder in den verschiedenen AGs kochen, nähen, basteln, im Chor singen, musizieren, tanzen, fotografieren, Modelle von Flugzeugen oder Schiffen bauen, sich der Astronomie, Geschichte, Natur oder Technik beschäftigen. Die Teilnahme an einer AG war kostenlos. Zumeist fanden die Kurse in den Schulen statt, teilweise aber auch in Pionier- oder Kulturhäusern.
Heiße Rhythmen: Jugendklubs
Was im Westen Disko hieß, trug in der DDR den Namen Jugendklub; wohlverstanden mit "k" geschrieben, um ihn von amerikanischer Schreib- und Lebensweise abzugrenzen. Entsprechend waren es keine Diskjockeys, die für die Musik sorgten, sondern Schallplattenunterhalter. Und die hatten es nicht einfach. Zum einen durfte nicht jede Platten aufgelegt werden, zum anderen galt die Vorschrift, dass zu mindestens 60 Prozent Osttitel gespielt werden müssten. Und dennoch: wenn die Lautsprecher hochgefahren wurden und das Licht erlosch, wurde geknutscht, geschmust und auch getanzt.
Die meisten Klubs entstanden zu Beginn der 70er Jahre und waren fest in FDJ-Hand. Einige der Treffpunkte entwickelten sich zu republikweiten Kultstätten, so das "Café Impro" in Magdeburg oder die Studentenklubs "Moritzbastei" und "Turm" in Leipzig und Weimar. Dass sich später so manche Studentenklubs trotz ihrer formalen FDJ-Vorherrschaft zu Keimzellen des Widerspruchs entwickelten, war seitens der Staatsmacht keinesfalls gewollt.