Meine Meinung - Ihre Meinung Orden in Ehren oder Orden abwehren?
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30. Oktober 2009, 16:33 Uhr
Lächerlich erscheinen heute die Alu-Anhänger und Bronze-Orden aus DDR-Zeiten. Aber ist es nicht die Natur des Menschen, angenommen sein zu wollen, belobigt und geehrt?
Kennen Sie den? "Der sowjetische Verteidigungsminister Ustinov ist gestorben. Das Politbüro der KPdSU teilt daraufhin mit, es finde keine Beerdigung, sondern eine Verschrottung statt." Der Witz spielt auf die Abrüstungsdebatten des Jahres 1984 an – aber auch auf die Ordenspracht, die an der Brust der Sowjethelden in kiloschweren Spangen, Broschen und Ehrennadeln rasselte, oft noch lauter als die altersschwachen Lungen der Genossen von der "Jungen Garde" des ZK.
Der Witz macht sich lustig über das Auszeichnungs(un)wesen, das für jeden sozialistischen Staat charakteristisch ist. Da wird belobigt, was das Zeug hält – von der "Goldenen Brandschutzeins" über das "Abzeichen für gutes Wissen in der sozialistischen Schule" bis zum "Karl-Marx-Orden in Gold".
Tragisch daran: Jeder Orden hatte auch eine einordnende Funktion: In einer Gesellschaft, deren Erziehungswesen auf Disziplin und Ordnung ausgerichtet war, deren Ziel die Anpassung ans Kollektiv und die Hemmung des Individualismus war, ist der psychologische Mechanismus der "positiven Verstärkung" Teil der Unterdrückung. So fördert der Staat erwünschtes Verhalten – und das kann sogar ohne die Bestrafung als zweite Seite der Medaille funktionieren, mit ihr natürlich noch besser.
Auf jeder Ostparty und jedem Flohmarkt sind die Abzeichen der DDR-Zeit ein Lacher. Der Wessi schmunzelt, weil er es lächerlich findet, dass sich Menschen ernsthaft für einen "Aktivisten der Arbeit" den Buckel krumm machen konnten. Der Ossi lacht, weil er im Lachen die eigene Korrumpierung abschütteln möchte. Lächerlich erscheinen die Aluanhänger und Bronze-Orden gemessen an den Belobigungen, die heute für systemkonformes Verhalten gängig sind – von der Abwrackprämie bis zur Bonuszahlung.
Auch wenn im einen System das Individuum gefördert, im anderen gehemmt wird: Das Prinzip ist das gleiche: Positive Verstärkung soll erwünschtes Verhalten hervorrufen. Wirklich frei ist eine Gesellschaft erst dann, wenn ihre Mitglieder diesen Mechanismus erkennen und sich dagegen wehren. Aber ist es nicht die Natur des Menschen, angenommen sein zu wollen, belobigt und geehrt?