Lexikon Universitäten in der DDR
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06. Januar 2022, 11:09 Uhr
Universitäten in der DDR
Förderung der Arbeiter- und Bauernkinder
1945 konnte man in der Sowjetischen Besatzungszone auf sechs traditionelle Universitätsstandorte zurückgreifen: Berlin, Greifswald, Halle, Jena, Leipzig und Rostock. Hinzu kamen zwei technische Bildungseinrichtungen mit Hochschulrang, die Technische Hochschule Dresden sowie die Bergakademie Freiberg. All diese Einrichtungen wurden nach oder im Zuge der Entnazifizierung wiedereröffnet und über mehrere Reformen den Vorstellungen und Erfordernissen eines sozialistischen Bildungswesens angepasst. Geplant war, dass die Universitäten (wie auch die anderen Hochschulen) praxisorientierte, hoch gebildete und sozialistisch erzogene Kader hervorbringen und zur maximalen Steigerung des Nationaleinkommens beitragen sollten. Kernzielgruppe dieser Bestrebungen waren die Kinder der Arbeiter und Bauern als neu zu mobilisierende Bildungsreserven. Sie wurden gerade in der Anfangszeit der DDR stark gefördert und empfanden die ihnen eingeräumten Bildungsmöglichkeiten als sozialen Aufstieg. Doch diese Entwicklung stagnierte spätestens in den 80er Jahren. Aufgrund der eingeschränkten, dem Bedarf angepassten Studienmöglichkeiten konnten im internationalen Vergleich immer weniger Menschen einer Altersgruppe einen Studienabschluss bzw. eine Tätigkeit im Wissenschaftsbereich erzielen.
Mehr Lehre denn Forschung
Zunächst wurde an dem alten Grundsatz der Einheit von Forschung und Lehre festgehalten, obgleich sich deren Gleichgewicht bereits ab 1952/53 zu Ungunsten der Forschung verschob. Deutlich wurde dies insbesondere in den Gesellschaftswissenschaften. Immer stärker versuchte man, die Forschung dieser Bereiche in von der SED geschaffene oder zumindest kontrollierte Einrichtungen zu verlagern (z.B. die Akademie für Gesellschaftswissenschaften). Auch in den naturwissenschaftlichen Bereichen wurden ab Mitte der 60er-Jahre erhebliche Forschungspotentiale in außeruniversitären Akademien geschaffen. Um 1970 machte der Anteil der universitären Forschung am Gesamtforschungspotential der DDR nur noch 40 Prozent aus. Es mussten nun (als Aufgabe der Bildungspolitik und Forschungsplanung) gesellschaftliche Notwendigkeit, wirtschaftliche Möglichkeit, ideologische Voreingenommenheit und parteipolitische Kadererziehung in einen praktikablen Zusammenhang gebracht werden, was schwerlich zur Zufriedenheit aller Betroffenen gelöst werden konnte.
Staatliche Lenkung der Wissenschaften
Die 2. Hochschulreform von 1951 strukturierte die universitäre Ausbildung weiter in Richtung eines einheitlichen sozialistischen Bildungssystems. Eingeführt wurden das zehnmonatige Studienjahr, feste Studienpläne für alle Fachrichtungen sowie ein für alle Fachrichtungen verbindliches marxistisch-leninistisches Grundlagenstudium inklusive der dafür erforderlichen Institute. Darüber hinaus kam es zu einer Anbindung der Studentenvertretungen an die FDJ. Weitere Reformen wurden durch die IV. Hochschulkonferenz von 1967 eingeleitet und fanden in der 3. Hochschulreform von 1968 ihren Niederschlag. Diese Reform brachte vor allem für Organisation und Verwaltung der Universitäten und Hochschulen einschneidende Verränderungen. Die universitäre Kollegialverwaltung wurde weitgehend außer Kraft gesetzt, bislang bestehende Fakultäten und Institute löste man auf und fasste sie in neue, meist größere Sektionen, die sowohl einzelne Fächer als auch Fächerkombinationen repräsentieren konnten, zusammen.
Für Lehre und Forschung brachte diese Neuorganisation dann Vorteile, wenn sich aus den neuen Nachbarschaften Anregungen und Ergänzungen ergaben; für kleinere Fachbereiche und spezielle Forschungsdisziplinen konnten aber auch erhebliche Nachteile die Folge sein. Überfrachteten Lehrpläne, ausufernde Regularien und mangelnde Orientierung auf Forschungsaufgaben führten sukzessive zu einer immer stärkeren Verschulung des Studiums. Erst in den 80er Jahren wurde darin ein Mangel gesehen und eine Reduzierung der Pflichtstundenzahl in Angriff genommen – wenngleich die strenge Reglementierung beibehalten wurde.
Leitung und Organisation
Universitäten und Hochschulen waren in der DDR alles andere als unabhängige Bildungseinrichtungen. In erster Linie waren sie dem Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen unterstellt, allerdings übten auch andere Instanzen, wie etwa die Abteilung Wissenschaft und Hochschulwesen im Sekretariat des ZK der SED (1951 gebildet), verschiedene Fachministerien, der zeitweilig wichtige Forschungsrat der DDR sowie die zentral eingerichteten Wissenschaftlichen Räte (seit 1968 zentrale forschungsleitende und -koordinierende Gremien) starken Einfluss auf die Entwicklung von Lehre und Forschung aus.
Die Verwaltung der Universitäten erfolgte auf zwei Ebenen: der zentralen Ebene der Gesamtuniversität und der dezentralen der Sektionen. An der Spitze einer jeden Universität stand ihr Rektor, aus dem Kreis der ordentlichen Professoren vom Wissenschaftlichen Rat der Universität für drei Jahre gewählt. Unterstützt wurde er von mindestens vier Prorektoren: dem 1. Prorektor, dem Prorektor für Gesellschaftswissenschaften, dem für Naturwissenschaften und dem Prorektor für Erziehung und Ausbildung. Den in Wissenschaftsbereiche untergliederten Sektionen stand jeweils ein gewählter Sektionsdirektor vor, der von einem Stellvertreter für Erziehung und Ausbildung unterstützt wurde. Die einzelnen Wissenschaftsbereiche wurden je von einem ordentlichen Professor des entsprechenden Wissenschaftsgebietes geleitet.