Sportforschung Fußball: Neuer Torwart-Handschuh mit Überdehnungschutz

21. Juni 2021, 15:59 Uhr

Schießt ein Ball extrem schnell auf uns zu, ducken wir uns reflexhaft weg, ziehen die Finger ein, damit uns die Wucht des Geschosses nicht umhaut. Schießt ein Fußball rasant auf Profis im Tor zu, greifen die Herrschaften beherzt in die Flugbahn, Hauptsache, das Runde fliegt nicht ins Eckige. Gegen Überdehnungen der Finger bei solchen Aktionen ist bislang noch kein Kraut gewachsen. Aber eine Handschuh-Neuentwicklung könnte solche Verletzungen in Zukunft verhindern.

Verstaucht, verrenkt, gebrochen: Wenn der Fußball mit 120 km/h auf die Frau oder den Mann im Tor zuschießt und mit der Hand abgefangen wird, sind Verletzungen keine Seltenheit. Dabei könnten jedenfalls Finger-Überdehnungen bald der Vergangenheit angehören. Das Technologiezentrum Maschentechnik in Denkendorf arbeitet zusammen mit der T1Tan Gmbh aus Herbholzheim an einem Handschuh, der 90 Prozent solcher Verletzungen verhindern soll.

Torwart-Handschuh: Statt Kunststoff-Schiene Textilstrukturen

Wie funktioniert das? Herkömmliche Torwart-Handschuhe haben an der Außenhand angebrachte Kunststoffschienen, so genannte "Finger Frames". Ihr Nachteil: Sie lassen sich leicht über ihre Dehngrenze hinaus verbiegen. Genau hier setzen die Handschuh-Entwickler aus Denkendorf an. Ihre Handschuhe sollen die Finger vor solchen extremen Belastungen schützen. Und die Belastungen sind enorm, wenn ein 120 km/h schneller Ball vor dem Netz abgefangen werden muss. 120 km/h, das bedeutet, dass der Ball in einer Sekunde 33,33 Meter weit fliegt. Und ganz nebenbei heißt das auch, dass der Schütze mindestens 30 km/h schnell anlaufen muss, bevor er den Ball trifft, wie wir in unserem Youtube-Kanal Science vs. Fiction ausgerechnet haben.

Grafische Darstellung Torwarthandschuh
Bildrechte: DITF

Aber zurück zum Handschuh des Torwarts. Der funktioniert nach einem neuen Prinzip: Über eine Manschette am Handgelenk wird die Kraft, die über die Fingerspitzen aufgenommen wird, in den Unterarm abgeleitet, ohne dass sich der Handschuh verformt. "Tendenziell sind diese Handschuhe wohl etwas schwerer. Es müssen nicht nur die Zugstränge am Handgelenk integriert werden, auch der Handgelenksaufbau ist aufwändiger und stabiler," beschreibt Dipl.-Ingenieur Oswald Rieder den Unterschied zu herkömmlichen Fußball-Handschuhen. Spezielle Textilstrukturen, die vom Finger-Endgelenk der Außenhand bis zum Fingerendgelenk der Innenhand aufgenäht werden, sind fest im Handschuh verankert. Die Handschuhe können individuell auf die Handlänge und jeden Finger angepasst werden.

Torwarthandschuh im Test
Tests mit dem Handdummy belegten, dass die Wucht des Aufschlags durch den Handschuh abgeleitet wird. Bildrechte: DITF

Für jeden einzelnen Finger kann die passende Vorspannung eingestellt werden. Getestet wurde der Handschuh gegen Überdehnung an einem eigens dafür entwickelten "Handschuhprüfstand". Hier zielt eine Ballkanone aus verschiedenen Winkeln auf einen Hände-Dummy, mit Ballgeschwindigkeiten zwischen 20 und 120 km/h. Eine Druckmessdose hinter dem Handschuh analysierte die Restaufschlagskraft des Balls. Deren niedrige Werte zeigten laut Entwicklungsteam, dass eine Hand in diesem Handschuh vor einer Überdehnung der Finger geschützt sei.

Handschuhe für Profis und Amateure

Das klingt nach einem sehr individuell angepassten Hilfsmittel für den Profisport. "Klar wäre der Idealfall eine Individuelle Anpassung," sagt Oswald Rieder, Leiter des TechNologiezentrums Maschentechnik, "aber dann wäre der Markt für so eine Entwicklung viel zu klein. Uns geht es um den Breitensport". Eignet sich der Handschuh auch für andere Sportarten? An sich wäre so ein Überdehnungsschutz auch in anderen Ballsportarten denkbar, bestätigt Rieder: "Wir haben schon mal Richtung Volleyball gedacht, dabei sind die Finger ja extrem gefährdet. Aber da sind Handschuhe untersagt." So zielen die Handschuh-Entwickler also vorerst allein auf den Fußball-Markt, bzw. die Hände der Frauen und Männer im Tor.

lfw

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