Turnen Frehse erhebt Vorwürfe gegen Deutschen Turner-Bund
Hauptinhalt
15. Juni 2022, 14:53 Uhr
Die Turntrainerin Gabriele Frehse hat anderthalb Jahre nach ihrer unwirksamen Kündigung im Interview mit der Sächsischen Zeitung schwere Vorwürfe gegen den Deutschen Turner-Bund erhoben. Der Verband habe bei der Verpflichtung des ebenfalls wegen Gewalt beschuldigten Gerben Wiersma "Zweiklassen-Moral" bewiesen.
Die ehemalige Bundesstützpunkt-Trainerin in Chemnitz, Gabriele Frehse, hat dem Deutschen Turner-Bund "Zweiklassen-Moral" vorgeworfen. In einem Interview mit der "Sächsischen Zeitung" erklärte die 61-Jährige, dass der Verband bei der Verpflichtung des neuen Frauen-Bundestrainers Gerben Wiersmar und dem Umgang mit ihrer Person mit zweierlei Maß gemessen habe. Sie habe das Gefühl, sie sei ausgewählt worden, um ein Exempel an ihr zu statuieren.
Frehse wurde im November 2020 als Cheftrainerin suspendiert, nachdem einige aktuelle und ehemalige Turnerinnen, darunter Pauline und Helene Schäfer, ihr im Nachrichtenmagazin "Spiegel" psychische Gewalt und unerlaubte Schmerzmittel-Abgabe vorgeworfen hatten. Die anschließende Verdachtskündigung des Olympiastützpunkts Sachsen erklärte das Arbeitsgericht Chemnitz im Oktober 2021 wegen handwerklicher Fehler für unwirksam - eine Beschäftigung beim Verband erhält sie seitdem trotzdem nicht. Der OSB ging gegen das Urteil in Berufung.
Wiersma wurde trotz ähnlicher Anschuldigungen Bundestrainer
Ein halbes Jahr später sorgte der DTB mit der Verpflichtung des neuen Bundestrainers Gerben Wiersma bundesweit für Stirnrunzeln. Wiersma war noch im Frühjahr 2021 als Auswahltrainer der Niederlande zurückgetreten, weil der Verband Ermittlungen wegen körperlicher und emotionaler Misshandlungen an Turnerinnen eingeleitet hatte.
Der DTB kam im Zuge einer eigenen Aufarbeitung zu der Erkenntnis, dass Wiersma "vor seiner Zeit als Cheftrainer in den Jahren 2010 und 2011 in begrenzten Fällen gegen die Disziplinarordnung des Verbandes verstoßen habe". Anders als Frehse blieb Wiersma trotz des Schuldspruchs straffrei.
Man kann doch nicht mit zweierlei Maß messen. Ich habe schon das Gefühl, man hat gerade mich ausgewählt, um ein Exempel zu statuieren.
Für Frehse ein klarer Fall von Zweiklassen-Moral: "In Holland und der Schweiz geht man besser mit diesem Thema um. Dort hat man alle Trainer bei den Untersuchungen mit einbezogen." Dass der DTB nicht ähnlich mit ihr verfahren ist, wundere und ärgere sie: "Man kann doch nicht mit zweierlei Maß messen. Ich habe schon das Gefühl, man hat gerade mich ausgewählt, um ein Exempel zu statuieren."
Das Arbeitsgericht erklärte Frehses Kündigung für unwirksam
Trotz des gewonnen Arbeitsprozesses gegen den Verband ist die 61-Jährige seitdem noch nicht an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. "Ich möchte die Mädchen nicht der Gefahr aussetzen, dass wieder Presseleute vor der Tür stehen", erklärt sie im SZ-Interview. Momentan helfe sie stattdessen beim Turn- und Sportverein 1861 Chemnitz-Altendorf aus, wo sie ehrenamtliche Geschäftsführerin ist.
Perspektivisch wolle sie an den Bundesstützpunkt zurückkehren, sobald eine abschließende Klärung mit dem Verband gelingt. Dem wirft sie mangelnde Kommunikationsbereitschaft vor: "Es gab nicht ein einziges Treffen oder Gespräch, obwohl es meinerseits viele Bemühungen gab. Der DTB-Präsident und die Generalsektretätin waren in Chemnitz beim Bürgermeister, um ihm zu sagen, dass er mir unbedingt Hallenverbot erteilen muss. Die beiden haben es aber nicht geschafft, am Bundesstützpunkt vorbei zu schauen, und ein Gespräch mit mir zu führen."
Wirsma und DTB streben Kulturwandel an
DTB-Präsident Alfons Hölz erklärte im Februar die Verpflichtung Wiersmas mit dessen offenem und reflektiertem Umgang mit den Missständen im niederländischen Turnen. Weil Wiersma nach den Vorwürfen seine Fehler eingestanden und sich entschuldigt hat, traue man ihm den Kulturwandel im Deutschen Turnen trotz seiner umstrittenen Vergangenheit zu.
In der damaligen Mitteilung des Verbandes gibt sich Wiersma selbstkritisch: "Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie herausfordernd und gleichzeitig wichtig der Kulturwandel ist und wie sensibel die Rolle der Trainer hierbei ist." Er wolle zeigen "dass ein respektvoller Umgang im Hochleistungssport mit jungen Athletinnen nicht nur möglich, sondern absolut notwendig ist und man gleichzeitig auch erfolgreich sein kann".
Wenn ich jemanden verletzt habe, dann tut mir das unglaublich leid. Was mir aber diese Turnerinnen vorwerfen mit Medikamentenmissbrauch, dass ich sie in die Essstörung getrieben habe, Schmerzen ignoriert habe - das weise ich nach wie vor von mir.
Die Fronten bleiben verhärtet
Gabriele Frehse verteidigt ihre Trainingsmethoden: "Wenn man im Leistungssport ist, muss man über Grenzen gehen. Ich habe Turnerinnen geholfen, ihren inneren Schweinehund zu überwinden. Natürlich ist das harte Arbeit, und natürlich ist auch nicht immer der Ton richtig oder wie man sich verhält."
Andere Teile der gegen sie erhobenen Anschuldigungen bestreitet sie. "Wenn ich jemanden verletzt habe, dann tut mir das unglaublich leid. Was mir aber diese Turnerinnen vorwerfen mit Medikamentenmissbrauch, dass ich sie in die Essstörung getrieben habe, Schmerzen ignoriert habe - das weise ich nach wie vor von mir."
Auch anderthalb Jahre nach Frehses Freistellung sind die Fronten zwischen dem Verband und der erfolgreichen Trainerin verhärtet. Die Vorwürfe ihrer Schützlinge, für die sie nach eigener Aussage "wie ein Stier gekämpft hat", kann Frehse nach wie vor nicht nachvollziehen. "Es ist respektlos, wie diese Turnerinnen mit mir umgehen. Was sie erzählen, ist ihre Wahrheit, wie sie es im Nachhinein empfinden. Das ist natürlich nicht meine Wahrheit."
jas/sz
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/c2da9273-cf23-4da2-ac9f-4f1962830bb9 was not found on this server.