
Skispringen Anzug-Skandal: Sven Hannawald fordert drastische Konsequenzen
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11. März 2025, 09:47 Uhr
Der Anzug-Skandal bei der Nordischen Ski-WM wirft viele Fragen auf und trifft die Skisprung-Welt bis ins Mark. Sven Hannawald, letzter deutscher Tourneesieger, fordert drastische Konsequenzen gegenüber den norwegischen Athleten.
Es ist nicht das erste Mal, dass nicht regelkonforme Anzüge beim Skispringen für Diskussionen sorgen. Was sich bei der zurückliegenden Nordischen Ski-WM in Trondheim ereignet hat, übertrifft jedoch alles bisher Dagewesene. Ausgerechnet die norwegischen Gastgeber haben still und heimlich an ihren Anzügen herumgebastelt - und bewusst betrogen. Das gestand schließlich auch der norwegische Sportdirektor Jan Erik Aalbu am letzten Tag der WM, nachdem ein entlarvendes Video aufgetaucht war und das Lügengerüst nicht mehr standgehalten hatte.
Erste Konsequenzen ließen nicht lange auf sich warten. Norwegens Cheftrainer Magnus Brevik, der hautnah beim Umnähen der Anzüge dabei war, wurde am Montag suspendiert. Geht es nach Sportschau-Experte Sven Hannawald, darf das aber nur der Anfang sein.
Hannawald: "Würde sie alle rausschmeißen"
"Wenn ich Sandro Pertile (Renndirektor des Weltverbandes FIS, Anm. d. Red.) wäre, würde ich sie alle rausschmeißen und bis zum Ende der Saison beurlauben, damit sie sich bewusst werden, was sie für einen Skandal ins Leben gerufen haben." Mit "sie" meint Hannawald in dem Falle die norwegischen Athleten wie Marius Lindvik oder Johann Andre Forfang. Lindvik gewann Gold auf der Normalschanze und - ebenso wie Forfang - Gold im Mixed-Team.
Beide behaupten nach wie vor, nichts von den manipulierten Anzügen gewusst zu haben. Hannawald hält das für einen noch "größeren Schwachsinn". "Wenn ich jetzt vom Norweger Johann Andre Forfang lese, dass er von nichts gewusst hat - da könnte ich mich schon wieder auf meinen Hacken im Kreise drehen, bis es qualmt. Ich kann einfach nicht verstehen, wie man wirklich so dreist sein kann, uns alle zu belügen."
Norweger arbeiteten zusätzliche Nähte ein
Aber was wurde überhaupt manipuliert? Die genaue Passform der Anzüge ist ein hochsensibles Thema. Millimeter können letztlich über Meter beim Springen entscheiden. Im Falle der Norweger wurden während einer Nacht-und-Nebel-Aktion zusätzliche Nähte vom Knie bis zum Schritt eingearbeitet.
"Eine Art Angelsehne", erklärt Hannawald, die den Anzug steifer macht und somit für mehr Stabilität beim Fliegen sorgt. Das Schrittmaß wird manipuliert. Die größere Fläche zwischen den Beinen "lässt einen weiterfliegen", führt der 50 Jahre alte ehemalige Weltklassespringer aus.
Hannawald selbst hat während seiner aktiven Zeit etliche Wettkämpfe absolviert. 2002 gewann der im Erzgebirge geborene Team-Olympiasieger als überhaupt erster Springer alle vier Wettbewerbe der Vierschanzentournee. Dass der Grat bei den Messtechniken stets ein schmaler war und ist, betont auch er. Was sich aber nun in Trondheim abgespielt hat, "ist der absolute Betrug, eine Farce hoch acht. Das habe ich in meinem ganzen Skispringer-Leben noch nie erlebt", meint Hannawald.
Skandal in Trondheim nur der Anfang?
Der zweifelsohne vorhandene Leistungsdruck im Skispringen dürfe ebenfalls keine Ausrede für eine solche Manipulation sein. "Wenn ich merke, ich bin nicht gut genug, muss ich eben mehr trainieren", ärgert sich Hannawald: "Aber es kann nicht sein, dass ich dann in andere Schubladen greife und andere Springer in der Skispringer-Familie betrüge."
Für ihn ist erst die Spitze des Eisberges aufgedeckt. Der Verdacht steht im Raum, dass auch andere Nationen während der Weltcupsaison an ihrem Material herumgebastelt haben. Hannawald hatte schon deutlich vor dem denkwürdigen WM-Samstag Unregelmäßigkeiten vermutet. Die Leistungssteigerungen gewisser Athleten binnen weniger Monate unterfüttern diesen Gedanken.
Hannawald fordert engere Kontrollen
Doch was muss sich in Zukunft ändern? Für Hannawald ist vor allem die FIS in der Verantwortung. Zu dieser Saison hat der Weltverband elektronische Chips eingeführt. Vor und nach dem Sprung prüft ein Scanner die Passform. Die Athleten dürfen über die gesamte Saison nur eine bestimmte Anzahl an Anzügen verwenden.
Hannawald fordert neben einer grundlegenden Vereinfachung des Materials vor allem eine Ausweitung der technischen Prüfmittel. Zum Beispiel die Überwachung der Anzüge durch ein Computerprogramm, das selbst kleinste Abweichungen erkennt.
Norwegern droht weiterer Medaillenentzug
Was für Hannawald in erster Linie aber bleibt, ist der "Vertrauensverlust". Die Aufarbeitung des Skandals wird über die Saison hinaus andauern. Offen ist nach wie vor auch, ob und wie die Norweger sanktioniert werden. Lindvik und Forfang wurden beim Springen in Trondheim von der Großschanze bereits aus dem Wettbewerb gestrichen, Lindvik verlor dadurch Silber.
Geht es nach Hannawald, sollten den WM-Gastgebern "knallhart alle Medaillen" abgenommen werden. Sollte dieser Fall eintreten, könnte sich Normalschanzen-Vize-Weltmeister Andreas Wellinger doch noch über Gold freuen. Der Schatten über den sonst so stimmungsvollen Titelkämpfen in Trondheim wird aber bleiben.
SpiO
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL | 11. März 2025 | 07:50 Uhr
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