Stendal Agnes Kunze: Wie das Winckelmann-Museum barrierefrei wurde
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14. März 2024, 11:53 Uhr
Agnes Kunze leitet die Bibliothek im Winckelmann-Museum in Stendal. Sie hat eine Gehbehinderung und weiß, was es heißt, sich für Inklusion stark zu machen. Das Museum ist weitgehend barrierefrei.
Ein besonderer Ort in Stendal, vor allem für Kunst und Kultur, ist das Winckelmann-Museum. Das Museum ist seit 2018 weitestgehend barrierefrei. Das Herzstück des Museums ist die Winckelmann-Ausstellung. Johann Joachim Winckelmann ist Begründer der klassischen Archäologie und der modernen Kunstwissenschaft. Das Museum bietet für blinde und sehschwache Menschen Tastexponate, taktile Orientierungspläne, Soundstationen und einen Audioguide an. Die Bereiche werden durch einen Aufzug erschlossen. Für Gehörlose steht ein Tablet mit einer gebärdensprachlichen Einführung zur Verfügung. Agnes Kunze leitet die Museums-Bibliothek seit zehn Jahren und gibt Führungen. Selbstbestimmt-Moderator Martin Fromme hat mit ihr gesprochen.
MF: Frau Kunze, wie war der Weg hin zu einem barrierefreien Museum?
Agnes Kunze: Er war relativ holprig. Wir haben bis zur Eröffnung 2018 einen großen Umbau gehabt. Ich erinnere mich gut an die Anfänge, als noch alles in einem kleinen Haus war. Da ging der erste Kampf zum Beispiel darum, dass die zwei Stufen vor dem Eingang ein Treppengeländer brauchen, damit auch ich hoch komme, und dass Ausstellungsplakate nicht genau dorthin gestellt werden.
Was waren die größten Schwierigkeiten auf dem Weg zum weitgehend barrierefreien Museum?
Agnes Kunze: Grundsätzlich der Bau. Es ging aber auch darum, Menschen zu überzeugen. Es gab immer Gegenstimmen von verschiedenen Seiten, zum Beispiel zur Finanzierung oder zum Denkmalschutz. Es ist ja auch ein tolles altes Haus.
MF: Sie haben Bibliothekswissenschaften und Latein studiert und vorher als Lehrerin gearbeitet. Haben Sie im Museum Ihren Traumberuf gefunden?
Agnes Kunze: Ja, ich liebe die Kombination aus Büchern und Menschen. Bücher haben den Vorteil, dass man sich immer unaufgeregt und, ohne es zu merken, weiterbildet. Das hat mir an anderen Arbeitsstellen gefehlt.
MF: Mit Blick auf Ihr Privatleben: Wer hat Sie unterstützt?
Agnes Kunze: Von Anfang an haben mich meine Eltern unterstützt. Ganz ohne Zweifel. Ich sage das ein bisschen sarkastisch – manchmal auch die Aussagen einzelner Ärzte, dass aus mir nichts werden könne. Das hat Wut und Ehrgeiz in meinen Eltern geweckt. Meine Mutter war glücklicherweise im medizinischen Bereich tätig und hatte eine Kollegin, die sehr früh gesehen hat, dass ich eine Spastik habe. Das hatte bis dahin niemand wahrgenommen. So haben wir sehr früh mit Therapie begonnen. Das war ein riesiger Glücksfall.
MF: Wie sieht Ihr Leben heute aus? Wie würden Sie es beschreiben, sind Sie zufrieden?
Agnes Kunze: Ja, grundsätzlich habe ich erreicht, was ich erreichen wollte und kann. Ich wollte schon als Kind gerne in der Bibliothek arbeiten. Wenn ich schon nicht gut laufen kann, möchte ich wenigstens alles lesen und wahrnehmen können. Ich setze für mich persönlich nach wie vor viel auf Bildung.
MF: Vielen Dank fürs spannende Gespräch und alles Gute Ihnen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Selbstbestimmt | 12. Juni 2022 | 08:00 Uhr