Dienstags direkt | 20.02.2024 | 20-23 Uhr Mundart - die Kunst mehr zu sagen als Worte
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04. Februar 2024, 20:08 Uhr
Als Muttersprache bezeichnen wir die Sprache, die wir als Kind gelernt haben. Sie heißt wohl so, weil es meist die "Sprache der Mutter" ist. Dann könnte man Mundart als "Mutter der Sprache" bezeichnen. Sie entscheidet, wie die Nationalsprache im Ort oder der Region klingt, welche besonderen Wörter, welche Eigenarten sie hat. Was "erzählt" eine Mundart über die Menschen? Und was erzählen Menschen mit ihrer Mundart über die reinen Wörter hinaus? Darüber haben wir bei Dienstags direkt gesprochen.
Mundart wird zum Sammelobjekt
Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird an der Universität in Marburg "volkstümliche Sprache" wissenschaftlich erforscht. Damals ließ der Sprachwissenschaftler Georg Wenkler im Rheinland die immer gleichen Sätze in der Mundart des jeweiligen Ortes einsprechen. Der Grundstein für den "Deutschen Sprachatlas" war gelegt. Bis heute sammelt man dafür systematisch Dialekte und Regiolekte in ganz Deutschland und wertet sie aus. Auf Anregung und mit Unterstützung von Wissenschaftlern der TU Dresden entstand z.B. das Portal "Mundarten und Regionalsprache in Sachsen".
Dr. Brigitte Ganswindt leitet die Abteilung Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit am Marburger Forschungszentrum. Sie freut sich vor allem darüber, dass viele Vereine den gesammelten Schatz nutzen, um die Mundart ihrer Heimat wiederzuentdecken.
Mundart macht Spaß und verbindet
Dieser Lebenserhaltungsmaßnahme hat sich auch die "Mundartbühne Borna" verschrieben. Seit bald schon zwei Jahrzehnten gestalten die Frauen um Inge Streitmann Programme, die im feinsten Sächsisch der Region vor allem im Leipziger Südraum aufgeführt werden. Die Auftrittsorte reichen von der Kneipe über die Kirche bis zum Kurhaus. Vor allem dort, wo es nicht immer was zum Lachen gibt, kommen die Szenen mit Texten der Mundartdichterin Lene Voigt oder Eigenkreationen gut an. Auch weil die Laienkünstler zum Start auf finanzielle Unterstützung angewiesen waren, nutzen sie manche ihrer Auftritte auch, um etwas Geld einzuspielen, dass inzwischen anderen guten Zwecken zugutekommt. "Mundart ist nicht nur Tradition, sondern für das Zwischenmenschliche ganz wichtig", sagt Inge Streitmann.
Mundart wird von der Politik entdeckt
Die verbindende Wirkung eines gemeinsamen Dialekts ist nicht nur in Sachsen bekannt. In Baden-Württemberg ist die Mundart quasi zur Chefsache geworden. Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte schon vor Jahren eine Initiative zum Erhalt der Mundart ins Leben gerufen. Der Idee des Grünen-Politikers schlossen sich weitere Parlamentarier an, und so wurde vor gut einem Jahr der DDDBW gegründet - der Dachverband der Dialekte Baden-Württemberg. In ihm sind die zahlreichen Vereine und Regionalverbände zusammengeschlossen.
Das Verbindende ist es auch, was Pius Jauch an Dialekten fasziniert. Er erlebt es nicht nur in der Verbandsarbeit, aber auch auf der Bühne, dass Mundart nicht "von gestern" ist. Viele junge Menschen nutzten die Möglichkeit, einer weiteren Ebene für das miteinander reden. Wichtig sei, die Dialekte lebendig zu halten. Auch den Sachsen empfiehlt er, einen Dachverband nach Vorbild des DDDBW zu gründen. Es wäre ein Verlust, wenn die sächsischen Begriffe, Eigenheiten und der sächsische Blick auf die Welt verschwänden, sagt Pius Jauch.
Gäste:
- Prof. Dr. Beat Siebenhaar | Sprachwissenschaftler, Dialektologe, Professor für Germanistische Linguistik mit Schwerpunkt Varietätenlinguistik an der Universität Leipzig
Wer nicht nur Standard spricht, hat viel mehr Möglichkeiten, sich auszudrücken.
Prof. Dr. Beat Siebenhaar hat u.a. Germanistik, Philosophie und Sprachwissenschaft studiert. Aus seiner Schweizer Heimat verschlug es ihn vor gut 15 Jahren an die Uni nach Leipzig. Hier leitet er das Institut für Germanistik. Eines seiner Spezialgebiete ist die Dialektologie. Bei Dienstags direkt wird er verraten, wieviel Schweiz und wieviel Sachsen in ihm steckt und ob er Sorge hat, das unsere Mundarten verschwinden.
Dialekt ist Heimat und Seele.
Kristina vom Dorf hat zwar auch einen Nachnamen, der aber keine Rolle spielt. Das Dorf ist Langenreinsdorf bei Crimmitschau und diese beiden Aspekte ihrer Herkunft sind ihr wichtig. Wie sich die Sächsin in ihr äußert und wie das Dorf in ihr lebt, obwohl es sie schon weit durch die Welt geführt hat, wird Kristina vom Dorf erzählen. Wer mehr wissen will, kann ihren Blog kristinavomdorf.com und ihren Instagramkanal @diesachsenverstehen besuchen oder ihr Buch "Made in Sachsen" lesen. Das hat sogar die Empfehlung des Freistaats Sachsen: www.so-geht-saechsisch.de
Interviews:
Dr. Brigitte Ganswindt | Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas Marburg
Pius Jauch | Mundartkünstler, Liedermacher, Verband DDDBW
Pierre Gehmlich | mdrfragt
Redaktion & Moderation:
Leitung: Ines Meinhardt