Entdeckt bei unseren Nachbarn Wieder zu Hause auf Schloss Muhrau
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15. März 2025, 16:10 Uhr
Melitta Sallai ist 1927 in Muhrau/Morawa in Niederschlesien geboren. 17 Jahre lang lebte sie auf dem Schloss ihrer Eltern, bevor sie am Ende des 2. Weltkrieges flüchten musste. Jetzt ist Palac Morawa in Polen wieder ihr Zuhause.
In einer kleinen Wohnung im Obergeschoss lebt die 97-jährige Melitta Sallai. Es sind die Räume, die sie sich bereits als Kind mit ihrer Schwester als Spiel- und Schlafzimmer teilte.
Die ersten 17 Jahre ihres Lebens hatte sie im elterlichen Schloss in Muhrau gelebt. Ihre Eltern Herta und Hans Christoph Wietersheim-Kramsta hatten in Niederschlesien mehrere Güter und Ländereien und eine Zuckerfabrik.
Das Melitta Sallai heute wieder da lebt, wo sie ihre Kindheit verbracht hat, hat sie wohl den Worten ihrer Mutter zu verdanken:
Geht zurück und macht was d'raus. Nicht wiederhaben wollen, denn was man hat, hat man nur solange man lebt, aber was man macht, kann einen überdauern.
Zerschlagene Weinflaschen & offener Safe
Ihre Mutter war nach dem Krieg noch einmal in Muhrau/Morawa, um das Schloss zu sehen. Es war nicht zerstört, jedoch geplündert und keine Möbelstücke standen mehr darin. Bevor die Familie zum Ende des 2. Weltkrieges fliehen musste, hatte ihre Mutter alle Flaschen im Weinkeller zerschlagen. Und der Weinkeller war gut gefüllt, denn früher kaufte man, wenn ein Mädchen geboren wurde, schon den Wein für die Hochzeit. Melitta Sallai hat mehrere Schwestern.
Wahrscheinlich, so sagt Melitta Sallai heute, hat das Handeln ihrer Mutter das Gebäude gerettet. In vielen Häusern wurde nach dem Krieg randaliert. Die Menschen hatten den Alkohol getrunken, den sie gefunden hatten und betrunken haben sie dann die Häuser angezündet. Auch der große begehbare Safe wurde offen stehengelassen, bevor die Familie flüchtete.
Der Weg zurück nach Niederschlesien
Die jüngere Schwester von Melitta Sallai hatte Ende der 1980er-Jahre eine Einladung nach Polen bekommen und reiste nach Morawa. Auch sie schaute sich das elterliche Schloss an, das 1873 im neoklassizistischen Stil erbaut wurde. Der Chef eines nahegelegenen Pferde-Gestüts sagte damals zu Melittas Schwester:
Kommt doch her und macht was d'raus, sonst geht das Schloss kaputt.
1992 ging Melitta Sallai zurück nach Polen, und zwar nach Morawa. Sie war damals Pensionärin und hatte Zeit. Das Schwierigste war für sie im Alter von 65 Jahren die polnische Sprache zu lernen. Mittlerweile spricht sie polnisch und hat zwei Lieblingswörter:
Mgła - der Nebel
Wycieraczki - der Scheibenwischer
Ein Schloss für alle
Ihre Familie hat das Schloss nicht zurückerworben, sondern die St. Hedwig-Stiftung gegründet und 1993 einen Kindergarten eröffnet. Ein Jahr später nahm die Bildungsstätte ihre Arbeit auf. 2022 ist der Kindergarten in die renovierte Remise umgezogen.
In den Schlossräumen finden heute Veranstaltungen, Vorträge und Workshops mit Menschen aus aller Welt statt. Besonders mag Melitta Sallai die Treffen mit Schülern und Jugendlichen, dann ist wieder junges Leben im alten Schloss.
Oft wird sie gebeten von früher zu erzählen, von ihrer Kindheit in Muhrau/Morawa. Aber auch von ihrer Zeit während der Flucht. Sie ist eine geschätzte Zeitzeugin.
Stolz erzählt sie, dass es schon eine deutsch-polnische Hochzeit im Schloss gab. Die zwei jungen Menschen hatten sich auf einem Treffen hier kennengelernt.
Bildung-, Kunst- und Integrationsprojekte sollen Menschen zusammführen. Auch Schulklassen aus Bautzen kommen regelmäßig nach Niederschlesien zum Jugendaustausch.
In dem denkmalgeschützten Schloss gibt es zudem mehrere Zimmer zum Übernachten. Ein englischer Landschaftspark lädt zum Spazieren ein. Die sanierte Terrasse ist für alle Gäste zugänglich. Auch die Schlosswiesen können Jugendliche und Gäste für Freizeitaktivitäten nutzen.
Höchste Anerkennung für Zeitzeugin
Am 18. Januar 2025 wurde Melitta Sallai auf Schloss Muhrau/Morawa das Bundesverdienstkreuz verliehen. Diese Ehrung erhielt sie für ihr versöhnendes Wirken mit der St-Hedwig-Stiftung und für ihr Engagement im deutsch-polnischen Dialog sowie für den Schutz des kulturellen Erbes Niederschlesiens.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 14. März 2025 | 11:20 Uhr