Stichwort: Schwangerschaftsabbruch § 218 - Ringen um einen Paragrafen aus dem Jahr 1871
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15. April 2024, 10:01 Uhr
Der Paragraf 218 wird 1871 im Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches festgeschrieben. Straffrei bleiben nur Schwangerschaftsabbrüche, die erfolgen, weil Gefahr für das Leben der Mutter besteht, sonst drohen bis zu fünf Jahre Zuchthaus.
Protest in den 1970er-Jahren im Westen: Indikationslösung
Im Westen protestieren Frauenrechtlerinnen in den 1970er-Jahren gegen den Paragrafen 218. Frauen fordern mit ihrer "Mein Bauch gehört mir"-Kampagne Selbstbestimmung und die Abschaffung, 1976 erreichen sie die "Indikationslösung", wonach eine straffreie Abtreibung nur möglich ist, wenn ein Arzt oder eine Ärztin der Frau triftige Gründe oder eine Notlage bescheinigt.
1995: Kompromiss nach der Wiedervereinigung: "Fristenlösung" und Beratung
Nach der Wiedervereinigung erlebt der erbitterte Streit um den Paragrafen 218 eine Neuauflage. Fast scheitert der Einigungsvertrag daran. Christlich-konservative Kräfte streiten gegen die "Fristenlösung" der DDR. Die Entscheidung wird auf 1992 verschoben. Seit 1972 galt in der DDR die so genannte Fristenlösung, wonach Abbrüche bis zur 12. Schwangerschaftswoche erlaubt, straffrei und kostenlos waren. Das Gesetz wurde als weiterer Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Frau propagiert.
1995 kommt das Bundesverfassungsgericht zum bis heute gültigen Kompromiss: Danach ist ein Schwangerschaftsabbruch zwar rechtswidrig, unter bestimmten Voraussetzungen und nach einer Beratung bis zur zwölften Woche jedoch straffrei. Erst drei Tage nach einer Beratung darf der Abbruch durchgeführt werden.
Nachdem Papst Johannes Paul II. katholischen Beratungsstellen das Ausstellen eines Beratungsscheins untersagt, gründen deutsche Katholiken 1999 den Verein Donum Vitae.
Abbruch aus bestimmten Gründen ...
Wenn die Gesundheit oder das Leben der Schwangeren gefährdet sein sollte, ist eine Abtreibung zulässig. Ein Arzt muss die Notwendigkeit bestätigen. Auch wenn die Schwangerschaft durch eine Vergewaltigung einer Frau zustande gekommen ist, darf abgetrieben werden. Die Kosten für einen Abbruch aus medizinischen oder so genannten kriminologischen Gründen werden von der Krankenkasse übernommen. Nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz kann eine Kostenübernahme auch bei Abbrüchen aus sozialen Gründen beantragt werden.
2018: Aufklärung vs. "Werbeverbot": Kompromiss im Streit um den Paragrafen 219a
Seit dem politischen Kompromiss im Streit um das "Werbeverbot" für Schwangerschaftsabbrüche vor drei Jahren sollen Frauen einfacher als bisher an Informationen kommen. Demnach dürfen Ärzte und Krankenhäuser nun - zum Beispiel auf ihrer Internetseite - darüber informieren, dass sie Abtreibungen anbieten, sind dann aber angehalten, auf weitere Informationen bei den zuständigen Behörden, Beratungsstellen und Ärztekammern zu verweisen. Die Bundesärztekammer soll eine zentrale Liste mit Ärzten, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen führen, die Abbrüche vornehmen - mit Angaben zu angewandten Methoden. Die Liste soll monatlich aktualisiert und von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung im Internet veröffentlicht werden. Auch das Hilfetelefon "Schwangere in Not" soll die Liste für die Beratung bekommen.
2021: SPD, Linke und Grüne wollen Werbeverbot und Verbot von Abtreibung kippen
Die große Koalition einigte sich auf die Reform - grundlegend befriedet war der Konflikt damit aber nicht. In ihren Wahlprogrammen haben sich fast alle Parteien wieder damit beschäftigt. Darin erklären alle im Bundestag vertretenen Parteien außer der Union und der AfD, dass sie die ersatzlose Streichung des Paragrafen 219a wollen. SPD, Linken und Grünen geht es aber nicht nur um das "Werbeverbot": Sie setzen sich dafür ein, auch den gesamten Paragrafen 218 - das Verbot von Abtreibungen - aus dem Strafgesetzbuch zu verbannen.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Nah dran | 04. Oktober 2018 | 22:35 Uhr