#Mommywars Frauen unter Druck: Konkurrenzkampf mit Kinderwagen
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05. März 2024, 12:55 Uhr
Ob in der Kita, bei Verwandten oder Freunden: Mütter werden gerne belehrt, mitunter gar beleidigt. Doch sie machen sich auch gegenseitig das Leben schwer. Im Netz hat das Phänomen, dass Mütter wetteifern und sich gegenseitig anfeinden Hashtags wie #Mommywars. Davon weiß die Leipziger Influencerin Nina Heidrich einiges zu berichten. Einen Grund für den Konkurrenzkampf sieht die Jenaer Soziologin Eva Tolasch im Mangel an sozialer Anerkennung. Wir haben nachgefragt.
"Wenn Du Dein Kind immer nur trägst, verwöhnst Du es nur!", "Was, Deine Kinder dürfen bei Dir im Bett schlafen?", "Iiih, du stillst wohl immer noch?"
Anfeindungen wie diese hat Nina Heidrich aus Leipzig schon überall erlebt. Ob im Geburtsvorbereitungskurs, in der Nachbarschaft, beim Spaziergang mit dem Kinderwagen oder bei der Familienfeier – egal was sie als Mutter tut, andere wissen es immer besser. Am gnadenlosesten urteilen oft andere Mütter.
Mütter im Wettkampf-Modus: "#Mommywars"
Mit "#Mombashing" und "#Mommywars" gibt es für den "Mütterkrieg" im Netz schon feste Schlagwörter. In der Anonymität des Internets fallen auch die letzten Grenzen, wie Nina Heidrich selbst erfahren hat. Sie verdient ihr Geld als Influencerin auf Instagram. Ihre über 50.000 Followerinnen sind hauptsächlich Mütter. Nina Heidrich war klar: Wer viel von sich Preis gibt, macht sich angreifbar. Obwohl der Umgangston auf ihrem Profil hauptsächlich respektvoll ist, muss sie immer wieder Kommentare löschen, die zu weit gehen. Als sie auf Instagram startete, war sie konsterniert von einzelnen Anwürfen voller Hass und Frust, die sich sogar gegen ihre kleinen Kinder richteten, deren Aussehen abfällig beurteilt wurde, obwohl sie sie nie im Bild gezeigt hatte.
Fehl geleiteter Kampf um Anerkennung
Im realen Leben wird der "Mütterkrieg" meist subtiler ausgetragen. Soziologin Eva Tolasch von der Universität Jena sieht darin einen etwas fehl geleiteten Kampf um Anerkennung. Von Müttern werde erwartet, dass sie das Projekt Familie sozusagen als Unternehmerin ihres Selbsts leiteten: "Man kriegt soziale Anerkennung für Leistung. Wenn also das Kind erfolgreich ist, ist man selber auch erfolgreich." So sei der Konkurrenzkampf unter Müttern keineswegs ein persönliches Problem, betont Tolasch.
Denn die Mütter föchten aus, was das gesellschaftliche Leitbild vorgebe. Und wenn in der Familie etwas schief laufe, werde fast immer die Mutter dafür verantwortlich gemacht, erklärt Tolasch, die selbst zwei Kinder hat: "Das heißt, man fühlt nicht nur, dass man unter Beobachtung steht. Sondern man wird wirklich beobachtet."
Diesen Druck spüren Mütter jeden Tag. Laut einer Forsa-Umfrage (2019) gaben 77 Prozent der Frauen an, schon einmal für den Umgang mit ihrem Kind kritisiert worden zu sein. Jede zweite Mutter hat sich deswegen schon einmal als schlechte Mutter gefühlt. Vätern geht es offenbar seltener so. Nina Heidrichs Partner, Semjon Task, berichtet, ihm fielen negative Reaktionen vielleicht gar nicht auf. So wie er selber beispielsweise auch gar nicht darauf achte, was andere Kinder anhaben, was oder wie sie essen.
Spagat zwischen Rollenbildern
Dass vermeintlich gut gemeinte Ratschläge sich wie Schläge anfühlen können, weiß auch Priska Lachmann nur zu gut. Die studierte Theologin und Autorin ist Mutter von drei Töchtern und kennt viele dieser scheinbar harmlosen Bemerkungen, in deren Unterton doch eine Bewertung mitschwingt. Auch wenn sie es nicht will, sorgen manche bei ihr für Kopfkino und kommen auch Jahre später in Verzweiflungsmomenten wieder hoch. Das findet sie zermürbend.
Während Nina Heidrich auf ihrem Instagram-Kanal anderen Frauen Mut machen möchte, will Priska Lachmann mit ihren Texten anderen Frauen Halt geben und sie ermutigen, sich selbst öfter auf die Schulter zu klopfen. Sie ist überzeugt, dass Frauen sich Hilfe suchen sollten, um den Spagat zwischen alten Rollenbildern und neuen Anforderungen zu meistern.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Nah dran | 02. März 2023 | 22:40 Uhr