Nah dran | 25.02.2021 Mütter: Wer ist die Beste im ganzen Land?
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04. Juli 2022, 10:14 Uhr
"Mombashing" heißt das Phänomen, dass Mütter im Netz belehrt, beleidigt und angefeindet werden. Doch das Wetteifern ist nicht nur ein Internet-Problem, sondern findet genauso im Alltag statt. Ein Grund ist fehlende soziale Anerkennung.
"Es ist ein richtiger Wettkampf unter Müttern, der schon in der Schwangerschaft losgeht. Das hätte ich im Vorhinein niemals für möglich gehalten", sagt Nina Heidrich.
Nina Heidrich ist zweifache Mutter. Sie arbeitet als Influencerin und hat einen Instagram-Kanal mit über 50.000 Followerinnen. Mit dem Kanal will sie anderen Müttern Mut machen. Stattdessen erntet sie immer wieder Hasskommentare, die sich gegen sie als Mutter oder gehen ihre Kinder richten. Ihr ist klar, dass sich angreifbar macht, wer viel von sich zeigt. Doch sie kennt den Mütterkampf nicht nur aus dem Netz.
Anfeindungen auf der Familienfeier
Nina Heidrich und Almut Perlwitz haben sich während der Schwangerschaft kennengelernt. Beide haben Anfeindungen schon überall erlebt, ob im Geburtsvorbereitungskurs, in der Nachbarschaft, beim Spaziergang oder auf der Familienfeier.
Häufig drehten sich Gespräche darum, wem es am schlechtesten gehe, erzählt Almut Perlwitz. Zum Beispiel, wer in der Nacht weniger geschlafen habe.
Es reicht doch zu sagen: Mensch, ich kann dich so gut verstehen.
Stattdessen müsse man mit massiven Belehrungen durch Verwandte und Bekannte oder Hasskommentaren im Netz rechnen, sagt Nina Heidrich.
Soziologin: "Man wird beobachtet"
In einer Forsa-Umfrage (2019) geben 77 Prozent der Mütter an, schon einmal für den Umgang mit ihrem Kind kritisiert worden zu sein. Mütter, die aufeinander herumhackten, strebten nach Anerkennung, erklärt Eva Tolasch von der Universität Jena. Die Soziologin hat selbst zwei Kinder. Von Müttern werde erwartet, dass sie das Projekt Familie sozusagen als Unternehmerin ihres Selbsts leiteten: "Man kriegt soziale Anerkennung für Leistung. Wenn also das Kind erfolgreich ist, dann ist man selber auch erfolgreich. Das heißt, man fühlt nicht nur, dass man unter Beobachtung steht. Sondern man wird wirklich beobachtet", sagt Eva Tolasch.
Wenn in der Familie etwas nicht klappt, macht die Gesellschaft oft die Mutter dafür verantwortlich. Soziologen sehen ein gesellschaftliches Problem darin, dass Frauen sich gegenseitig fertig machen.
Denn die Frauen kämpften stellvertretend um Ideale, die die Gesellschaft ihnen vorgebe, erklärt Soziologin Eva Tolasch: "Die Mutter verschwindet sehr stark hinter dem Kind. Es wäre schön, sie würde wieder zum Vorschein kommen und ernst genommen werden in ihren Bedürfnissen, anstatt immer angesprochen zu werden, wenn das Kind zum Beispiel Quatsch macht im Hof."
Für Väter seltener ein Problem
Diesen Druck spüren Frauen jeden Tag. Männer eher selten. Auch Nina Heidrichs Partner Semjon Task kann sich mit seinen Töchtern ganz ungezwungen bewegen.
Seine Frau erzähle ihm oft, dass sie hier und da wieder einen Blick abgekriegt habe, sagt Semjon Task. In so eine Situation sei er noch nie gekommen: "Ich bin mit meinem Kind zusammen, bin laut, wenn wir unterwegs sind, lache und spiele mit denen. Mich interessiert nicht, was das Kind anhat, was die anderen Kinder anhaben oder was die alle essen. Und ich denke, das geht den meisten Vätern so."
Im Spagat zwischen alten Rollenbildern und neuen Anforderungen reibt sich auch Nina Heidrich tagtäglich auf. Was sie sich wünscht? Mehr Respekt für das, was Mütter alles gleichzeitig leisteten.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Nah dran | 25. Februar 2021 | 22:40 Uhr