Beratung Wer bei Zeugniskummer am Thüringer Sorgentelefon zuhört

07. Juli 2023, 08:30 Uhr

Bevor die Schülerinnen und Schüler in die Sommerferien starten, gibt es am Freitag Zeugnisse. Das bedeutet auch für das Thüringer Kinder- und Jugendsorgentelefon möglicherweise mehr Arbeit. Wer nimmt da eigentlich ab?

Es ist nicht rot, sondern weiß: Das Sorgentelefon, das in der Kinder- und Jugendzuflucht "Schlupfwinkel" in Erfurt gerade klingelt. Sozialpädagoge Patrick Kleinau hebt ab. "Sorgentelefon", mehr sagt er nicht zur Begrüßung. Es sei wichtig, dass die Kinder und Jugendlichen, die anrufen, wissen, dass sie an der richtigen Stelle sind und ohne Umschweife anfangen können mit reden. Denn das Sorgentelefon soll ein niederschwelliges Angebot sein.

Anonymität hat oberste Priorität. Name oder Position zu nennen, könnte eine Hemmschwelle oder auch verwirrend sein und möglicherweise dazu führen, dass wieder aufgelegt wird. Deshalb verzichten Kleinau und seine Kolleginnen und Kollegen darauf und melden sich nur mit "Sorgentelefon".

Sorgentelefon wird 24 Stunden am Tag betreut

Patrick Kleinau ist Ende 30, trägt Bart, Zopf und Brille, hat eine angenehme Stimme. Seit zehn Jahren arbeitet Kleinau im "Schlupfwinkel" in Erfurt. Dort finden Kinder und Jugendliche Schutz in akuten Notsituationen. Auch das Sorgentelefon wird durch Kleinau und seine Kolleginnen und Kollegen betreut - 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr.

Wenn es klingelt, hilft Kleinau sein Job als Sozialpädagoge. "Im Schlupfwinkel haben wir es jeden Tag mit unterschiedlichen Krisen zu tun. Wichtig ist, diese zu verstehen. Nur dann können wir auch helfen. Das ist beim Sorgentelefon nicht anders", sagt Kleinau. Dafür haben er und seine Kollegen etwa 100 Stunden Weiterbildung absolviert.

Stress mit Freunden, Mobbing, Klimakrise

Wenn das Sorgentelefon klingelt, weiß Kleinau nicht, welche Probleme die Anrufer belasten. Dann heißt es erst einmal zuhören. Oft seien es Stress mit Freunden oder Familie, Probleme mit dem eigenen Körper, Mobbing oder auch aktuelle Themen wie der Krieg in der Ukraine oder die Klimakrise.

Auch die anstehenden Zeugnisse sind Thema am Sorgentelefon. Dann könne es schon passieren, dass ein Kind sich nicht nach Hause traut. Es sei wichtig, das Kind zu bestärken und zu unterstützen. Hinterfragt werde aber auch, was es denn seiner Meinung nach zu Hause erwarte, was passieren könnte. Oft seien Eltern vielleicht gar nicht sauer, hätten sich gewünscht, dass sich ihr Kind eher an sie gewandt hätten. Diese verschiedenen Optionen aufzuzeigen und durchzuspielen, sei Aufgabe des Sorgentelefons.

Im Schlupfwinkel haben wir es jeden Tag mit unterschiedlichen Krisen zu tun. Wichtig ist, diese zu verstehen. Nur dann können wir auch helfen. Das ist beim Sorgentelefon nicht anders.

Patrick Kleinau Mitarbeiter des Thüringer Kinder- und Jugendsorgentelefons

Im Gespräch wirkt Patrick Kleinau sehr offen und im positiven Sinne redselig. Sein Wesen, sagt er, gebe er auch am Sorgentelefon nicht ganz auf. Dennoch passe er seine Gesprächsführung der Situation an. Manchmal seien Kinder froh, wenn er redet, sie sich aber ernst genommen fühlen. Manchmal würden aber auch die Kinder wie ein Wasserfall reden und er fast nur zuhören. Das sei in Ordnung.

Fünf Telefonstandorte in Thüringen

Denn seine Aufgabe sei es, als Projektionsfläche zu agieren und dann fachlich auf die Sorgen und Probleme einzugehen, um die bestmögliche Lösung für das Kind oder den Jugendlichen zu finden. Ob es auch für sie die bestmögliche Lösung ist, hängt von der jeweiligen Situation ab. Tot gequatscht habe er aber noch niemanden, meint Kleinau mit einem Augenzwinkern.

Inwieweit die Kinder und Jugendlichen die Ratschläge vom Sorgentelefon annehmen oder Hinweise umsetzen, das erfahren Kleinau und seine Kollegen nach dem Auflegen nicht mehr. Die Hoffnung aber sei, dass das Telefonat dem Kind oder Jugendlichen geholfen habe. Ob das Sorgentelefon am Freitag nach Schulschluss klingelt, weiß Patrick Kleinau nicht. Er steht aber auf jeden Fall für die Sorgen und Nöte der Kinder und Jugendlichen parat.

Knapp 600 Gespräche im Vorjahr am Sorgentelefon

Träger des Thüringer Kinder- und Jugendsorgentelefons ist die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Kinder- und Jugendschutz Thüringen. Neben Erfurt sind auch Bad Salzungen, Gera, Marisfeld und Sonneberg Telefonstandorte. Erreichbar ist das Sorgentelefon über 0800/008 00 80 - sowohl aus dem Festnetz als auch über Handy. Wählen Kinder und Jugendliche diese Nummer, erreichen sie im Normalfall den Standort in ihrer Nähe.

Im vergangenen Jahr gab es laut LAG 1.146 Anrufe. Daraus ergaben sich 589 Gespräche. 2021 waren es mit 1.162 etwas mehr Anrufe. Daraus ergaben sich mit 514 aber deutlich weniger Gespräche. In diesem Jahr gab es demnach bisher tendenziell weniger Anrufe als 2022.

MDR (co)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 07. Juli 2023 | 06:00 Uhr

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