Der Redakteur | 19.01.2024 620 Jahre Thüringer Bratwurst - mit oder ohne Kümmel?
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19. Januar 2024, 16:40 Uhr
Die Thüringer Rostbratwurst feiert ihren 620. Geburtstag. Die wichtigste Geschmacksfrage kann nur jeder für sich selbst beantworten, denn die Geschmäcker sind verschieden: Kommt Kümmel in die Bratwurst oder nicht?
Thüringer Rostbratwurst muss laut EU-Verordnung Nr. 2206/2003 aus Thüringen kommen. Soweit, so amtlich. Doch dann wird es vielfältig. In unsere Thüringer Rostbratwurst, mitunter auch nur Bratwurst oder Roster genannt, kommt entfettetes Schweinefleisch, Schweinebacke ohne Schwarte, mitunter Milch(!), gegebenfalls Eier und Semmelmehl (auf jeden Fall aber Bindemittel), Wasser (in Form von Eis), Pfeffer, Salz, Majoran, Knoblauch, Muskat oder Muskatblüte und sogar Zitronenschale.
Aber nichts davon wird so heftig diskutiert wie der Kümmel. Er ist fast schon eine Glaubensfrage. Der Rennsteig soll der "Kümmel-Äquator" sein. Südlich davon gibt es keinen Kümmel, nördlich umso mehr, heißt es. Doch so einfach ist es nicht. Es gibt einige Abweichungen, nachzulesen im Büchlein des MDR THÜRINGEN Osterspaziergangs "Die schönsten Wanderwege". Insgesamt 14 Seiten beschäftigen sich mit den nicht immer äquatorkonformen Vorlieben der einzelnen Wanderregionen.
Außerdem verläuft bei Mühlhausen ein weiterer "Kümmel-Äquator" und jenseits, im Eichsfeld, ist das Gewürz mitunter absolut verpönt. Manche Fleischer bieten auch mehrere Wurst-Varianten an, mit oder ohne oder gemahlen. Es darf jeder, wie er mag und trotzdem bleibt es eine Thüringer Wurst, sagt Fleischermeister Andreas Taudte, Vorstand des Landesinnungsverbandes und in Pößneck beheimatet.
Es kann jeder mit oder ohne Kümmel, ganz oder gemahlen seine Wurst machen. Da gibt es keine hundertprozentigen Vorschriften.
Was ergab die aktuelle Kümmel-Abstimmung?
Unsere Abfrage in der neuen MDR THÜRINGEN App hat ergeben, dass der Kümmel nur wenigen Thüringern "Wurst ist". Magere ein Prozent mögen gar keine Wurst, das ist für unsere Verhältnisse in diesen veganen Zeiten absolut vertretbar. Und der Rest der Abstimmungsteilnehmer ist so gespalten, wie es ein Kümmelkorn niemals sein wird.
Denn auch das ist gut, zu wissen: Die Lehrlinge, die den Kümmelspalter holen sollen, werden genauso veräppelt, wie die, die die Gewichte für die Wasserwaage oder den großen (schweren) Messingmagnet herbeischaffen sollen. Das sollten die künftigen Azubis wissen, wenn es denn noch welche gibt.
Fleischermeister Andreas Taudte und die Innung beobachten aktuell immerhin einen Anstieg der Hausschlachtungen, zumindest werden vermehrt halbe Schweine geordert für diesen Zweck. Wenn dann die eine oder andere kindliche Rührhilfe Geschmack an der Arbeit findet, umso besser. Und noch ein Wunsch wurde an uns herangetragen: Biobratwurst, von glücklichen Schweinen wäre schön, vielleicht gibt es sie ja irgendwo.
MDR THÜRINGEN-Hörer Torsten Pröhl hat nur im Netz welche zum Bestellen gefunden. Die schmeckte wie gegrillte Sägemehlstifte, die sogar der Hund verschmäht haben soll, schrieb er. Und noch eine weitere Überraschung hat uns der Kümmel beschert. Thüringen hat tatsächlich eine Bratwurstbotschafterin, die vor 20 Jahren zum 600sten Jubiläum auf großer Bühne gekürt wurde und sich zum Kümmel-Thema zu Wort meldete.
Die Geschichte von der vergessenen Bratwurstbotschafterin
Mehrere zehntausend Menschen waren 2004 bei der Ernennung dabei auf dem Domplatz. Der Preis für die Siegerin: Eine Reise zum weltweit größten Bratwurstfestival in Ohio, USA. Claudia Granzow aus Hirschendorf gewann den Job damals, bekam ihn quasi aus der Hand des überglücklichen Thüringer Landwirtschaftsministers. Irgendwo in diesem Umfeld muss die Idee also geboren oder für gut befunden worden sein.
Botschafterin Claudia reiste dann auch in die Staaten zum Festival und das mehrfach in den Folgejahren. Und nicht nur dorthin. Bis auf die erste Reise, alles auf eigene Kosten und mit vielen kreativen Marketingideen, die sogar in Hollywood Blitzlichtgewitter auslösten. Doch offenbar hat in Thüringen niemand damit gerechnet, dass sie ihren Job so ernst nehmen würde. Es gab weder eine Nachfolgerin noch Unterstützung, zehn Jahre rockte sie die Welt und niemanden hat es hierzulande interessiert.
Ihre Geschichte ist ein weiteres Beispiel dafür, wie wenig Thüringen aus seinen Schätzen macht. Nur mal so: Warum findet das Festival eigentlich in Ohio statt und nicht in Thüringen? Was machen wir aus Wurst, Klößen, Bach, Luther, Goethe, Schiller, Rennsteig, all den vielen Burgen und Schlössern, den schicken Innenstädten?
Jeder wurschtelt für sich, Tourenangebote unter Einbindung der regionalen Wirtschaft und Kulturszene - Mangelware. Zum Vergleich: Wie feiert Salzburg den Mozart oder Bayreuth den Wagner? Und ob man in Bayern eine Weißwurstbotschafterin "vergessen" hätte? Unwahrscheinlich. Wir werden nachfragen, wie das passieren konnte.
Quelle: MDR THÜRINGEN
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 19. Januar 2024 | 16:40 Uhr
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