Kampf gegen Lehrermangel Fast jeder vierte neue Lehrer ist Seiteneinsteiger
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15. Februar 2023, 14:47 Uhr
Immer mehr Seiteneinsteiger arbeiten an Thüringer Schulen als Lehrer. Im Schuljahr 2021/22 war es jeder vierte neue Lehrer. Doch nicht alles läuft rund. Was das Land noch alles gegen den Lehrermangel plant.
Im Kampf gegen den Lehrermangel an Thüringens Schulen bleibt für Elternvertreter der Einsatz von Seiteneinsteigern kurzfristig die beste Option. "Kurzfristig ist das die einzige Möglichkeit, die wir haben", sagte die Landeselternsprecherin Claudia Koch der "Deutschen Presse-Agentur". Lehrer regulär an den Universitäten und im Referendariat auszubilden, dauere viele Jahre. Mit Nachwuchslehrern könnten die Lücken an den Schulen nur mittel- oder sogar erst langfristig geschlossen werden.
Seiteneinsteiger fachlich gut, aber Probleme im Schulalltag
Koch sagte, die Erfahrungen der Elternvertretung mit den Seiteneinsteigern ohne pädagogisches Studium sei sehr unterschiedlich. "Fachlich sind sie meistens wirklich gut". Viele von ihnen würden aber unterschätzen, wie sehr es im Schulalltag um das Management von Schulklassen gehe. "Speziell Leute, die von den Universitäten kommen, haben oft große Probleme, sich darauf einzustellen, dass sie ihr Wissen nun an eine fünfte Klasse vermitteln müssen."
Speziell Leute, die von Universitäten kommen, haben oft große Probleme, sich einzustellen, dass sie ihr Wissen an eine fünfte Klasse vermitteln müssen.
Trotzdem plädiere die Landeselternvertretung für die Einstellung von Seiteneinsteigern, sagte Koch: "Insbesondere in den Naturwissenschaften brauchen wir jeden, den wir bekommen können."
Vor allem Seiteneinsteiger an Regel- und Gemeinschaftsschulen
Nach Angaben des Thüringer Bildungsministeriums wurden zwischen dem 1. August 2021 und dem 31. Juli 2022 insgesamt 240 Seiteneinsteiger als Lehrer in Thüringen eingestellt. Das entspreche einem Anteil von 23,1 Prozent der Neueinstellungen. Vor allem würden die Quereinsteiger aktuell an Regel- und Gemeinschaftsschulen eingesetzt. "Grundsätzlich werden Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger nur eingestellt, wenn sich für eine bestimmte Stelle keine ausgebildete Fachlehrkraft finden lässt", hieß es aus dem Ministerium.
Landtag diskutiert Lehrer-Standards für Seiteneinsteiger
Im Thüringer Landtag wird derzeit ein Antrag der oppositionellen CDU-Fraktion beraten, in dem unter anderem verbindliche Standards für die Qualifizierung und Zulassung von Seiteneinsteigern verlangt werden. Gefordert wird unter anderem eine dreimonatige Einstiegsfortbildung, bevor Quereinsteiger zum ersten Mal vor einer Klasse stehen sollen. Bisher gibt es vierwöchige Kurse. Zudem soll es für die Neulinge Mentoren geben. Das Bildungsministerium will zudem über neue Ausbildungsmodelle mit den Hochschulen diskutieren, um damit die Anforderungen für Seiteneinsteiger zu senken.
Seit dem Schuljahr 2017/18 gibt es die Möglichkeit für einen Quereinstieg in den Lehrerberuf in Thüringen, damals gab es laut Bildungsministerium 30 Kandidaten.
Thüringen plant viele Maßnahmen gegen Lehrermangel
Thüringens Bildungsminister Helmut Holter (Linke) hatte zuletzt weitere Maßnahmen gegen den Lehrermangel angekündigt, ohne konkret zu werden. Bereits eingesetzt werden mehrere Verwaltungsassistenten zur Entlastung von Schulleitungen, die sich über zunehmende Verwaltungsaufgaben beklagen. Gesetzlich ist dies jedoch noch nicht festgeschrieben.
Zudem hat Thüringen in der Vergangenheit die Verbeamtung von Lehrern wieder eingeführt, das Gehalt für Grund- und Regelschullehrer angehoben, einen Zuschlag für Lehrer in strukturschwachen Regionen eingeführt und eine Werbekampagne gestartet. Angehende Lehrer sollen nicht mehr nur in Erfurt und Gera, sondern ab dem Schuljahr 2023/204 in Regionalstellen in Erfurt, Eisenach, Gera, Meiningen und Nordhausen ausgebildet werden. Auch in der Digitalisierung sieht Holter eine Möglichkeit, den akuten Lehrermangel zu begegnen, etwa wenn ein Lehrer dadurch mehrere Klassen gleichzeitig unterrichten könnte.
Weiterhin will Holter die Hürden für ausländische Lehrkräfte senken. Der Linke-Politiker sagte MDR AKTUELL, um einen Studienabschluss anzuerkennen, werde die Ausbildung im Ausland mit der in Deutschland genau verglichen. Was fehle, müsse nachgeholt werden. Er frage sich aber, ob das zwingend notwendig sei, wenn jemand im Ausland die Befähigung zum Mathe-Unterricht erworben habe und schon zehn Jahre unterrichte.
Unterrichtsausfall steigt weiter an
Trotz der Seiteneinsteiger ist zuletzt mehr Unterricht an Thüringer Schulen ausgefallen. Bei einer Erhebung für September lag die Ausfallquote bei 9,7 Prozent. Im vergangenen Schuljahr lag der Ausfall bei 8,1 Prozent, im Schuljahr davor - also 2020/2021 - war 6,2 Prozent des Unterrichts ausgefallen.
Zuletzt hatte der frühere SPD-Bildungsstaatssekretär Roland Mertens und Jenaer Uni-Professor mit seiner Kritik an den sogenannten Abminderungsstunden, die Lehrerinnen und Lehrer für bestimmte Sonderaufgaben erhalten, für Aufregung gesorgt. Er hatte unter anderem moniert, dass es beispielsweise für Klassenlehrer teilweise solche Abminderungsstunden gebe. Vor allem Gewerkschaften hatten empört auf diese Kritik reagiert, das Bildungsministerium monierte rechnerische Unschärfen und dass zentralen Schlussfolgerungen grob fehlerhaft seien.
Auch der Thüringer Rechnungshof hatte kritisiert, dass Lehrer zu viel "Verwaltungskram" auf Kosten der Lehre erledigen müssen. Außerdem seien die Regelungen für ältere Lehrer zu großzügig.
Die CDU als größte Oppositionspartei in Thüringen hatte im Herbst einen Drei-Punkte-Plan gegen den Lehrermangel vorgeschlagen. Dieser beinhaltet Verwaltungsassistenten, eine höhere Besoldung für Lehrer in Mangelberufen und eine geänderte Aus- und Weiterbildung.
Lehrer arbeiten im zunehmenden Alter häufiger Teilzeit
Nach Daten des Bildungsministeriums arbeitete im Schuljahr 2021/2022 an staatlichen Schulen nur jede zehnte Lehrkraft unter 30 Jahren in Teilzeit. Im Alter 30 bis 39 waren es 22 Prozent, bei Lehrern zwischen 40 und 49 Jahren arbeitete ein Viertel der Lehrer in Teilzeit. Den Daten zufolge betrug der durchschnittliche Beschäftigungsumfang an den staatlichen Schulen 94,8 Prozent.
Im Schuljahr 2021/2022 gab es an Thüringer staatlichen Schulen 20.110 Lehrerinnen und Lehrer - davon waren 5.322 Lehrer in Teilzeit und 14.788 Lehrer in Vollzeit beschäftigt. In Thüringen fehlen laut Ministerium fast 1.700 Lehrer. Demnach sind 652 Stellen nicht besetzt, außerdem sind fast 1.000 Lehrerinnen und Lehrer langfristig krank.
MDR (rom)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Nachrichten | 15. Februar 2023 | 12:00 Uhr
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