Kinder bei einer Tagesmutter
404 Euro Förderung, dazu 170 Euro Sachkostenpauschale erhält eine Tagesmutter jeweils pro Monat und Kind. Das ist die Untergrenze, die das Land gesetzlich vorschreibt (Symbolfoto). Bildrechte: Colourbox

Kinderbetreuung Immer weniger Tagesmütter in Thüringen

23. September 2022, 12:06 Uhr

In Thüringen gibt es immer weniger Tagesmütter und -väter. Für viele lohnt sich die Arbeit nicht mehr. Denn die Kosten steigen, die Vergütung bleibt jedoch gleich. Berufsvertreter kritisieren die Rahmenbedingungen als prekär.

In Thüringen haben Eltern von kleinen Kindern die Wahl: Wenn sie die Kinder nicht selbst betreuen, sollen sie sich frei zwischen Kindergärten und Kindertagespflege entscheiden können. Kindertagespflegepersonen, also Tagesmütter und -väter, verdienen ihren Lebensunterhalt als Selbstständige und bekommen pro Kind Geld von der Kommune.

Aber: Dieses Geld reiche nicht aus, kritisiert der Landesverband für Kindertagespflege. "Wir werden nur für die Stunden vergütet, die wir am Kind direkt arbeiten. Und das in einer Höhe, die einen einfach fassungslos macht und nicht auskömmlich ist", sagt Micaela Scheffel, Tagesmutter und zweite Vorsitzende des Landesverbands für Kindertagespflege aus Gera.

574 Euro pro Kind

404 Euro Förderung, dazu 170 Euro Sachkostenpauschale, jeweils pro Monat und Kind: Das ist die Untergrenze, die das Land gesetzlich vorschreibt. Scheffel rechnet vor, dass das kaum noch ausreicht. Denn tatsächlich zahlen viele Kommunen nur den gesetzlichen Mindestsatz oder sogar weniger. Das geht sowohl aus aktuellen Angaben des Landesverbandes als auch aus einem Rundschreiben des Bildungsministeriums von 2018 hervor. Die meisten Tagespflegepersonen betreuen drei oder vier Kinder, fünf dürften es maximal sein. Dadurch können sie die Kleinen individuell fördern und ihnen eine familiennahe Umgebung bieten. Allerdings müssen sie Risiken wie etwa Krankheiten alleine ausgleichen.

Deshalb erscheint es wenig überraschend, dass immer weniger Menschen in diesem Beruf arbeiten wollen. Im Jahr 2018 zählte das Statistische Landesamt noch 306 Kindertagespflegepersonen, 2021 waren es nur noch 262 und inzwischen dürften es noch weniger sein.

Schwierige Zuständigkeiten

Um den Abwärtstrend zu stoppen, fordert der Landesverband für Kindertagespflege deutlich höhere Förderleistungen und höhere Sachkostenbeiträge, die sich auch dynamisch an die Inflation anpassen. Außerdem will der Verband, dass auch pädagogische Vor- und Nachbereitungszeiten vergütet werden. Das Thüringer Bildungsministerium zeigt sich zurückhaltend und verweist in diesem Zusammenhang auf die Kommunen, die seit 2017 für die Vergütung der Kindertagespflege zuständig sind.

Ministeriumssprecher Felix Knothe sagte MDR THÜRINGEN: "Wir können als Land aufgrund der jetzigen Rechtslage keine Versprechungen machen. Wir müssen das Gesetz anfassen und deswegen wird das Thema auf der Tagesordnung sein". Inwieweit Tagespflegepersonen dabei berücksichtigt werden könnten, dem könne er nicht vorgreifen, so Knothe. Damit bezieht er sich auf das Thüringer Kindergartengesetz, das nun wegen neuer Vorgaben des Bundes sowieso geändert werden muss.

Zustimmung aus dem Landtag

Tatsächlich könnte bald Bewegung in die Situation der Tagesmütter kommen, die bereits seit Jahren für ihr Anliegen werben. Im Landtag scheinen sie dabei auf mehr Verständnis zu stoßen als im Ministerium, selbst bei den Regierungsfraktionen. Daniel Reinhardt, Sprecher für frühkindliche Bildung der Linksfraktion, sagte MDR THÜRINGEN, man habe die Lage der Kindertagespflege auf dem Schirm und wolle im Zuge der Gesetzesänderung die Diskussion über mögliche Verbesserungen eröffnen.

Eine Frau mit Kindern
Der Landesverband für Kindertagespflege in Thüringen fordert deutlich höhere Förderleistungen und höhere Sachkostenbeiträge für Tagesmütter (Symbolfoto). Bildrechte: colourbox

Der bildungspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Christian Tischner wird noch konkreter: "Wir müssen eine Dynamisierung bei den Sachkosten reinbekommen. Es ist auch wichtig, dass Kindertagespfleger so bezahlt werden wie ausgebildete Erzieher, wenn sie die Qualifikation haben. Wir hoffen sehr, dass Rot-Rot-Grün da gesprächsbereit ist."

Auch der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Denny Jankowski, zeigt Verständnis für die Forderungen der Tagesmütter. Die Partei verfolgt aber einen anderen Ansatz als die restlichen Fraktionen: Sie will deutlich mehr Geld an Familien auszahlen und die Betreuungsangebote als freien Markt gestalten. Zudem wünschen sich auch viele Kommunen höhere Mindestbeiträge und damit letztlich mehr Kontrolle vom Land.

Der Gemeinde- und Städtebund Thüringen, der die kreisfreien Städte vertritt, erklärt: "Wir sehen das Land in der Pflicht, die Mindestbeträge für die laufenden Geldleistungen für Tagespflegepersonen regelmäßig anzupassen beziehungsweise zu dynamisieren. Alles andere führt zu einem 'Flickenteppich' an unterschiedlichen Regelungen."

MDR (jml)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN - Das Radio | Das Fazit vom Tag | 16. September 2022 | 18:00 Uhr

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