Solar Panel
Die Nachfrage nach Photovoltaik-Anlagen in Thüringen ist enorm - ganz im Gegensatz zur Verfügbarkeit von Fördermitteln. Bildrechte: imago images/Panthermedia

Energiewende Vier Tage Solar Invest: War das Förderprogramm zu klein für Siegesmunds Ausbauziele?

30. April 2022, 05:00 Uhr

100.000 Solardächer will Umweltministerin Anja Siegesmund bis 2025 auf Thüringens Dächer bringen. Gleichzeitig wird das Solar Invest Förderprogramm nach nur vier Tagen wieder geschlossen, weil zu viele Thüringer Anträge stellten. Wie passt das zusammen?

"Solar Invest ist das richtige Programm zur richtigen Zeit", sagte Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) am 4. April auf dem hauseigenen Portal und machte dies an der hohen Nachfrage für die Solarförderung fest. Es war die Erfolgsmeldung, die der schlechten Nachricht vorausging, dass das Antragsportal geschlossen worden war - nach gerade einmal vier Tagen. Das Interesse der Thüringer war schlicht zu groß für das 10 Millionen Euro schwere - oder besser gesagt leichte Förderprogramm.

Anträge sollen bis Ende Juni beschieden sein

Wie das Umweltministerium auf Anfrage von MDR THÜRINGEN mitteilte, seien in diesen vier Tagen circa 3.750 vollständige Anträge eingegangen, die bereits zu etwa einem Fünftel von der Thüringer Aufbaubank (TAB) bearbeitet wurden. Die ersten Fördermittelbescheide seien bereits vergangene Woche erteilt worden. Bis Ende Juni soll die TAB über alle Anträge entschieden haben. Nur in Einzelfällen mit besonders umfangreichen Prüfungen könne es länger dauern, heißt es aus dem Ministerium. Es scheint, als sollte die Energiewende zumindest auf der Verwaltungsebene schnell vorangehen, wenn es schon auf der finanziellen Seite hapert.

Können Antragssteller leer ausgehen?

Denn fraglich ist auch, für wie viele der circa 3.750 rechtzeitig gestellten Anträge die Fördersumme reichen wird. Das Solar Invest Programm läuft seit 2016 und bewilligte seither mehr als 5.000 Zuwendungsbescheide in Höhe von 34,2 Millionen Euro. Gemessen an dieser Quote würden die 10 Millionen Euro, für nicht mal 1.500 Anträge reichen. Trotzdem zeigte sich das Umweltministerium zuversichtlich, dass alle angenommenen Anträge durch die 10 Millionen Euro gedeckt werden, schließlich seien die Förderbedingungen für 2022 modifiziert worden.

So wurde die maximale Höchstförderung für den Bau einer Anlage mit fünf bis zehn Kilowatt-Peak (kWp) auf 4.000 Euro gesenkt. Kleinere Anlagen werden mit 900 Euro pro 1 kWp gefördert. Letztere werden wohl den weitaus größten Teil der Förderanträge ausmachen. Mehr als 90 Prozent der Antragssteller seien private Hausbesitzer, deren Häuserdächer sich häufig nur für eine kleine Anlage eignen. Sollten am Ende ein paar Tausend Euro fehlen, um alle förderfähigen Anträge zu bewilligen, könnte der Fördertopf geringfügig aufgestockt werden, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums MDR THÜRINGEN.

Wie viel kWh sind 1kWp?

Ein Kilowatt-Peak (kWp) entspricht zwischen 900 und 1.000 kWh (Kilowatt-Stunden) pro Jahr. Bei der derzeitigen Leistungsstärke von PV-Panelen braucht es etwa 6 Quadratmeter Dachfläche, um 1 kWp zu produzieren.

Eine kurzfristige Erhöhung des Solar Invest Fördertopfes um noch weitere Anträge zu zulassen, sei aber nicht möglich. Auch weil "die Globale Minderausgaben nicht hilfreich" seien, heißt es aus dem Ministerium. Gemeint ist die von der CDU im Januar durchgesetzte Haushaltskürzung um 330 Millionen Euro. Weitere Landesmittel wird es also frühestens mit dem nächsten Haushalt geben.

Siegesmund will 100.000 Solardächer bis 2025

Montage einer Solaranlage auf einem Hausdach
Montage einer Solaranlage auf einem Hausdach. Bildrechte: IMAGO / Rolf Poss

Wie viele PV-Anlagen sich in diesem Jahr mit Hilfe der Landesfördermittel realisieren lassen, bleibt noch abzuwarten. Umweltministerin Anja Siegesmund gab jedenfalls schon mal das ambitionierte Ziel aus, "dass wir in Thüringen auf 100.000 Solardächer bis 2025 kommen". Wie aus Daten des Marktstammdatenregisters hervorgeht, steht Thüringen aktuell bei rund 38.500 PV-Anlagen (Stand: 31.12.2021). Zum Vergleich: In den letzten sechs Jahren - seit der Einführung des Solar Invest also - sind im Freistaat gerade mal rund 13.000 neue PV-Anlagen entstanden. Wie sollen also rund 60.000 neue Solardächer in nur drei Jahren entstehen?

Siegesmund setzt auf Robert Habeck

Um ihr ambitioniertes Ziel zu erreichen, setzt Siegesmund auf die Schützenhilfe vom Bund. Insbesondere ihr Parteikollege Robert Habeck soll als Bundesenergieminister die nötigen Förderinstrumente bereitstellen, allem voran eine Verbesserung der Einspeisevergütung. Damit könnten private PV-Anlagen finanziell so attraktiv werden, dass sie ganz ohne Förderung von Landesseite errichtet und betrieben werden, heißt es aus dem Thüringer Umweltministerium. Ob das wirklich gelingt, darf derzeit aber noch bezweifelt werden. Das Osterpaket enthielt zwar einige Förderzusagen, blieb aber insgesamt hinter den Erwartungen der Energiebranche zurück. Das für den Sommer angekündigte zweite Paket zur Förderung der Energiewende muss hier nachsteuern.

Das praktische Problem mit den fehlenden Installateuren

Darüber hinaus gibt es da noch ein praktisches Problem mit den 100.000 Solardächern: "Aus Sicht eines Installateurs und Handwerkers ist das schwer vorstellbar", sagt Dieter Ortmann, Geschäftsführer der maxx solar & energie GmbH aus Waltershausen. Mit 40 festen Mitarbeitern und 15 Handwerkern aus der Region ist maxx solar eine der größten Solarfirmen in Thüringen. Viele hundert PV-Anlagen könne die Firma im Jahr errichten, viele Tausende aber, die es für das Ausbauziel bis 2025 bräuchte, seien unrealistisch. "Da kann Frau Siegesmund aber nichts dafür", sat Ortmann, "denn sie war es nicht, die zwischen 2013 und 2015 die Solarbranche in Deutschland fast zerstört hat."

Verlorene Merkel-Jahre

Ortmanns Firma ist eine der wenigen in Thüringen, die die Merkel-Jahre überlebt haben. Das Wirken der Bundeswirtschaftsminister Rösler (FDP bis 2013), Gabriel (SPD, 2013 bis 2017) und Altmaier (CDU, 2017 bis 2021) mit der drastischen Senkung der Einspeisevergütung und der Umgestaltung des EEG habe die Solarbranche nahezu ruiniert, sagt Ortmann. 80 Prozent des Umsatzes seien zwischen 2013 und 2015 verloren gegangen. "Wenn sich jetzt Christian Lindner hinstellt und erneuerbare Energien als Freiheitsenergien feiert, klingt das für mich wie Hohn, weil seine Partei unsere Branche fast zerstört hat", sagt Ortmann.

Er ist überzeugt: Dieses jahrelange bundespolitische Missmanagement führte nicht nur dazu, dass Deutschland seinen weltweiten Technologievorsprung verloren hat, es ließ die Branche auch soweit schrumpfen, dass es heute zu wenige Fachkräfte gibt. "Sechs bis zwölf Monate braucht es, um einen neuen Installateur zu schulen und einzuarbeiten", so Ortmann.

"Kein Programm wäre groß genug gewesen"

Dass die 100.000 Solardächer in Thüringen kaum zu schaffen sind, findet Ortmann nicht so problematisch. "Das Wichtigste, was die Politik liefern muss, ist eine positive Grundstimmung", sagt er und das mache Siegesmund, indem sie ein ambitioniertes Ziel ausgebe. Das Solar Invest Programm mit 10 Millionen Euro sei auch nicht zu klein gewesen: "Kein Programm wäre groß genug gewesen, um der Nachfrage gerecht zu werden." Neben dem Ukraine-Krieg, der die Lage nochmal verschärft, seien es vor allem die alten Kunden von Billigstromanbietern, die sich jetzt für PV-Anlagen interessierten. "Wenn man bedenkt, dass deren Verträge gekündigt wurden und sie statt 5 Cent pro kWh plötzlich 30 Cent zahlen müssen, dann ist doch klar, dass sie sich jetzt vom Strommarkt lieber unabhängig machen wollen."

MDR (ask)

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