Nahverkehr Aus für Thüringer Azubi-Tarif: Wie Auszubildende vom 49-Euro-Ticket profitieren könnten

23. Februar 2023, 07:13 Uhr

Ab Mai soll deutschlandweit das 49-Euro-Ticket gelten. Das teurere Thüringer Azubi-Ticket wird damit überflüssig und fällt weg. Ob deswegen mehr junge Leute auf den ÖPNV umsteigen, bleibt aber offen.

Der Preisunterschied ist für Lennart Drexler spürbar. Eine Fahrkarte für den Weg von zu Hause in Weimar nach Gotha in die Berufsschule kostet hin und zurück 21,60 Euro. Günstigere Varianten kommen nicht in Frage, denn die darf man erst ab 9 Uhr nutzen. Also nutzt der Auszubildende zum Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuktechnik das Azubi-Ticket.

Für 60 Euro können alle regionalen Verkehrsmittel genutzt werden. "Ich nutze das tagtäglich", sagt er. Und bequem sei es obendrein. "Wenn man Zeitdruck hat, kann man einfach in den Zug springen." Zum Ausbildungsbetrieb in Blankenhain kommt man ebenfalls mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Ich habe zwar einen Führerschein, aber kein Auto, bin also auf den Zug angewiesen.

Justin Schüssler Azubi in Gotha

Ähnliche Erfahrungen macht Klassenkamerad Justin Schüssler, der ebenfalls mit dem Azubi-Ticket von Erfurt in die Berufsschule nach Gotha fährt. "Ich habe zwar einen Führerschein, aber kein Auto, bin also auf den Zug angewiesen, um auf Arbeit zu fahren und zur Schule." Die Verbindungen in Erfurt seien gut. "Zwischen den größeren Städten passt das auf alle Fälle."

Schwierig werde es aber schon in Gotha auf dem Weg zur Schule. "Die Abfahrtszeiten passen nicht richtig mit den Schulzeiten zusammen", berichtet er. Manchmal müsse man am Bahnhof auch länger warten. "Das kann auch mal eine halbe Stunde sein."

Nicht jeder kommt weiter mit Bus und Bahn

Und da kommt es auf die Perspektive an. Wer in der Stadt regelmäßig Bus oder Bahn fährt, für den sind 30 Minuten eine lange Zeit. Doch es gibt kleine Orte abseits der Städte, wo kaum mehr als drei Busse am Tag fahren. Wer dort wohnt, dem bringt das Azubi-Ticket wenig.

"Und das ist der zweite Teil, der folgen muss. Ich brauche die Vertaktung zwischen Stadt und Land", sagt Thomas Fahlbusch, Abteilungsleiter Aus- und Weiterbildung bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Erfurt. Berufsschulen müssen man schließlich erreichen können. Für manche Azubis sei der Weg eben weit.

Es ging darum, die Kosten zu minimieren für die Jugendlichen.

Thomas Fahlbusch Abteilungsleiter der IHK

Trotz der Unzulänglichkeiten ländlicher Verbindungen sei das Ticket sinnvoll gewesen. "Es ging darum, die Kosten zu minimieren für die Jugendlichen", sagt er. Damit habe man die betriebliche Ausbildung attraktiver machen wollen gegenüber dem Studium. Denn nicht jeder Auszubildende kann sich für die Fahrten ein Auto leisten, wenn er weite Wege zu fahren hat." Und wenn das Ticket durch das 49-Euro-Ticket abgelöst wird, bleibe es eine gute Sache. "Die Jugendlichen werden ja wie die Unternehmen auch unterstützt." Und für die Jugendlichen werde es noch günstiger. 49 statt 60 Euro im Monat, das sei erfreulich.

Neues Angebot für Azubis nochmal billiger?

Nochmal billiger würde es gerne die Landesregierung machen. "Ich finde, man muss darüber nachdenken, für bestimmte Gruppen, die keine normalen Erwerbstätigen sind, einen anderen Ticketpreis anzubieten", sagt Susanna Karawanskij (Linke), Thüringer Verkehrsministerin. Sie würde Auszubildenden das Ticket gern für 28 Euro anbieten. Man sei gerade dabei, das zu kalkulieren. Das Ziel sei ein Preis, "wo jeder sagen kann: dann steige ich um" auf den öffentlichen Nahverkehr. Nur sicher ist dieser Rabatt noch lange nicht.

Bis zu 12.000 Nutzerinnen und Nutzer

Insgesamt hat der Freistaat Thüringen für das Azubi-Ticket vom Projektstart 2018 bis einschließlich 2023 etwa 70 Millionen ausgegeben oder verplant. Im ersten Schuljahr nutzten das Ticket etwa 4.000 Azubis, zuletzt ist die Zahl auf etwa 12.000 gestiegen. Das ist etwas weniger als die Hälfte der Thüringer Auszubildenden.

Wobei der Landkreis Greiz ausgenommen ist. Landrätin Martina Schweinsburg (CDU) hat stets betont, eine pauschale Vergütung des Landes für die Mehrkosten der Busunternehmen sei nicht ausreichend. Heißt konkret: Wenn mehr Auszubildende mit dem Bus fahren und nicht jedes Mal eine Fahrkarte kaufen, kostet das die Busunternehmen Geld. Und das müsse ordentlich abgerechnet und nicht pauschal vergütet werden. Also ist der Kreis beim Azubi-Ticket innerhalb Thüringens der einzige weiße Fleck geblieben.

Weißer Fleck verschwindet

Das sei nicht für alle Firmen und Azubis im Kreis ein Problem, denn nicht alle seien gut an den Nahverkehr angebunden, sagt Matthias Säckl, Leiter des Bereichs Aus- und Weiterbildung bei der IHK in Gera. "Das Azubiticket hilft den Unternehmen, die gute ÖPNV-Angebote haben und dadurch von den Azubis einfach erreichbar sind. Der weiße Fleck im Landkreis Greiz betrifft daher nur die Unternehmen, die ÖPNV-mäßig angeschlossen sind."

Immerhin: Das Deutschland-Ticket, wie das 49-Euro-Angebot offiziell heißen soll, gilt überall. Also auch im Landkreis Greiz. Die Verkehrsunternehmen sollen ihre Ausgleichszahlungen dann direkt vom Bund bekommen, um die Einnahmeausfälle auszugleichen.

Azubis haben Sonderkündigungsrecht

Etwa 140 Euro pro Ticket und Monat schießt der Freistaat bisher zu. Durch den Bundeszuschuss für das Deutschland-Ticket gehen diese Kosten zurück. Der Freistaat Thüringen hat den Vertrag über die Förderung des Tickets zum 30. April 2023 gekündigt. Dann läuft die Förderung aus - damit steigt der Monatspreis für das Ticket zum 1. Mai auf 196,97 Euro an.

Den Tarif soll es also weiterhin geben. Jeder Betroffene werde laut VMT aber angeschrieben und hat ein Sonderkündigungsrecht. Aber jeder müsse sich aktiv entscheiden: Ganz kündigen, weiternutzen oder auf das 49-Euro-Ticket als Alternative umsteigen. Automatisch passiere das nicht.

Der Verkehrsverbunds Mittelthüringen rät Azubis aus diesem Grund dazu ihr Ticket rasch zu kündigen. Die Erfurter Verkehrsbetriebe etwa geben den 15. April als Stichtag an, bis zu dem es keine Probleme geben soll. Später könne die erhöhte Gebühr für das Ticket schon abgebucht sein und müsste erstattet werden. Eine automatische Umstellung von einem Ticket aufs andere ist aus rechtlichen Gründen nicht vorgesehen.

Mehr Möglichkeiten für Azubis von außerhalb

Und was, wenn das neue Ticket zum 1. Mai doch noch scheitert? "Dann müssen wir überlegen, das Azubi-Ticket fortzuführen", sagt Ministerin Karawanskij.

Doch sie ist sich mit IHK-Vertreter Fahlbusch einig: Das neue Angebot biete ja neben dem besseren Preis auch umfangreichere Möglichkeiten. Denn in der Berufsschule in Gotha lernen zum Beispiel auch Azubis aus Frankfurt am Main oder Dresden - etwa in der Orthopädietechnik. Strecken außerhalb Thüringens waren bisher nicht abgedeckt vom Azubi-Ticket. Vom Deutschland-Ticket hingegen schon.

Der Blick auf den vollen Parkplatz des Berufsschulzentrums zeigt aber: Viele Azubis haben entweder keine gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Oder sie müssen noch überzeugt werden, das Auto stehenzulassen.

MDR (dst)

Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | THÜRINGEN JOURNAL | 22. Februar 2023 | 19:10 Uhr

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