Verkehrsverlängerung Weitere 15 Jahre Dampfbetrieb auf drei sächsischen Schmalspurbahnen
Hauptinhalt
21. März 2022, 19:39 Uhr
Wer an sächsischen Schmalspurbahnen wohnt, muss weiterhin nach der Windrichtung schauen, bevor man die Wäsche raus hängt. Bis 2037 fahren im Tal der Weißeritz, im Lößnitzgrund und hinauf nach Oberwiesenthal historische Züge bespannt mit kohlegefeuerten Dampfrössern. Sieben Millionen Euro Steuergelder lässt sich der Freistaat das tägliche Spektakel für Touristen kosten. Pendler und Schüler sind in den gemütlich dahin schaukelnden Zügen in der Unterzahl, räumen auch Betreiber und Besteller ein.
Auf den drei Schmalspurbahnen der Sächsischen Dampfeisenbahn-Gesellschaft (SDG) wird sich in den kommenden 15 Jahren wenig ändern. Der neue Verkehrsvertrag, der am Montag offiziell unterzeichnet wurde, sieht weiterhin täglichen Dampfbetrieb wie im 19. Jahrhundert vor. Die Verkehrsverbünde Oberelbe (VVO) und Mittelsachsen (VMS) setzen weiterhin auf Touristen als wichtigste Zielgruppe, teilten die Besteller mit. Eher nebenbei steigen auch noch Berufspendler und Schüler in die nostalgischen Züge ein. Durch die Ausflügler, die wegen der historischen Züge anreisten, würden in den Urlaubsregionen Erzgebirge und Elbland rund zehn Millionen Euro Wertschöpfung pro Jahr generiert, hieß es.
Für die meisten Fahrgäste ist der Weg das Ziel.
Zahlen und Fakten zu den SDG-Strecken
- Bis Ende 2037 ist der ganzjährige Dampfbetrieb auf der Fichtelbergbahn (Cranzahl - Oberwiesenthal), der Weißeritztalbahn (Freital-Hainsberg - Dippoldiswalde - Kurort Kipsdorf) und der Lößnitzgrundbahn (Radebeul-Ost - Moritzburg - Radeburg) durch Zahlungen aus dem Landeshaushalt gesichert.
- Sachsen zahlt aktuell jährlich rund sieben Millionen Euro für insgesamt 160.000 gefahrene Kilometer - nahezu alle Züge sind mit Dampflok bespannt.
- Rund zwei bis drei Millionen Euro Fahrgeldeinnahmen generiert die SDG pro Jahr auf den drei Strecken.
- Voriges Jahr waren 455.000 Fahrgäste mit den Zügen unterwegs. Vor Corona waren rund 650.000 Menschen pro Jahr gewesen.
- Etwa 120 Menschen stehen bei den drei Bahnen in Lohn und Brot.
Keine echte Alternative zur Kohlefeuerung
In Radebeul ist eine neue Werkstatt für die Schmalspurbahn fast fertig, in Freital und Oberwiesenthal sind vergleichbare Einrichtungen zur betriebsnahen Wartung der Loks und Waggons bereits in Betrieb.
Eine Dampflok wird rund um die Uhr beheizt Auf jeder der drei Schmalspurbahnen ist täglich ein Dampfzug unterwegs. Je nach Saison absolviert dieser auf der Fichtelbergbahn drei bis fünf Hin- und Rückfahrten, auf der Weißeritztalbahn meist drei Hin- und Rückfahrten und auf der Lößnitzgrundbahn sechs bis sieben Hin- und Rückfahrten. Das Dampfross bleibt dabei 30 Tage rund um die Uhr beheizt - nachts ist dafür ein Lokführer zuständig. Nach der Einsatzzeit wird die Lok gründlich gereinigt und der Kessel ausgewaschen, dann kommt eine zweite Lok nach achtstündiger Anheizzeit für 30 Tage in den Dienst. Das Lokpersonal ist durchweg als Heizer und Lokführer ausgebildet und im Einsatz. Eine Dampflok kann nur mit zwei Personen im Führerstand betrieben werden. Auf der Lößnitzgrundbahn und der Weißeritztalbahn werden die Personale durchgetauscht. Bei der Fichtelbergbahn ist eigenes Personal aus dem oberen Erzgebirge im Einsatz. Betriebsleitung der SDG
Betriebsleiter Mirko Froß sagte MDR SACHSEN, "die Dampfloks werden weiterhin in Betrieb bleiben". Eine Alternative sieht der altgediente Eisenbahner derzeit nicht. Auch Dieseltriebwagen, die erst beschafft werden müssten, seien allein wegen der Anschaffungskosten nicht wirtschaftlicher. Zudem müssten für den Ausflugsverkehr dennoch Dampfloks und Waggons vorgehalten werden, so Froß.
Das sächsische Wirtschaftsministerium teilte mit, man nehme keinen Einfluss auf den Einsatz der Fahrzeuge. "Die Beschaffung von Fahrzeugen für den Einsatz in verkehrsschwachen Zeiten liegt allein in der Hand der (...) Betreiberunternehmen."
Ganzjähriger Dampfbetrieb organisatorisch alternativlos
Der Verbandsvorsitzende des VVO, Bautzens Landrat Michael Harig (CDU), hatte zwar in einem Halbsatz von alternativen Antrieben gesprochen, die man langfristig im Blick haben müsse. VVO-Geschäftsführer Burkhard Ehlen dämpfte aber derlei Erwartungen auf Nachfrage gleich wieder. Technisch stehe keine Lösung zur Verfügung, zudem lebten die Bahnen gerade von den Dampfloks und dem historischen Ambiente der Strecken.
Das zahlt der Freistaat für täglichen Dampfbahnbetrieb
Strecke | Jahr 2021 | Jahr 2022 |
---|---|---|
Wilder Robert: Oschatz - Mügeln - Glossen | 598.000 Euro | 608.400 Euro |
Fichtelbergbahn: Cranzahl - Oberwiesenthal | 2,175 Mio Euro | 2,213 Mio Euro |
Lößnitzgrundbahn: Radebeul - Radeburg Weißeritztalbahn: Freital - Kurort Kipsdorf |
4, 569 Mio Euro | 4,649 Mio Euro |
Zittauer Schmalspurbahn | 2,165 Mio Euro | 2,203 Mio Euro |
Des Weiteren fördert der Freistaat im Doppelhaushalt 2021/22 mit gut 1,77 Millionen Euro Investitionen in die Infrastruktur der Schmalspurbahnen und Haupt- sowie Zwischenuntersuchungen von Schmalspurbahnlokomotiven. "Ob eine Anhebung der Betriebshilfen für Schmalspurbahnen im kommenden Doppelhaushalt aufgrund der Tarifabschlüsse, der gestiegenen Brennstoffkosten und der Einführung der CO2-Abgaben nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz berücksichtigt werden kann, darüber kann bislang noch keine Aussage getroffen werden", erklärte das Wirtschaftsministerium.
Dampfbetrieb beschränkt auf Ferienzeiten nicht praktikabel
Bisherige Überlegungen, den Dampfbetrieb auf Ferienzeiten, Feiertage und die Hauptsaison im Winter, Sommer oder die Weinlese beim Lößnitzdackel mit den bisherigen Geldmitteln zu konzentrieren, erweise sich nach Ehlens Angaben als kaum umsetzbar. Die Eisenbahner könnten zwar Zeitkonten anlegen, allerdings würde mehr Verkehr in Spitzenzeiten dennoch mehr Personal erfordern, da gesetzliche Dienstzeiten eingehalten werden müssen. Die nachfrageschwächste Zeit im November nutzen die Schmalspurbahnen für Reparaturen, dann ruht der Betrieb in jedem Jahr einige Wochen.
Ölfeuerung wird im Zittauer Gebirge getestet
SDG-Geschäftsführer Roland Richter sagte, bei der Zittauer Schmalspurbahn würden wie schon einmal in der Reichsbahn-Zeit kohlegefeuerte Dampfloks testweise auf Ölfeuerung umgestellt. Die Ergebnisse wolle man sich in jedem Fall ansehen und prüfen, ob auch SDG-Loks umgerüstet werden können.
Bei den Harzer Schmalspurbahnen prüft man gemeinsam mit Studierenden, wie sich Dampfloks künftig betreiben lassen und dabei das nostalgische Ambiente erhalten bleibt.
Ein Busbetrieb wird zum Bahnbetreiber
Der ehemalige Kraftverkehr Annaberg hat vor 25 Jahren die drei Bahnen von der DB-Tochter Mitteldeutsche Bahnreinigung übernommen. Der Busbetrieb hat dafür extra eine eigene Bahntochter - die BVO Bahn, heute SDG - gegründet und mit diesem Schritt die drei Schmalspurbahnen vor dem Aus bewahrt. Die Deutsche Bahn - damals noch auf Börsenkurs - hatte aus wirtschaftlichen Gründen kein Interesse an den Nostalgiebahnen.
Nicht wenige Bahnenthusiasten hatten damals bezweifelt, ob ein Regionalbusbetrieb aus dem Erzgebirge denn Eisenbahnen betreiben könne. Richter und seine Mannschaft haben bewiesen, dass es funktioniert. Er bereue die unternehmerische Entscheidung keinen einzigen Tag, betonte Richter auf Nachfrage - obgleich Rückschläge nicht ausblieben.
Das Hochwasser 2002 hatte im Tal der Weißeritz die Schmalspurbahn auf weiten Strecken zerstört. Brücken waren eingestürzt, Bahndämme abgerutscht und Gleise hingen plötzlich in der Luft. Auch die Lößnitzgrundbahn wurde seinerzeit stark in Mitleidenschaft gezogen.
MDR (lam)
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR SACHSENSPIEGEL | 21. März 2022 | 19:00 Uhr
Not Found
The requested URL /api/v1/talk/includes/html/4941b849-dd90-4d9f-b5d0-439f92f8e186 was not found on this server.