Kunstschaffende in Mitteldeutschland So inspiriert Caspar David Friedrich die Kunst der Gegenwart
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23. August 2024, 03:00 Uhr
In Dresden eröffnet am Sonnabend die wohl wichtigste Schau des Jahres unter dem Titel "Caspar David Friedrich. Wo alles begann". Nach den großen Ausstellungen in Hamburg und Berlin bietet Dresden, wo Friedrich lange lebte, also das nächste Highlight zum 250. Geburtstag. Lange vergessen, wird CDF nun als Superstar der Romantik im Museum gefeiert. Und auch Künstlerinnen und Künstler lassen sich bis heute von seinen Werken beeinflussen. Hier sind einige aktuelle Beispiele.
- Für den Leipziger Maler Hans Aichinger ist Caspar David Friedrich der Maler der Melancholie – ihn fasziniert, wie Friedrich Farben zum Glühen bringt.
- Die gebürtige Dresdnerin Nina K. Jurk sucht Inspiration auf Friedrichs Spuren in der Sächsischen Schweiz, die sie aber in abstrakten Stimmungsbildern zeigt.
- Das Handwerk hat sich geändert, doch die Natur- auch als Seelenlandschaft zu zeigen, ist bis heute modern.
Für Hans Aichinger ist Caspar David Friedrich der große Maler der Melancholie. In seinen Landschaftsgemälden spüre der Dresdner Romantiker den Zwischenreichen der menschlichen Existenz nach. Er spiegele sie im Kreislauf der Natur, von Tag und Nacht: "Der Tag ist vorbei, die Nacht hat noch nicht so richtig begonnen. Wir leben noch, wehen aber eigentlich dem Tode entgegen", so interpretiert Aichinger Friedrichs malerische Erkundungen, die ihn faszinieren.
Hans Aichinger: "Faszinierend, wie er Farben zum Glühen bringt"
Aichinger selbst geht es nicht um die Erforschung der Dämmerung und den Wechsel von Tag und Nacht. Er erkundet in seinen Bildern vielmehr die seelischen Zwischenwelten, in denen sich Heranwachsende befinden. Mit altmeisterlicher Technik, raffinierter Lichtregie und detailversessen schafft er so vieldeutige Porträts von Jugendlichen, die wie auf einer Bühne verschiedene Rollen oder Posen ausprobieren, "entschlossen, die Zukunft zu betreten", in der Hoffnung, dass sie "mit Schönheit und all ihren Träumen angereichert ist".
Wir leben noch, wehen aber eigentlich dem Tode entgegen.
Diese handwerkliche Seite, das Können, Bilder ins Schwebenzu bringen, die interessiert ihn auch bei den Landschaftsgemälden von Caspar David Friedrich: "Die Bilder sind warm untermalt. Ein blauer Himmel, der ja nun wirklich kühl ist, wird beispielsweise mit einem Rot-Ton untermalt, der dann durch dieses Blau der transparenten Ölfarbe hindurchschimmert."
So bringe Friedrich die Farben zum Glühen und erschaffe Welten zwischen Traum und Wirklichkeit – so wie der "Wanderer über dem Nebelmeer".
Nina K. Jurk: Auf den Spuren von CDF in der Sächsischen Schweiz
Die Inspiration, die sich Friedrich bei seinen Wanderungen durchs Elbsandsteingebirge holte, hat auch die in Dresden geborene und heute in Leipzig lebende Künstlerin Nina K. Jurk dort mit allen Sinnen erfahren. Den weiten Himmel und den geheimnisvollen Nebel. Teils verbringe sie viele Stunden an einem Ort oder übernachte dort manchmal sogar, um all die Stimmungen einzufangen.
Ich bin mit Caspar David Friedrichs Bildern groß geworden.
Dabei sieht sich Jurk künstlerisch nicht direkt auf Friedrichs Spuren. Auf ihren Bildern ist nicht der konkrete Felsen oder Wald zu sehen, sondern allenfalls zu erahnen. Aus ihren konkreten Eindrücken destilliert sie abstrakte Bilder. Jurks Bilder waren in der großen Friedrich-Retrospektive in der Hamburger Kunsthalle zu sehen und sind es aktuell in der Ausstellung "Sehnsucht – Romantik" der Kunsthalle Talstraße in Halle. Sie fühlt sich Caspar David Friedrich innerlich verbunden: "Der alte Meister bedeutet mir wirklich sehr viel. Ich bin mit seinen Bildern groß geworden."
Christiane Baumgartner: Unterwegs mit Foto-Kamera statt Skizzenblock
Eine der Holzschnitt-Serien der Künstlerin Christiane Baumgartner aus Leipzig trägt den Titel "Nordlicht". Vor allem von der Landschaft auf den Ostsee-Inseln Rügen und Hiddensee ist sie fasziniert. Wenn sie dort fotografiere, denke sie aber nicht an Caspar David Friedrich, bekennt Baumgartner. Dennoch gibt es Parallelen in der Herangehensweise: Friedrich machte in der Landschaft Skizzen, Baumgartner fotografiert vor Ort, um ihre Eindrücke festzuhalten – erst im fernen Atelier entstehen daraus ihre Werke.
Wir waren jedes Jahr an der Ostsee im Zelt am Strand – und dann traf man sich zum Sonnenuntergang.
Dass sie auch die als etwas kitschig geltenden Sonnenuntergängen nicht ausspart, liegt ihrer Meinung nach an ihrer DDR-Vergangenheit: "Wir waren jedes Jahr an der Ostsee im Zelt am Strand – und dann traf man sich zum Sonnenuntergang. Da standen alle da und glotzten nach Westen, und das war dann diese Sehnsucht. Das hat natürlich für uns als DDR-Bürger schon eine ganz andere Bedeutung, denke ich."
Quelle: MDR KULTUR (Andreas Höll, Wolfgang Schilling)
Redaktionelle Bearbeitung: ks, op
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 19. August 2024 | 07:40 Uhr