Vor der Flüchtlingsunterkunft Rechtsradikale greifen erneut Polizisten in Heidenau an

23. August 2015, 19:41 Uhr

In Heidenau bei Dresden haben mehr als 150 Rechtsradikale in der zweiten Nacht in Folge Polizisten angegriffen, die dort eine Notunterkunft für Flüchtlinge schützen. In dem ehemaligen Baumarkt in einem Gewerbegebiet der Stadt sind inzwischen mehr als 200 Flüchtlinge untergebracht. Die Polizei konnte die Angreifer stoppen.

Vor einer Flüchtlings-Notunterkunft in Heidenau bei Dresden ist es erneut zu Krawallen gekommen. Nach den Ausschreitungen in der Nacht zum Sonnabend war die Lage am Sonnabend tagsüber zunächst ruhig geblieben, bevor es gegen 23 Uhr einen erneuten Gewaltausbruch gab.

Polizei: Situation aus dem Nichts eskaliert

Wie ein MDR-Reporter berichtete, warfen etwa 150 Rechtsradikale Böller, Steine, Flaschen und sogar Straßenabsperrungen nach den Polizisten. Die Situation sei wie aus dem Nichts eskaliert. Auch die Polizei sprach von einer neuen Qualität. Als sei ein Hebel umgelegt worden, beschrieb ein Beamter die Situation zu Beginn. Die Polizei sei aber besser vorbereitet gewesen als Freitagnacht und konnte den Mob zurückdrängen. Aber auch danach gab es Jagdszenen zwischen Beamten und Rechten. Augenzeugen berichten von Rufen wie "Hier ist der nationale Widerstand" oder "Ausländer raus". Eine Polizeisprecherin sagte am Sonntagmorgen, zwei Polizisten seien verletzt worden.

Göring-Eckhardt: Heidenau Folge von Pegida-Toleranz

Ich warne vor einem neuen rechten Terrorismus à la NSU. Die Zögerlichkeit von Angela Merkel, hier die richtigen Worte zu finden, kann ich nicht mehr verstehen. Einzelne Krawalle kann man nie ausschließen. Wenn aber ein rechter Mob in zwei Nächten nacheinander Menschen bedrohen kann, dann ist das Gewaltmonopol des Staates in Gefahr. Heidenau ist eine direkte Folge der falsch verstandenen Toleranz der sächsischen Landesregierung gegenüber Pegida."

Katrin Göring-Eckhardt, Fraktionschefin der Grünen im Bundestag

Flüchtlinge verstehen die Situation nicht

Vor dem ehemaligen Praktiker-Baumarkt, in dem seit Freitag Flüchtlinge vorübergehend untergebracht sind, hatten sich im Laufe des Tages mehrere Einwohner von Heidenau eingefunden, um nach eigenen Angaben ein Zeichen zu setzen und die Asylsuchenden willkommen zu heißen und zu schützen. Angemeldet war auch eine Kundgebung der Antifa, an der nach Angaben der Veranstalter 250 Menschen teilnahmen. Die Polizei sprach von 150 Teilnehmern.

Am Nachmittag kamen einige Flüchtlinge aus ihrer Unterkunft, gesellten sich zu ihren Unterstützern und dankten ihnen. Bis zum Abend erreichten weitere Busse mit Flüchtlingen die Notunterkunft. An Bord waren unter anderem Familien mit Kindern. Insgesamt sind nun mehr als 200 Menschen in dem früheren Baumarkt untergebracht. Ein Flüchtling aus Afghanistan sagte "MDR aktuell", er habe Angst. Er habe die Demonstrationen mitbekommen und verstehe die Situation nicht. In Afghanistan sei die Situation schon wirklich schlimm, aber hier fühle er sich auch jetzt auch nicht wohl.

Gleichzeitig versammelten sich in der Nähe erneut auch Gegner der Flüchtlingsunterkunft. MDR-Reporter berichteten am Nachmittag von etwa 70 Rechtsradikalen. Diese hatten laut Behördenangaben keine Veranstaltung angemeldet. Im Lager der Gegner der Notunterkunft waren erneut auch Familien mit Kindern dabei.

Bürgermeister sieht nach Eskalation Ruf der Stadt beschädigt

Bereits am Freitagabend war die Situation eskaliert, als überwiegend Gewaltbereite die Ankunft der Flüchtlinge verhindern wollten und Zufahrten blockierten. Die Polizei schritt ein, es gab Dutzende Verletzte, unter ihnen mehr als 30 Polizeibeamte. Die Ankunft der Flüchtlinge verzögerte sich, außerdem wurden zunächst nur 93 nach Heidenau geschickt. Landes- und Bundespolitiker zeigten sich entsetzt angesichts der Gewaltbereitschaft in dem Ort.

Der Bürgermeister von Heidenau, Jürgen Opitz, fürchtet um den Ruf der Kleinstadt. Momentan bestimmten "schreckliche Bilder" die Nachrichten aus Heidenau. "Der Ruf unserer Stadt als familienfreundliche Gemeinde ist erheblich beschädigt", sagte der CDU-Politiker. Heidenau werde nicht von Nazis beherrscht. Zuvor hatte Opitz in den Medien und sozialen Netzwerken zu Solidarität mit den Flüchtlingen aufgerufen.

Ich rufe alle Bürgerinnen und Bürger zu Besonnenheit auf und bitte Sie um Zeichen der Solidarität mit den bereits in Heidenau befindlichen Flüchtlingen und mit denen, die in den nächsten Tagen im ehemaligen Praktiker-Baumarkt eine erste Zwischenstation auf ihrer beschwerlichen Flucht finden sollen.

Jürgen Opitz, Bürgermeister von Heidenau

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