Fahnen der IG Metall wehen vor dem Volkswagen Werk.
Am Mittwoch beginnen nach der Kündigung mehrerer Tarifverträge die Tarifverhandlungen zwischen VW und der IG Metall. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Krise bei Volkswagen IG Metall und VW beginnen Verhandlungen über neuen Haustarif

25. September 2024, 05:00 Uhr

In Hannover beginnen am Vormittag die Tarifverhandlungen zwischen Volkswagen und der Gewerkschaft IG Metall. Der angeschlagene Autobauer hatte zuletzt mehrere Tarifverträge gekündigt, darunter auch die seit drei Jahrzehnten geltende Beschäftigungsgarantie. Thomas Knabel, IG-Metall-Chef für die Region Zwickau, sagte dem MDR, der Belegschaft seien die Probleme bewusst – doch habe man wenig Verständnis, wenn Anteilseigner Rekord-Dividenden erhielten.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Mitten in der Nacht bricht Uwe Kunstmann Richtung Hannover auf. Der Betriebsratschef von VW Zwickau fährt voraus. Ihm folgen im Morgengrauen vier Busse mit 200 Leuten. Zum Auftakt der Tarifverhandlungen, sagt Kunstmann, wollen VW-Arbeiter aus ganz Deutschland den Vorstand mit einem Pfeifkonzert begrüßen.

Wenn man von der Volkswagen-Familie rede, sagt Kunstmann, dann sollte das heißen, dass man "gemeinsam in die Krise, durch die Krise und aus der Krise" gehe. "Im Moment haben wir aber den Eindruck, dass die Krise, die durch den Vorstand, durch Fehlentscheidungen entstanden ist, allein durch die Belegschaft ausgetragen werden soll." Das werde man als Betriebsräte so nicht akzeptieren und mitmachen, gibt sich Kunstmann entschlossen.

Experte: Zu hohe Kosten für Produktion und Verwaltung

Tatsächlich ging es bei Volkswagen noch nie um so viel. Formal fordert die Gewerkschaft sichere Jobs und mehr Geld. Doch faktisch steht die Existenz ganzer Werke auf dem Spiel, weil das Management diverse Vereinbarungen gekündigt hat. So wurde unter anderem die Job-Garantie gestrichen, um Entlassungen zu ermöglichen.

Der Automobil-Experte Stefan Bratzel sagt, um Volkswagen stehe es wirklich nicht gut. "Die Produktionskosten stehen an erster Stelle, aber auch die VW-eigenen Verwaltungskosten müssen deutlich reduziert werden. Und man muss natürlich auch sehen: Die Werke von Volkswagen in Deutschland produzieren in der Regel teurer als die im nichtdeutschen Ausland, etwa in Spanien."

IG Metall: Werkschließungen greifen zu kurz

Doch eine Schließung von Werken will die IG Metall nicht mitmachen. Es greife zu kurz, nur die deutschen Arbeitskosten zu thematisieren, findet der Zwickauer IG-Metall-Chef Thomas Knabel: "Wissen Sie, wenn man gerade im Juni noch eine Rekord-Dividende von 4,5 Milliarden an die Anteilseigner ausschüttet und dann ein paar Wochen später kommt und sagt: 'Da fehlen aber fünf Milliarden in der Kasse.' Dann haben die Kollegen ein relativ klares Bild davon, wo man es eigentlich herholt."

Gewerkschafter Knabel sagt, die Belegschaft sei sich der Probleme bei Volkswagen bewusst. Das Vertriebskonzept sei nicht gut. Bei der Software hake es. All das könne man nur gemeinsam lösen – auch mithilfe der Konzernschwestern Audi und Porsche. "Mir ist unverständlich, warum in den einzelnen Marken des Konzerns noch eigene Entwicklungen gemacht werden bis hin zu eigenen Lenkrädern, eigenen Batterien, eigener Software", zeigt Knabel auf. "Ich bin davon überzeugt, wenn man Synergien im großen Konzern hebt, wird es auch der Marke Volkswagen bessergehen."

Folgen von Werkschließungen weit über VW hinaus

Dass Deutschlands größter Autokonzern die Kurve kriegt, hoffen auch andere. Zum Beispiel Dirk Vogel, Geschäftsführer beim Netzwerk der Automobilzulieferer Sachsen. "Wir machen uns große Sorgen, weil das Thema Werksschließung in allen Regionen, die betroffen sind, zu einem riesigen Problem führt." Es gehe ja nicht nur das Werk selbst mit tausenden Arbeitsplätzen, sondern auch um die Zulieferer im direkten Umland, die Dienstleister, sagt Vogel.

Mit lautstarken Protesten positioniert sich die Belegschaft aus dem Volkswagen Werk in Zwickau kurz vor Beginn der Betriebsversammlung gegen die Sparpläne des Vorstands. 5 min
Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Momentan gehe er davon aus, dass Zwickau bleibt, sagt Vogel. Da ist der Chef des Zuliefererverbands mit der Gewerkschaft einer Meinung. Die findet: Man müsse nach vorn denken, neue Modelle entwerfen, die Werke bestmöglich auslasten. Eine Werksschließung sei ein Rückzug und damit das falsche Signal.

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 25. September 2024 | 06:06 Uhr

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