Eine Frau hiflt einem Mädchen bei einer körperlichen Übung.
Theresa Groenwald leidet am Stiff-Person-Syndrom und übt mit ihrer Ergotherapeutin Paula Schaufuß das aufrechte Sitzen am Boden. Bildrechte: MDR/Konstantin Henß

Seltene Krankheit Leben mit Stiff-Person-Syndrom: "Bei mir sind immer alle Muskeln angespannt"

02. Mai 2025, 11:30 Uhr

Das Stiff-Person-Syndrom ist eine seltene Autoimmunerkrankung. Die Stiff-Person Vereinigung Deutschland e.V. geht von etwa 200 bis 300 Betroffenen in Deutschland aus. Eine von ihnen ist die 22 Jahre alte Vogtländerin Theresa Groenwald. Sie hat mit MDR SACHSEN über ihre Erkrankung gesprochen.

Nur die wenigen Schritte mit ihrem Rollator vom Bett zur Couch sind für Theresa Groenwald aus Adorf im Vogtland sichtlich anstrengend. Um sich für ihre Ergotherapie auf den Boden zu legen, muss sie sich zuerst umständlich aufs Sofa setzen. Von dort lässt sich die juneg Frau seitlich auf ein Kissen herunter, um schließlich auf ihrer Matte in eine liegende Position zu kommen. Anders ist es für die 22-Jährige nicht möglich, weil sie an der seltenen Autoimmunerkrankung Stiff-Person-Syndrom (SPS) leidet.

Das heißt für die Vogtländerin vor allem Schmerzen, Spastiken und Einschränkungen im täglichen Leben. Normalerweise würden sich manche Muskeln entspannen, während andere angespannt sind. "Aber bei mir sind immer alle Muskeln angespannt", erklärt sie. Schon allein aufrecht zu sitzen, ist eine Herausforderung. "Ich muss mich darauf konzentrieren, dass ich sitze", erzählt Groenwald. "Wenn ich mich nicht konzentriere, würde alles in die Streckung gehen."

Junge Frau, lächelnd auf einem Bett sitzend 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
2 min

Die 22 Jahre alte Vogtländerin Theresa Groenwald leidet seit sie 18 Jahre alt ist am Stiff-Person-Syndrom. Was das für sie bedeutet, hat sie im Gespräch mit MDR SACHSEN erklärt.

MDR FERNSEHEN Fr 25.04.2025 16:06Uhr 02:10 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/chemnitz/vogtland/video-krankheit-syndrom-therapie-schmerzen-muskeln-102.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Hilfe im Alltag benötigt

Die meisten Probleme hat sie aktuell mit dem Rücken, der Hüfte und den Beinen. "Wenn ich mal eine große Portion gegessen habe, merke ich es zum Beispiel auch im Gesicht", so Groenwald. Um Dinge auszugleichen, entwickelt sie regelmäßig ganz eigene Kompensationsstrategien. So auch den Weg über Couch und Kissen zum Liegen auf dem Boden für die Ergotherapie. Am meisten Unterstützung braucht sie bei der Körperpflege, aber auch kochen und putzen schafft sie nicht allein. Im Haus ihrer Familie ist sie hauptsächlich mit ihrem Rollator mobil, beim Essen sitzt sie zum Beispiel im Rollstuhl.

Die ersten Symptome hat Theresa Groenwald mit 18 Jahren gespürt. "Ich habe früher Handball gespielt und war immer eine von den Schnelleren", erzählt sie. Auf einmal sei das anders gewesen. Auch Schmerzen kamen dazu. "Aber mit 18 geht man ja nicht zum Arzt und sagt: 'Ich habe Schmerzen beim Rennen.'" Schon ein halbes Jahr später habe sie sichtbare Probleme beim Treppensteigen gehabt. Die Diagnose lässt aber trotz vieler Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte einige Zeit auf sich warten. Erst 2022 erfährt Groenwald, dass sie an SPS leidet.

Eine junge Frau bei einer Physiotherapeutin 3 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
3 min

Die 22 Jahre alte Vogtländerin Theresa Groenwald leidet seit sie 18 Jahre alt ist am Stiff-Person-Syndrom. Wie sie ihren Alltag trotzdem bewätigt, hat sie im Gespräch mit MDR SACHSEN erzählt.

MDR FERNSEHEN Fr 25.04.2025 16:06Uhr 02:38 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/chemnitz/vogtland/video-krankheit-syndrom-therapie-schmerzen-muskeln-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

Keine Aussicht auf Heilung

Eine Heilung gibt es für SPS nicht. Und auch die möglichen Therapien hat Groenwald inzwischen ausgeschöpft. "Ich bekomme Medikamente, aber mehr geht nicht mehr von ärztlicher Seite", erzählt sie. "Es ist schwierig." Zuletzt hat sie eine neuartige Immuntherapie bekommen. "Vorher konnte niemand sagen, was die bewirken kann", sagt sie. "Ich habe gehofft, dass ich damit wieder aufrecht sitzen kann. Und das habe ich geschafft."

Was ist das Stiff-Person-Syndrom? (zum Ausklappen)

  • Das Stiff-Person-Syndrom (SPS) ist eine seltene chronische Autoimmunerkrankung.
  • Die Häufigkeit liegt etwa bei einer Neuerkrankung jährlich pro 1 Million Einwohner. Frauen sind doppelt so oft betroffen wie Männer.
  • Die Hauptsymptome sind: Erhöhte Spannung der Muskulatur mit Muskelverhärtungen und Steifigkeitsgefühl, insbesondere im Bereich der rumpfnahen Muskulatur. Oft auch einschießende Muskelkrämpfe, die häufig durch bestimmte Reize (z.B. Berührung, Geräusche, Schreck) ausgelöst beziehungsweise verstärkt werden.
  • Die Behandlung stützt sich auf die drei Säulen: 1. Physiotherapie und muskelentspannende Maßnahmen, 2. muskelentspannende Medikamente (zur symptomatischen Behandlung) und 3. ggf. Immuntherapie (z.B. mit Kortisonpräparaten, Immunglobulinen oder Immunsuppressiva).

In der Woche hat sie rund sieben Stunden lang Therapien, wenn man alle Sitzungen zusammenzählt. Dazu zählen Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie und Psychotherapie. Von SPS hatte Ergotherapeutin Paula Schfuß noch nie gehört, bevor sie Theresa Groenwald traf. "Da mussten wir in der Praxis auch erstmal googlen, was die Krankheit beinhaltet und was wir da therapeutisch machen können", sagt sie. Sie möchte helfen, dass ihre junge Patientin findet, ihren Körper so zu bewegen, dass sie im Alltag optimal zurecht kommt.

Bei der heutigen Übungen geht es vor allem darum, die Bauchmuskeln zu aktivieren, kleine Beugungen im Knie zu schaffen und am Ende aufrecht mit gestreckten Beinen auf dem Boden zu sitzen. Dabei sieht man, dass Schaufuß und Groenwald schon seit Jahren ein eingespieltes Team sind. Neben aller Anstrengung scherzt und lachen die beiden auch viel Alle drei Monate setzen sie sich gemeinsam neue Ziele. "Sitzen im Rollstuhl klappt jetzt super", sagt Schaufuß. "Nun probieren wir zum Beispiel den Unterkörper an- und auszukleiden."

Junge Frau, lächelnd vor einem Bücherschrank 2 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
2 min

Das Stiff-Person-Syndrom ist eine seltene Autoimmunerkrankung. Ergotherapeutin Paula Schaufuß erklärt, wie Ergotherapie den Betroffenen helfen kann.

MDR FERNSEHEN Fr 25.04.2025 16:27Uhr 01:33 min

https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/chemnitz/vogtland/video-krankheit-syndrom-therapie-schmerzen-muskeln-104.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Video

"Stillstand ist keine Option"

In ihrer Freizeit ist Groenwald Handballtrainerin für eine Jugendmannschaft. "Das hat mich am Anfang viel Überwindung gekostet, wieder etwas mit Handball anzufangen", erzählt sie. "Es ist sehr anstrengend für mich, aber Stillstand war und ist für mich nie eine Option." Auch zum Schwimmen geht die 22-Jährige ab und zu. Sie brauche allerdings nach jeder Aktivität Pausen. Aber das Leben nur auf Pause zu leben funktioniere für sie nicht.

Um mobil zu sein, braucht Groenwald Unterstützung. "Öffentlichen Nahverkehr nutze ich eigentlich gar nicht. Und wenn, dann nur in Begleitung.". Ansonsten werde sie von ihren Eltern, der Familie und Freunden unterstützt. Außerdem könne sich durch das Sozialamt für ein gewisses Budget im Monat auch einen Fahrdienst bestellen. "Ich bin dann vom Gefühl her ein Stück unabhängiger und kann allein unterwegs sein."

Eine junge Frau kniet neben einer auf dem Boden liegenden Frau
Bildrechte: MDR/Anett Linke

Ich brauche viele Pausen. Aber das Leben nur auf Pause zu leben, funktioniert für mich nicht.

Theresa Groenwald

Papierkrieg mit Behörden

Doch um solche Leistungen zu bekommen, muss Groenwald auch Papierkrieg mit den Behörden führen. "Wenn man krank wird, bekommt man ja nicht von den Behörden gesagt: 'Sie können bei uns das und das beantragen', sondern man muss es selbst herausfinden." Manche Möglichkeiten ihr Leben zu vereinfachen, habe sie erst nach zwei Jahren zufällig entdeckt. Oft gebe es Bescheide auch mit kurzen Bewilligungszeiträumen, sodass sie immer wieder Anfechtungen oder neue Anträge schreiben muss. "Es ist viel Arbeit und anstrengend", so Groenwald.

Trotzdem könne man sich glücklich schätzen das deutsche Gesundheitssystem zu haben, sagt Theresas Vater Frank Groenwald. Hierzulande seien viele Therapien möglich. Er wolle sich nicht vorstellen, wie es woanders wäre. "Es ist keine leichte Situation", sagt er über die Krankheit seiner Tochter. Am Anfang habe es viel Zeit gebraucht, damit klarzukommen. Er möchte für seine Tochter eine Hilfe sein und hat dafür mit seiner Frau das Leben umgekrempelt. "Wir sprechen uns gut ab, damit wir Theresa eine Art Normalität ermöglichen können", sagt er.

Porträt eines Mannes mitlleren Alters
Frank Groenwald versucht alles, um seiner Tochter trotz Krankheit eine Art Normalität zu ermöglichen. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

"Aufgeben ist keine Option"

In unregelmäßigen Abständen käme es zu Krampfanfällen. "Das sieht dann aus wie ein epileptischer Anfall", erzählt er. Diese Anfälle seien unterschiedlich intensiv. "Manchmal mussten wir auch den Notarzt rufen, da es sich auch auf die Atmung auswirken kann." Ihm sei es eine große Hilfe, dass seine Tochter sehr ehrgeizig ist. "Sie lässt sich nicht hängen und trainiert trotz Rückschlägen und Schmerzen weiter", so Groenwald

Arbeiten kann die ausgebildete Ergotherapeutin wegen ihrer Krankheit derzeit nicht. Sie plant ein Studium im Fach Medizinpädagogik, um dann an einer Schule zu unterrichten, die Therapieberufe ausbildet. "Das Studium würde zum größten Teil online stattfinden", so die Vogtländerin. Allerdings müsste sie einmal im Monat für zwei Tage nach Berlin fahren. Trotzdem: Aufgeben ist für sie keine Option.

MDR (ali)

Mehr aus dem Vogtland und Greiz

Ein Junge steht vor einer Dartscheibe. Er hält drei Dartpfeile in der Hand. Auf den Pfeilen ist die belgische Flagge. 2 min
Bildrechte: MDR/Veronika Lewandrowski-Lenk
2 min 02.05.2025 | 18:06 Uhr

Seit fünf Monaten spielt der siebenjährige Luke Hemmann Darts beim SV Hermsdorf. Den Erstklässler hat in kurzer Zeit die Leidenschaft gepackt. Seine Vereinskollegen nennen ihn liebvoll den "wandelnden Taschenrechner".

MDR THÜRINGEN - Das Radio Fr 02.05.2025 17:40Uhr 01:53 min

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/ost-thueringen/saale-orla/audio-steeldarts-erstklaessler-hemmann-100.html

Rechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Audio

Mehr aus Sachsen