Ferientipp Alte Gleise mit dem Mountainbike neu entdeckt: Von Görlitz nach Königshain
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23. Juli 2023, 13:59 Uhr
Es ist eine der wahrscheinlich schönsten Fahrrad-Touren im Landkreis Görlitz: Auf der Trasse der ehemaligen Kreisbahn von Görlitz nach Königshain, auf den Hochstein und über den Kamm am Schwalbenberg wieder zurück. Ein Geheimtipp für Freunde der Natur mit wunderschönen Aussichten, lauschigen Rastplätzen und auch mit viel Einsamkeit. Und genau richtig für die Sommerferienkinder, die sich mal richtig auspowern wollen.
- Auf der Strecke unterwegs zwischen Schnecken und Zauneidechsen.
- Granit aus dem Königshainer Bergen sichert das Ufer in Helgoland.
- Ein vergessener Wanderpfad führt über den Kamm am Schwalbenberg.
Die Tour nach Königshain beginnt in der Görlitzer Altstadt, direkt an der historischen Rathaustreppe. Dort schweben sonst Brautpaare über die rund 500 Jahre alte Renaissancetreppe ins Glück oder Politiker sowie Gesellschaften lassen sich gerne hier ablichten. Doch jetzt startet hier die MTB-Tour in die Königshainer Berge.
Nur wenige hundert Meter später, nach einer Rütteltour über Kopfsteinpflaster, lädt ein weiteres Denkmal zur Besichtigung ein: das Heilige Grab. Görlitz ist wie Jerusalem auf sieben Hügeln erbaut. Das inspirierte den Erbauer nach einer Pilgerreise ins Heilige Land zu einer Kopie der Anlage in seiner Heimatstadt. So entstand im 15. Jahrhundert das Heilige Grab zu Görlitz, welches früher tausende Pilger an die Neiße lockte. Ihre Botschaften schrieben sie anschließend mit Rötelstift an die Wände der Grabkapelle.
Fast schnurgerade in Richtung Königshain
Das MTB rollt gleich weiter und biegt hinter dem Heiligen Grab in Richtung Königshufen ab. Am Ortsausgang überbrückt die Umgehungsstraße der B6 die Trasse der alten Kreisbahn. Gleise liegen schon lange keine mehr. Vielmehr führt ein asphaltierter Radweg auf der ehemaligen Bahntrasse in Richtung Königshain. An vergangene Zeit erinnert der Schotter, der ab und zu rechts oder links vom Weg hervorquillt und verrostete Signale. Die verrotteten Schwellen an Haltepunkten haben Zauneidechsen besetzt.
Eine sanierte Stahlkonstruktion überbrückt das Schöpstal, schnurgrade verschwindet der Radweg im dunklen Grün der Bäume. Unterwegs laden wilde Kirschen und Himbeeren zum Naschen ein. Kilometerlang ist kein Mensch zu sehen. Nur Bänderschnecken kreuzen hin und wieder den Weg. Kirchenglocken erklingen leise aus der Ferne. Rechts und links kleine Auenlandschaften mit tiefschwarzen Bachläufen.
Vor mehr als 100 Jahren haben die Erbauer der Kreisbahn die Trasse in den Lausitzer Granit gemeiselt. Felswände werden hin und wieder sichtbar. Bei Niederkönigshain weitet sich der Blick und das Ziel - der Hochstein - wird sichtbar. Links zieht sich der Kamm des Schwalbenberges, auf der rechten Seite duckt sich Königshain ins Tal. Nur die einstige Windmühle - jetzt eine Ferienwohnung - und einige Dächer ragen über goldgelbe Felder.
Granit war der Motor der Kreisbahn
Am Himmel wechseln sich Sonne und Wolken ab. Der Wind treibt aus dem Westen Schauer vor sich her. Vielleicht ist auch deshalb niemand auf der alten Kreisbahn-Trasse unterwegs. Die Route steigt leicht an. Trotzdem rollt es und auf einmal ist man auf dem ehemaligen Bahnhof Königshain Hochstein. Hier wurde der Granit verladen, der in den Steinbrüchen der Königshainer Berge gebrochen wurde. Der Granit aus Königshain wurde beim Bau des Berliner Reichstages verwendet, am Berliner Schloss sowie für das Leuchtfeuer am Kap Arkona auf Rügen. Auch die Schutzmauern auf Helgoland bestehen aus Königshainer Granit.
An den Granitabbau, der 1975 eingestellt wurde, erinnern noch die alten Verladerampen am Bahnhof.
Das Bahnhofsgebäude selbst und Teile des Geländes sind privat und werden als Wohnhaus genutzt.
Der Knackpunkt der Strecke: 17 Prozent Steigung!
Bislang war die Tour anspruchslos, doch ab jetzt sind Fahrradfahrer gefordert. Die schmale Straße zur Hochsteinbaude sorgt dafür, dass der Puls nach oben schnellt. Beim steilsten Stück zeigt der Fahrradcomputer 17 Prozent Steigung. Zum Glück legt sich die Straßen immer wieder für einige Kurbelumdrehungen, so dass auch kleine Verschnaufpausen möglich sind. Im Durchschnitt liegt die Steigung bei elf Prozent.
Auf dem Hochstein sorgt dann die gleichnamige Baude für den Ausgleich des Flüssigkeitsverlustes und für die notwendige Erfrischung. Einen möglichen Hungerast kann die gutbürgerliche Küche verhindern. Im Biergarten fällt der Blick auf die benachbarten Felsformationen. Haken aus Edelstahl sind in den Fels getrieben.
Die Treppen auf den 22 Meter hohen Aussichtsturm lohnen sich, denn er bietet bei guter Fernsicht einen phantastischen Ausblick bis zur etwa 130 Kilometer entfernten Schneekoppe, zum Jeschken in Nordböhmen oder bis zu dem Kraftwerken Schwarze Pumpe und Boxberg. Der Turm stand einst in Görlitz an der Weinlache und wurde für die Ausbildung von Fallschirmspringern genutzt.
Klettern, Granit und Baden
Vom höchsten Punkt der Tour mit 397 Metern geht es jetzt erst einmal abwärts, bis die Hochsteinstraße scharf nach rechts ins Tal abbiegt. Jetzt geht es weiter über Wald- und Wiesenwegen am Firstenstein vorbei.
Das Baden ist in den einstigen Granitsteinbrüchen offiziell verboten. Nicht nur Kletterer ignorieren es gern, auch die Einheimischen. Lebensgefährlich sind die spektakulären Sprünge von den Felswänden. In den abgesoffenen Brüchen liegen noch Leitern, Rohre, Stahlträger oder Stahlseile. Baumstämme oder Pfosten schweben manchmal dicht unter der Oberfläche des Wassers und sind von außen kaum zu erkennen.
Fast 200 Jahre lang wurde in den Königshainer Bergen der Abbau von Granit betrieben.
An die Tradition erinnert seit einigen Jahren ein Granitabbaumuseum. Allerdings sind Führungen meist nur nach Voranmeldung möglich. Für die Rückkehr nach Görlitz dient eine ehemalige Bremsbahn als Startrampe.
Die steile Rampe endet auf einem Pfad. Dieser führt zum Waldrand an eine Wiese. Linkerhand liegt der Schwalbenberg und dort geht es weiter über dessen Kamm am sogenannten Rubelbad oder Rubelbruch vorbei.
Einsamkeit, Gestrüpp und Rauchquarz
Der schmale Weg zwischen zwei Kuhweiden scheint kaum noch begangen zu werden, denn das Gras ist hoch. Im Wald schlängelt sich der schmale Pfad immer leicht bergab, aber mitten durch Brombeergestrüpp. Äste und umgefallen Bäume oder Absätze auf dem Weg erfordern Aufmerksamkeit. Lichtungen ermöglichen jedoch wunderschöne Ausblicke auf die Umgebung. Verblichene oder beschädigte Wegweiser lassen Ziele erahnen.
Schatzsucher könnten fündig werden
In den Rissen und Spalten des Granits verbirgt sich u.a. Rauchquarz. Das Kristall gilt schon seit der Antike als Schutzstein vor Gefahren. In der Umgebung von Liebstein entdecken offizielle und "inoffizielle" Schatzsucher immer wieder Hinterlassenschaften aus den Befreiungskriegen: Vom Uniformknopf, über Münzen bis hin zum verrosteten Bajonett. Aus Liebstein führt eine schmale Straße ins Schöpstal mit seinen liebevoll gepflegten Vorgärten und Höfen. Hier ist man stolz auf seine Zugehörigkeit zu Niederschlesien. Zahlreiche Fahnen zeugen davon, auch beim Wasserschloss in Ebersbach.
In Girbigsdorf beim Bäcker zweigt der Fahrradweg nach Görlitz ab. Dort heißt es noch einmal, bis zum Görlitzer Flugplatz in die Pedale zu treten.
Wetterbeobachtung seit 160 Jahren
Der Weg führt an der Wetterwarte vorbei. Der Neubau wurde vor sechs Jahren vom Deutschen Wetterdienst eingeweiht. Seit mehr als 160 Jahren gibt es die wissenschaftliche Wetterbeobachtung in Görlitz und sie gilt als eine der ältesten in Europa.
Wenn die Umgehungsstraße B6 überquert ist, geht es fast nur noch bergab und am Heiligen Grab zum Görlitz vorbei zum Ausgangspunkt der Tour auf den Görlitzer Untermarkt. Dort kann man bei einem Glas Bier oder einer Tasse Kaffee in einem der zahlreichen Lokale seine Eindrücke "sacken" lassen. Alte Gleise - alte Wege mit dem MTB neu entdeckt, so könnte man die 31 Kilometer lange Rundtour zusammenfassen.