Oberlausitz Auf Beutetour über den Friedhof: Metalldiebe nehmen es von Toten

08. Juni 2023, 05:00 Uhr

Sie stehlen Kabel an Bahnstrecken, Material von Baustellen oder Dachrinnen von Häusern. Selbst die Ruhe der Toten schert Buntmetalldiebe offenbar wenig. Auf etlichen Friedhöfen in der Oberlausitz waren sie in diesem Jahr schon auf Beutezug. Betroffene sagen, es geht nicht nur um finanzielle Schäden, sondern um das Antasten ideeller Werte, das viel Kummer bereitet.

Trauernd hielt die Madonna ihre Arme um die Urne gelegt, anmutig gesenkt ihr Kopf und ihr Kleid floss in Falten elegant über den Sandsteinaltar. Dort, wo ursprünglich die lebensgroße Galvanoplastik das Familiengrab zieren sollte, ist nun ein leerer Fleck und abgeplatzter Stein. Im März hatten Buntmetalldiebe den Taucherfriedhof in Bautzen gleich zwei Mal heimgesucht und mehrere metallene Figuren, Kreuze und Wandplatten von den Gräbern herunter geschlagen.

"Von einem Privatgrab ist ein 1,60 Meter hoher Jesus gestohlen worden", sagt Friedhofsverwalter Robert Eckhardt kopfschüttelnd. Vor etlichen Jahren hätte der Friedhof einmal in ähnlicher Weise Probleme mit Buntmetalldieben gehabt. "Da wurden Dachrinnen und Fallrohre gestohlen", so Eckardt. Diese habe man durch Kunststoffrinnen in Kupferoptik ersetzt.

Von einem Privatgrab ist ein 1,60 Meter hoher Jesus gestohlen worden.

Robert Eckhardt Verwalter des Taucherfriedhofs in Bautzen

Etliche größere Diebstähle auf Friedhöfen

Der Polizeidirektion Görlitz wurden allein in diesem Jahr bereits mehr als 20 größere Diebstähle auf den Friedhöfen in der Oberlausitz angezeigt - so zum Beispiel Anfang Mai in Bretnig, wo ein gusseisernes Friedhofstor heimlich demontiert und abtransportiert wurde. Den größten finanziellen Schaden verursachten Diebe, die im März eine mehr als 150 Kilo schwere Bronzefigur vom Friedhof in Neugersdorf entwendeten. Der Schaden wurde von der Polizei mit 50.000 Euro beziffert.

Es gibt Vermutungen, dass die Diebe die Figuren im Ausland einschmelzen oder verkaufen, sagt Polizeisprecherin Anja Leuschner. Neben dem Grabschmuck hätten die unbekannten Täter auch schon Schubkarren oder einen Rasenmäher vom Friedhof mitgenommen.

Engel vom Sockel gestürzt: 20.000 Euro Schaden

Dass die Metalldiebe keinen Respekt vor der Totenruhe haben, zeigt, wie sie im Mai auf dem Friedhof in Großschönau vorgingen: Dort waren des nachts zwei bronzene Engelsstatuen, 60 Zentimeter und 1,20 Meter hoch, aus ihren Verankerungen gerissen und weggeschafft worden.

Der große Engel stand auf einer Gemeinschaftsgrabanlage fest verschraubt auf einem zwei Meter hohen Sockel, berichtet Friedhofsmeister Lothar Hommel. Vom Sportplatz seien Gurte und von einem Nachbargrundstück ein Gartentisch geklaut worden. "Es müssen dann mehrere Leute gezogen haben, um den Engel zu stürzen", so Hommel.

An den Bronzeengel vom Friedhof in Großschönau erinnert nur noch eine Fotokopie.
An den Bronzeengel vom Friedhof in Großschönau erinnert nur noch eine Fotokopie. Bildrechte: Kirchgemeinde Großschönau

Grabstättenversicherung ist möglich

Laut Polizeibericht entstand ein Gesamtschaden in Höhe von mehr als 20.000 Euro. Eine Versicherung greife hier nicht, verneint der Friedhofsmeister. "Denn die Figur stand im Freien. Es lag kein Einbruch vor." Theoretisch könnte man sein Grab über eine private Versicherung absichern, weiß Hommel. Ihm persönlich sei aber kein Fall bekannt.

Auch wenn einige Unternehmen Grabstättenversicherungen anbieten, rät der Bund der Versicherten von so einem Abschluss ab. "Aus unserer Sicht sind die Kosten im Vergleich zur zu erwartenden Leistung zu hoch. Daher empfehlen wir eine alternative Art der Absicherung, beispielsweise durch die Bildung einer finanziellen Rücklage für gegebenenfalls entstehende Schadenkosten", erklärt Julia Alice Böhne, Sprecherin der Verbraucherschutzorganisation.

Aus unserer Sicht sind die Kosten einer Grabstättenversicherung im Vergleich zur zu erwartenden Leistung zu hoch.

Julia Alice Böhne Bund der Versicherten

Von einem Grab auf dem städtischen Friedhof in Görlitz ist kürzlich einer bronzener Baum gestohlen worden. Der habe sehr viel Geld gekostet, sagt Friedhofsleiterin Evelyn Mühle mit großem Bedauern. "Das war eine teuer angelegte Grabstelle."

Wildkamera ans Grab zur Überwachung?

Diebstähle ganz zu verhindern sei auf dem Friedhof in Görlitz mit seinen 30 Hektar Fläche nicht möglich, so Mühle. Aber jeder könne dazu beitragen, es den Dieben nicht einfach zu machen, indem er etwas Obacht gibt. Auch gibt die Friedhofsleiterin den Tipp, ein Foto von der Grabstätte zu machen. Denn sollte es zu einem Diebstahl kommen, erleichtere das die Ermittlungsarbeit der Polizei.

Auch auf dem Taucherfriedhof in Bautzen hat man sich Gedanken darüber gemacht, welche Vorkehrungen sinnvoll sein könnten. "Wir haben ein paar Sachen gesichert, wenn Figuren wackeln, lagern wir sie ein. Aber man kann ja nicht alles abbauen. Das ist kein schönes Friedhofsbild", sagt Eckardt. Theoretisch könnte man auch eine Wildkamera ans Grab stellen. "Die rechtliche Lage gibt es her", meint der Friedhofsverwalter. Man habe sogar mit dem Gedanken gespielt, Wildkameras an den Eingängen zum Friedhof aufzustellen.

Polizei stellte Tatverdächtigen

In einer Sache hatte der Taucherfriedhof Glück: Die Polizei konnte beim zweiten Diebstahl im März einen Tatverdächtigen dingfest machen. Im Kofferraum eines laut Einsatzbericht unter Drogen stehenden Mannes fanden die Polizisten eine 60 mal 70 Zentimeter große Wandplatte aus Bronze und eine Grabumrandung aus Kupfer.

Die Platte liegt nun als Beweismittel bei der Staatsanwaltschaft Görlitz. Friedhofsverwalter Eckardt befürchtet, dass es sehr lange dauern könnte, bis die Platte mit der Grabinschrift wieder an ihren angestammten Platz kann. Für die Angehörigen sei es sehr aber wichtig, dass sie möglichst schnell wieder da ist. Sie fragten immer wieder nach.

MDR (czw/ama)

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | Regionalreport aus dem Studio Bautzen | 05. Juni 2023 | 16:30 Uhr

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