Kritik Afrikanische Schweinepest: Sachsen hofft auf neues Schutzkonzept
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29. Dezember 2022, 14:08 Uhr
Seit Ende 2020 tritt die Afrikanische Schweinepest (ASP) immer wieder in Sachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern auf. Einzelfälle gab es laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auch in Niedersachsen und Baden-Württemberg. Sachsen investiert jährlich rund 18 Millionen Euro in die Eindämmung der Tierseuche. Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping fordert vom Bund mehr Hilfe und ein neues Schutzkonzept von der Europäischen Union.
- Sachsens Gesundheitsministerin Köpping fordert mehr Hilfe vom Bund zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest.
- Die Europäische Union macht keinen Unterschied zwischen Wild- und Hausschweinen bei ihren Vorgaben.
- Die Verhandlungen mit der EU über die Anpassung der Richtlinien sind langwierig.
Die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping hat mangelnde Unterstützung des Bundes im Kampf gegen die Afrikanische Schweinepest (ASP) beklagt. "Da muss es mehr Zusammenarbeit geben", sagte die SPD-Politikerin.
Es sei eine nationale Aufgabe. "Wir schützen mit unseren Maßnahmen auch Länder wie Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen oder Bayern, damit die Schweinepest nicht zu ihnen kommt."
Doch die Bundesregierung lehnt eine finanzielle Unterstützung bisher ab, sieht sich dafür nicht zuständig. Die anderen Länder zeigen sich gesprächsbereiter. 2020 zahlten sie den betroffenen Ländern bereits vier Millionen Euro.
Im Sozialministerium hofft man, dass es nachträglich auch für 2021 und 2022 eine ähnliche Unterstützung geben wird. Den Großteil der Kosten wird aber auch in den nächsten Jahren Sachsen allein tragen müssen.
Kosten in Sachsen: mehr als 18 Millionen Euro jährlich
Die Kosten, die der Freistaat jährlich für die Bekämpfung der Schweinepest ausgibt, sind beträchtlich. "Sachsen hat in diesem Jahr bereits 18 Millionen Euro ausgegeben, auch im nächsten Jahr werden die Ausgaben nicht geringer. Nur etwa eine Million Euro kam bisher von der Europäischen Kommission zurück", sagte Köpping.
Durch Zäune, Abschuss von Wildschweinen und die Suche nach Kadavern sowie ein Landeszentrum zur Bekämpfung der Tierseuche sei eine weitere Ausbreitung verhindert worden, sagte Köpping. "Ich halte es auch für einen großen Erfolg, dass es in Sachsen bislang keinen Ausbruch der Infektion bei Hausschweinen gab."
EU: kein Unterschied zwischen Wild- und Hausschweinen
Die Europäische Union unterscheidet bei ihren Schutzvorgaben nicht, ob die Seuche bei einem Hausschwein in einem Betrieb oder bei einem Wildschwein in freier Natur auftritt. Das bereitet den Schweinemastbetrieben in Ostsachsen große Sorgen.
Denn um einen Seuchenfall herum wird eine zehn Kilometer Restriktionszone gezogen, welche zusätzliche Schutzregeln und Vermarktungsbeschränkungen für die Betriebe mitbringt. Das heißt massive Eingriffe in die Abläufe, zusätzlichen Kosten, da alle Tiere auf die Seuche getestet werden müssen und ein Image-Schaden. Es finden sich weniger Abnehmer für das sächsische Schweinefleisch, das kaum noch von Schlachthöfen angenommen wird.
Bauernverband: Kontakt zu Hausschweinen unmöglich
Der Vizepräsident des sächsischen Bauernverbandes, Gunther Zschommler, versichert, dass die sächsischen Schweinehöfe sicher seien. Ein Kontakt von Wild- und Hausschwein sei in Sachsen unmöglich.
Das müsse sich auch in den Verordnungen niederschlagen, sagt Zschommler: "Wenn es uns gelingt, politisch zu akzeptieren, dass die Afrikanische Schweinepest derzeit bei den Wildschweinen kursiert und die Hausschweine sogar freigetestet sind, müsste ja jeder normal denkende Mensch davon ausgehen, dass es derzeit nichts Sichereres als die Hausschweine gibt."
Verhandlungen mit Brüssel sind langwierig
Auch das sächsische Sozialministerium sieht, dass die Regelungen am Ziel vorbeiführen. Sachsens Sozialministerin Köpping und Staatssekretär Sebastian Vogel waren daher im Herbst in Brüssel, um auf eine Neubewertung der Maßnahmen hinzuwirken. Es solle den örtlichen Behörden überlassen werden, die Maßnahmen der Situation entsprechend anzupassen.
Staatssekretär Vogel spricht von einem langwierigen Austausch mit der EU: "Das heißt, die EU will Anfang des Jahres sich auch noch einmal die Bekämpfungsmaßnahmen in Ostdeutschland, auch in Sachsen anschauen. Mit dem Blick darauf, dass wir über vier bis fünf Jahre eine Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest hier in Sachsen sehen, sind wir froh, wenn wir in den nächsten Jahren genau diese Differenzierung hinbekommen."
Wildschwein-Population in Sachsen zurückgegangen
Auch Sachsens Jäger bemerken, wie die Krankheit die Wildschweine dezimiert, berichtet Wilhelm Bernstein, Vizepräsident des Landesjagdverbands. So wurden in der Jagdsaison 20/21 noch über 40.000 Tiere geschossen. In der Saison 21/22 waren es nur noch 30.000. "Das, was ich aus den Jägerschaften höre, ist ja fast alarmierend. Wir haben kaum noch Schweine auf der Strecke. Die Drückjagdsaison ist im vollen Gang und wir haben relativ wenig Schweine, sodass wir wahrscheinlich noch unter die 30.000 vom letzten Jahr kommen werden."
Dabei motiviert der Freistaat die Jägerschaft mit finanzieller Unterstützung, finanziert Drohnen, Desinfektionsmittel, Jagdfallen. In den Landkreisen Görlitz, Bautzen und Meißen mit bestätigten Schweinepestfällen gibt es zusätzlich noch eine Abschussprämie von 150 Euro. Das Ziel ist ganz klar: Es sollen alle Wildschweine in den Gebieten erlegt werden. Denn infizierte Tiere können nicht von gesunden unterschieden werden. So würden am Ende früher oder später alle Tiere erkranken.
Sachsen hat bis kurz vor Weihnachten 1.803 amtliche Nachweise von ASP gezählt. Der Landkreis Görlitz ist mit 1.266 Fällen am stärksten betroffen, danach der Landkreis Bautzen mit 463 und der Landkreis Meißen mit 74 Fällen.
MDR (tfr)/dpa
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 25. Dezember 2022 | 06:00 Uhr