#LTWLSA-Landtagswahl-Update | Freitag, 9. Juli 2021 Erster Schritt für Schwarz-Rot-Gelb
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09. Juli 2021, 18:39 Uhr
Das Update zur Landtagswahl geht weiter. In Ausgabe 26 schauen wir auf CDU, SPD und FDP. Deren Spitzen wollen nämlich Koalitionsverhandlungen aufnehmen. Die Grünen sind außen vor. Außerdem geht es um den neuen Landtagspräsidenten und alte Finanzprobleme.
Guten Abend liebe Politikinteressierte,
Bekommt Sachsen-Anhalt schon wieder eine Koalition, wie es sie so noch nicht gab? Geht es nach den Spitzen von CDU, SPD und FDP dann: Ja. Am Mittwoch verkündeten sie auf einer Pressekonferenz, dass man eine Vor-Einigung erzielt habe. Vorher hatte man wochenlang sondiert. Nun müssen noch die Parteien überzeugt werden, bevor über die erste schwarz-rot-gelbe Koalition in einem ostdeutschen Bundesland verhandelt wird. (In der alten BRD gab es so ein Bündnis in den 50ern zweimal.)
CDU-Landeschef Sven Schulze glaubt, die drei Partner könnten "dem Land gut tun". Außen vor sind nun die Grünen.
Mit dem Wie und Warum der Entscheidung beschäftigen wir uns in diesem Update. Außerdem schauen wir auf die ersten Ergebnisse aus dem neuen Landtag, auf klamme Kommunen im Land und auf den Fahrplan bis zu einer neuen Regierung.
Schön, dass Sie wieder dabei sind.
Hintergründe und Aktuelles zur Landtagswahl – unser multimediales Update
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Die Woche kompakt
Wir beginnen im neuen Landtag:
- Gunnar Schellenberger ist der neue Landtagspräsident von Sachsen-Anhalt. Der CDU-Abgeordnete aus Schönebeck erhielt in der ersten Sitzung des neuen Landtags 64 Ja-Stimmen aus den Reihen der 97 Abgeordneten. Es gab 30 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen. Deutlich knapper fielen die Ergebnisse für Schellenbergers Stellvertreter aus: die bisherige CDU-Justizministerin Anne-Marie Keding und der Linken-Politiker Wulf Gallert. AfD-Kandidat Matthias Büttner fiel, wie erwartet, gleich ganz durch. Seine Fraktion überlegt nun, ob sie einen neuen Kandidaten aufstellt.
- Der Ältestenrat des neuen Landtags hat auch die Rollen in den Ausschüssen neu verteilt: Die AfD bekommt den Vorsitz über den Justizausschuss hinzu, die FDP leitet künftig den Umweltausschuss. Nur die Grünen gehen leer aus. Die "Mitteldeutsche Zeitung" (€) berichtet über die genaue Aufteilung.
- Drei Viertel der Kommunen im Land wollen Steuern und Gebühren erhöhen. Das hat eine Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young ergeben. Der Grund dafür ist immer derselbe – Ausfälle durch die Corona-Pandemie –, die angedachten Maßnahmen aber von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Im Gespräch ist wahlweise die Erhöhung der Wasserpreise oder der Abgaben für Müllabfuhr, Straßenreinigung, Parken und Kinderbetreuung. Kürzungen soll es beispielsweise bei Jugendbetreuung, Seniorenarbeit oder Hallen- bzw. Freibädern geben.
- Die Rundfunkkommission der Länder arbeitet derzeit an einer Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Favorisiert wird eine Reduktion von ARD und ZDF auf die beiden Kernsender plus die sogenannten Dritten wie den MDR. Spartenprogramm gäbe es dann nur noch im Internet. Das schreibt Sachsen-Anhalts amtierender Staatsminister, Rainer Robra (CDU), in einem Gastbeitrag in der "FAZ" (€). Für die den anstehenden Koalitionsverhandlungen gibt es allerdings noch keine gemeinsame Position von CDU, SPD und FDP.
Bevor wir nun ausführlich auf die Sondierungsgespräche und mögliche Koalitionsverhandlungen schauen, löse ich noch ein Versprechen ein. Wer ist Konstantin Pott, der jüngste Abgeordnete im Landtag? Die Antwort zur Frage der vergangenen Woche liefere ich Ihnen in einem kleinen Portrait. Außerdem stelle ich Ihnen dort Potts Kollegen Sven Rosomokiewicz (CDU) und Susan Sziborra-Seidlitz (Grüne) vor.
Das Zitat der Woche
Man hat uns das Gefühl gegeben, gebraucht zu werden.
Warum wäre die FDP-Spitze überhaupt zu einer Koalition bereit, wenn doch CDU und SPD bereits alleine eine Mehrheit im Landtag haben? Das ist eine Frage, der sich Lydia Hüskens auch auf der Pressekonferenz am Mittwoch wieder stellen musste. Sie selbst hatte am Wahlabend eine solche Koalition noch ausgeschlossen, später sich doch zu Gesprächen bereit erklärt. Jetzt gibt sie sich überzeugt: Ihre Partei werde gebraucht. So soll in den Sondierungen der FDP angeboten worden sein, dass sie nicht überstimmt werden kann.
Eine Diskussion gibt es derweil darüber, warum vor allem der neuen 40-köpfigen CDU-Fraktion nicht zu trauen sei. Manche erklären das mit einer Handvoll erfahrener Abgeordneter, die einen Groll gegen Reiner Haseloff hegen könnten. Andere, wie der Journalist Detlef Esslinger in der "Süddeutschen Zeitung" gerade, mit der Nähe einiger Abgeordneter zu Positionen der AfD.
Der CDU-Landesvorsitzende Sven Schulze versuchte sich beim MDR noch an einer weiteren Erklärung: Die Fraktion stehe, inhaltlich könne einer Dreierkoalition aber stärker aufgestellt sein. Außerdem bestünde die Mehrheit weiter, selbst dann, wenn eine Abgeordnete mal krank sei.
Kommen wir nun aber zu den Inhalten der Sondierungsgespräche.
Die Geschichte der Woche
Ebenso wichtig wie die Frage, ob sich CDU, SPD und FDP einigen können, ist die Frage, worauf sie sich denn einigen. Am Mittwoch gab es da einige wenige Einblicke. So stehen folgende Ziele wohl bereits fest:
- klamme Kommunen langfristig finanziell absichern
- Investitionen in der Gesundheitsversorgung
- Fortführung von Infrastrukturprojekten wie dem Ausbau der A14
- Corona-Hilfen für die Wirtschaft
- Abbau von Bürokratie bei der Vergabe von Fördermitteln
- bessere Kommunikation zwischen Behörden und Gesellschaft
- Weiterentwicklung der beiden Landesprogramme zur Demokratieförderung
- Erhalt von schwarz-rot-grünen Projekten wie dem Kinderförderungsgesetz (also die finanzielle Entlastung der Eltern bei der Betreuung in der Kita)
- schnellerer Waldumbau
Auch beim sogenannten Vergabe- und Tariftreuegesetz soll es eine Einigung geben. Genauer wurde man nicht. Die SPD hatte hier einen höheren Mindestlohn für öffentliche Aufträge gefordert. CDU und FDP hatten das bislang abgelehnt. Insgesamt, so Sven Schulze, gebe es "keinen Knackpunkt, der unlösbar ist". Das sagte er allerdings bevor der Wirtschaftsflügel der CDU-Fraktion Widerstand gegen das Vorhaben ankündigte, wie die "Volksstimme" berichtet.
SPD-Mitverhandler Andreas Dittmann nannte später noch weitere Punkte aus der Einigung. So sollen sowohl die Gemeinsschaftschulen als auch alle Krankenhausstandorte im Land erhalten bleiben. Konkret wurde Dittmann beim Finanzausgleich für die Kommunen: Der soll von bislang 1,628 Milliarden Euro pro Jahr auf 1,72 Milliarden angehoben und ab 2024 neu ausgerechnet werden.
Der grüne Finanzpolitiker Olaf Meister kommentierte zu Letzterem auf Twitter: Das ist kein Verhandlungserfolg. Die Anhebung sei lediglich "der vom Finanzministerium errechnete Wert zur verfassungskonformen Finanzierung der Kommunen".
Aber überhaupt, die Grünen. Es gibt unterschiedliche Erzählungen darüber, wie offen die Partei in die Sondierungen gegangen ist. Zumindest am Freitag vor einer Woche war noch von großen Problemen, aber auch von viel Kompromissbereitschaft die Rede. Sven Schulze dankte den Grünen auch am Mittwoch für das "angenehme Gesprächsklima".
Die Grünen wiederum erklärten zeitgleich per Pressemitteillung: "Konstruktive Gespräche ersetzen keine Einigung in der Sache. (…) mit der CDU (ist) kein verbindlicher Klimaschutz möglich ist." Der Ko-Landesvorsitzende Sebastian Striegel bekräftigte das anschließend im Interview mit dem MDR:
Die Frage der Woche
Im Vorfeld der Pressekonferenz am Mittwoch wurde bereits darüber spekuliert, wie lange es denn noch dauern kann, bis eine neue Koalition und damit eine neue Landesregierung steht. Weil die Mitglieder der Parteien teils mit einbezogen werden müssen, gehen manche Beobachtende sogar davon aus, dass es sich bis nach der Bundestagswahl Ende September ziehen könnte. Aber wäre das ein vertretbares Szenario für die Menschen im Land?
Wir haben deshalb die MDRfragt-Gemeinschaft in dieser Woche gefragt:
Wie viel Zeit sollten sich die Parteien noch lassen, bis eine Regierung steht?
Das Ergebnis fiel deutlich aus.
Geht es nach zwei Dritteln der Befragten, dann sollen die Parteien auf die Tube drücken. Sie wünschen sich schon in den kommenden Wochen eine neue Koalition. Nur jeder bzw. jede Sechste würde den Verhandelnden so viel Zeit zugestehen, wie sie eben brauchen, bis ein Vertrag steht. An der Umfrage haben 4.869 Menschen teilgenommen. Das Ergebnis ist wie immer nicht repräsentativ aber gewichtet.
Viele haben auch die Gelegenheit genutzt, ihre Haltung mit einem Kommentar zu begründen. Nachfolgend bilden wir die Debatte in Auszügen ab. Zahlreiche Teilnehmenden fordern die Partei zu weniger Taktieren und mehr Mut zum Streit auf:
Die Regierungsbildung in Sachsen-Anhalt sollte vor der Bundestagswahl abgeschlossen sein. Ein Abwarten, wie sich die zukünftig Bundespolitik/-regierung positioniert, wäre ein falsches Signal an die Bürgerinnen und Bürger unseres Bundeslandes.
Politik muss zuverlässig sein, auch zur Bildung einer neuen Regierung. Ewiges Taktieren gibt Anlass zur Politikverdrossenheit.
Die spielen seit Jahren im gleichen Kasten. Was dauert da so lange? Kein Wunder das hier nichts voran geht.
Es handelt sich nicht um die UNO. Die Verhandlungsparteien kennen sich. Sie sollten sich aus Verantwortung für Sachsen-Anhalt endlich an die Arbeit machen. Von der Politik wird eine Harmonie erwartet, die es in keiner Familie gibt. Streit aber gehört zur Demokratie, so lange es um die Sache geht.
Kreativ wurden die Teilnehmenden auch, wenn es darum geht, wie das Ganze denn anders organisiert werden könnte:
Eine Befragung der Mitglieder hätte bereits im Vorfeld, unmittelbar nach der Wahl, stattfinden müssen. Das ist alles viel zu viel hin und her.
Die Öffentlichkeit ist stark an den Verhandlungen interessiert. Die Gespräche sollten nicht hinter 'verschlossenen Türen' stattfinden.
Es sollte im Wahlgesetz eine konkrete Frist geben. Die Parteien müssen gezwungen werden, ergebnisorientiert miteinander zu verhandeln.
Die Frist müsste auf maximal sechs Wochen begrenzt werden.
Der letzte Teilnehmer trifft einen wunden Punkt: Vor der Parlamentsreform in der letzten Legislatur musste tatsächlich binnen sechs Wochen nach der Wahl ein Ministerpräsident bzw. eine -präsidentin gewählt werden. Die Erfahrung aus 2016 war aber, dass diese Zeit zu kurz sein kann, wenn sich Parteien erst neu finden müssen. So war es bei Schwarz-Rot-Grün. Die Parteien konnten in über 40 Punkten nur Prüfaufträge vereinbaren. Das Ergebnis ist bekannt.
Andere sehen den Prozess gelassener. Sie verweisen auch darauf, dass die Amtsgeschäfte auch ohne neue Regierung fortgeführt werden.
Die Pandemielage birgt zwar gewisse Anforderungen an das exekutive Handeln, das kann aber für eine gewisse Zeit sicher auch die geschäftsführende 'alte' Regierung erfüllen.
Es müssen Kompromisse gefunden werden. Das dauert seine Zeit. Besser eine stabile Regierung als am Ende ein Scherbenhaufen.
Wichtig ist, sauber einen guten Koalitionsvertrag auszuhandeln, der ordentlich abgearbeitet werden kann. Dann lässt sich die verstrichene Zeit auch wieder reinholen.
Schließlich sind da noch diejenigen, denen die jetzigen Optionen nicht gefallen. Sie wünschen sich mal mehr oder weniger offen eine Zusammenarbeit von CDU und AfD.
Es sollten die Parteien eine Regierung bilden, die die meisten Stimmen bekommen haben. Und nicht eine SPD, die keiner gewählt hat.
Fraglich ist nur, ob dasselbe Argument ins Felde geführt würde, hätte die Linkspartei den zweiten Platz geholt. Deren Spitzenpolitikerin Eva von Angern drängt nun ebenfalls auf Eile:
Was jetzt politisch wichtig wird
Die drei möglichen Koalitionspartner müssen jetzt noch intern ihre Partei von Verhandlungen überzeugen. Dazu sollen die bisherigen Ergebnisse noch stärker im Detail besprochen werden. Noch an diesem Wochenende treffen sich der Landesvorstand und der sogenannte Parteirat der SPD. In Letzterem organisieren sich die Kreisverbände. FDP und CDU haben jeweils am kommenden Dienstag bzw. Donnerstag eine Landesvorstandssitzung.
Als einzige Partei muss bei der SPD ein Parteitag offiziell über die Aufnahme von Verhandlungen entscheiden. Dieser findet am kommenden Freitag statt. Es zeichnet sich eine enge Entscheidung ab. Zwar gibt es auch einige Befürworter der neuen Koalitionsoption. Im Vorfeld haben sich aber bereits zwei Unterorganisationen der Partei, die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen und die Jusos in Halle, offen gegen eine Zusammenarbeit mit der FDP positioniert. Mehrere Ortsverbände im Kreis Anhalt-Bitterfeld wollen zudem gleich ganz in die Opposition.
Wir werden uns also in den kommenden Tagen mit der Frage beschäftigen müssen, ob die SPD-Parteispitze sich tatsächlich durchsetzen kann.
Zum Schluss
… habe ich noch eine Neuerung für Sie: Weil der Landtag eben erst im September wieder zusammenkommt und sich der Kalender bis dahin vor allem nur mit den möglichen Koalitionsverhandlungen füllt, reduzieren wir den Rhythmus. Bis eine neue Landesregierung steht und gewählt wurde, erscheint das Update nun alle zwei Wochen. Ich hoffe, das findet Ihr Verständnis. Tagesaktuell informieren wir Sie natürlich auf allen Kanälen des MDR weiter; vollumfänglich, wie Sie es von uns gewohnt sind.
Bis dahin möchte ich Sie dazu einladen, mir zu schreiben, was Sie von den bislang bekannt gewordenen Einigungen von CDU, SPD und FDP halten. Kündigt sich da ein großer Wurf an oder eher nicht? Ich bin gespannt. Das Meinungsbild gibt es dann in der nächsten Ausgabe.
Also, wir lesen uns in zwei Wochen wieder. Bleiben Sie gesund und munter.
Thomas Vorreyer
MDR/Thomas Vorreyer
Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT Heute | 09. Juli 2021 | 19:00 Uhr
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