Erstmals in den Landtag gewählt Das wollen Sachsen-Anhalts neue Abgeordnete für das Land erreichen
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05. Juli 2021, 18:39 Uhr
Mit der Landtagswahl hat sich das Parlament stark verändert. Rund die Hälfte aller Abgeordneten zieht erstmals in den Landtag ein. Vor der ersten Landtagssitzung am Dienstag stellt MDR SACHSEN-ANHALT drei neu gewählte Abgeordnete vor: Was Bürgermeister Sven Rosomkiewicz (CDU), Student Konstantin Pott (FDP) und Krankenschwester Susan Sziborra-Seidlitz (Grüne) für die nächsten fünf Jahre vorhaben.
Sven Rosomkiewicz: Der Kommunalpolitiker von der CDU
Eine Karte, die Sven Rosomkiewicz ziemlich glücklich macht, zeigt 20 nebeneinanderliegende Vierecke. Es sind die Grundstücke eines neuen Wohngebiets, das im Dorf Borne im Salzlandkreis entstehen soll. Zwölf sind schon reserviert. Das Geld für die Anlage kommt von einem Investor, der hier einen Windpark betreibt.
Rosomkiewicz führt die Interessenten persönlich herum. Er ist seit sechs Jahren der Bürgermeister von Borne und kann Zuzug gut gebrauchen: In den nächsten zehn Jahren droht "sein" Dorf unter die Marke von 1.000 Einwohnenden zu rutschen. Dann müsste sich mit einer anderen Dorf zusammenschließen. "Ich tue alles dafür, dass es so weit nicht kommt", sagt Rosomkiewicz.
Alles bedeutet, dass er überall mitmischt, wo man nur mitmischen kann. Der CDU-Politiker sitzt neben seinem Ehrenamt auch im Verbandsgemeinderat, im Kreistag und seit der Landtagswahl auch im Landtag in Magdeburg. Da, wo die ganz wichtigen Sachen für kleine, klamme Kommunen wie Borne entschieden werden. Schließlich brauche es bessere Kommunalfinanzen, eine bessere Löschwasserversorgung und keinen Investitionsstau bei den Straßen.
Im Wahlkampf hat er "Bürgermeister Sven Rosomkiewicz" plakatiert und zugleich versprochen, alle Ämter weiterführen zu wollen. "Mir ist es wichtig, an der Basis zu bleiben", sagt er.
Rosomkiewicz wirkt zahlenverliebt, kann minutenlang über Kommunalwahlen und Abstimmungsverhalten referieren. Kein Wunder: Er hat zuletzt als Personalcontroller für einen Automobilkonzern in Braunschweig gearbeitet, pendelte, stand morgens um 4:30 auf, um mit dem Auto nach Magdeburg zur Fahrgemeinschaft zu fahren. Abends zurück.
Gerne wäre er für die CDU-Fraktion in den Haushaltausschuss gegangen, nun sitzt er aber im Innen- und Sportausschuss. Er wünscht sich mehr Präsenz der Polizei. In seiner Jugend habe noch Angst haben müssen, dass jederzeit ein Streifenwagen am Dorfplatz halten würde. "Heute sieht man die Polizei auf dem Dorf gar nicht mehr."
Weil der Wahlkreis Staßfurt eine AfD-Hochburg ist, haben vor der Landtagswahl auch Medien aus Berlin auf das Rennen zwischen Sven Rosomkiewicz und den bisherigen direkt gewählten Abgeordneten, Matthias Büttner von der AfD, geschaut.
Im strukturschwachen Salzlandkreis sei die AfD ein "Protestsammelbecken", so Rosomkiewicz. Am Ende holte die in Teilen rechtsextreme Partei in Staßfurt 28 Prozent der Zweitstimmen, ihr landesweit bestes Ergebnis. Rosomkiewicz hat sich dennoch knapp gegen Büttner durchgesetzt.
Das Wahlergebnis habe gezeigt, dass es wichtig sei, weiterhin eine konservative Linie zu verfolgen, sagt Rosomkiewicz heute. Für das Land wünscht er sich eine Koalition von CDU, SPD und FDP.
Konstantin Pott: Der junge Liberale
Er ist jetzt der Jüngste: Der 23-jährige Konstantin Pott war am Wahlabend der letzte Abgeordnete der FDP, der den Sprung in den neuen Landtag geschafft hat. Hier ist der Liberale nun der Einzige unter 30. Auch deshalb, sagt Pott bei einer Limo in Magdeburg einige Wochen später, möchte er eine Stimme der Jugend sein.
"Viele Studenten und Azubis fühlen sich allein gelassen", so Pott. "Ich will in Zukunft dazwischen grätschen, wenn ihre Perspektive fehlt." Als Beispiel nennt er die Corona-Krise. Für ihn ging es nicht an, dass Schulen offen blieben, Hörsäle aber nicht. Pott selbst steht kurz vor Vollendung seines Bachelor-Studiums der Politik- und Wirtschaftswissenschaften.
Der Neu-Abgeordnete spricht ruhig, manchmal bedächtig, meistens gefestigt. Auf Social Media postete er aber auch mal, dass er jetzt "Bock auf Bier und Party" habe, als sich der Lockdown hinzog. Ein "Stock im Arsch" bringe als Politiker auch nichts, meint er. Dass die FDP bei der Landtagswahl überdurchschnittlich gut bei jungen Wählern abschnitt, erklärt Pott sich mit der "richtigen Ansprache bei Zukunftsthemen" wie Digitalisierung und Bildung.
Im Wahlkampf war die FDP zudem mit mehreren jungen Kandierenden Anfang 20 aufgefallen. Am Ende hat es Pott als einziger von ihnen in den Landtag geschafft. Dennoch sagt er: "Darauf müssen wir jetzt aufbauen."
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Dass es in Sachsen-Anhalts Politik generell so wenige junge Menschen gebe, das hängt seiner Meinung nach auch mit dem Wegzug vieler aus dem Land zusammen. Erfolgreiche Politik aber brauche Zeit und Netzwerke, sagt Pott. Er selbst wollte nah bei der Familie bleiben, ging nach einem FSJ bei den Johannitern also nach Halle an die MLU.
2021 hat Pott nicht zum ersten Mal für den Landtag kandidiert. Mit 18 war er noch für die Freien Wähler angetreten. Ein Jahr und eine längere parteilose Pause später orientiert er sich um, trat nach der Bundestagswahl 2017 in seine heutige Partei ein. "Bei der FDP war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort", sagt Pott. Jetzt wolle er sich in die Arbeit als Abgeordneter stürzen.
Susan Sziborra-Seidlitz: grüne Krankenschwester und Landesvorsitzende
Den guten Umfragewerte will sie nicht geglaubt haben. Dass ihre Partei allerdings bei der Landtagswahl im Juni beinahe auf der Stelle trat, hatte auch Susan Sziborra-Seidlitz nicht erwartet. Weil die Grünen nur 0,7 Prozentpunkte zulegen konnten, ist die Stadträtin aus Quedlinburg heute die einzige neue Abgeordnete in der Fraktion. Sie selbst nennt sich die "Azubine".
Sziborra-Seidlitz hat als Treffpunkt die Landeszentrale ihrer Partei vorgeschlagen. Hier ist sie seit fünf Jahren als eine von zwei Landesvorsitzenden oft. Hier braucht es jetzt ihre Erfahrung mit "schwierigen Situationen" wie dieser: Bei der Landtagswahl vor fünf Jahren war sie selbst ganz knapp am Einzug gescheitert. Man müsse auch das Positive sehen, sagt sie: "Wir haben eine Kernwählerschaft wieder erreicht und Stimmen dazugewonnen."
Für Sachsen-Anhalt will sie jetzt einen Neustart nach der Corona-Pandemie erreichen: wirtschaftlich, kulturell, in der Bildung. Außerdem müsse man sich dringend stärker mit dem Klimaschutz auseinander setzen. "Wir müssen uns als Land in die Spur machen", sagt die Grüne mit Blick auf die lange Dürrezeit in den Böden der Börde. Zunehmende Hitzetage hätten zudem zahlreiche Folgen: hitzefrei in den Schulen, aber auch zahlreiche dehydrierte Notfälle in Krankenhäusern. Mit Letzteren kennt sie sich aus.
Sziborra-Seidlitz’ eigentlicher Beruf ist in der Krankenpflege. Mitte März, mit Beginn der heißen Wahlkampfphase, hatte sie ihren letzten Tag im Klinikum. Für ihre politische Arbeit sei der Beruf aber weiterhin prägend, sagt sie: "Ich bin halt eine Krankenschwester, die jetzt im Parlament ist, und das will ich auch bleiben." Ihre Fraktion hat Susan Sziborra-Seidlitz zur Sprecherin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Integration gewählt.
Eine andere Aufgabe teilt sie sich dort mit mehreren Kolleginnen und Kollegen: Die Grünen im sogenannten ländlichen Raum besser zu verankern. Hier schnitt man bei der Wahl vergleichsweise schlecht ab. Vielerorts lag die Partei unter der Fünf-Prozent-Hürde.
Susan Sziborra-Seidlitz – selbst ein gebürtiges Großstadtkind aus Ost-Berlin – tut sich mit dem Begriff ländlicher Raum schwer. Quedlinburg etwa, wo sie lebt und im Stadtrat aktiv ist, sei deutlich besser als an den Nahverkehr angebunden als die Nachbargemeinden. Sie sagt aber, man müsse eine neue Ansprache finden. Und man müsse stärker in den Kommunalparlamenten aktiv werden: dem Bürgermeister mal widersprechen; eine alte Allee, an der alle hängen, retten. "Daran arbeiten wir jetzt."
MDR SACHSEN-ANHALT/Thomas Vorreyer
Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT Heute | 06. Juli 2021 | 19:00 Uhr
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