Computertastatur mit Parteienlogos
Die Parteien sind mit unerschiedlichen Voraussetzungen in den digitalen Wahlkampf gestartet. (Symbolbild) Bildrechte: Parteien, Colourbox, MDR

Landtagswahl 2021 Parallelwelten: Wie digital Sachsen-Anhalts Parteien im Wahlkampf sind

10. Mai 2021, 13:49 Uhr

Der Wahlkampf in diesem Jahr ist ein besonderer: keine Kundgebungen auf Marktplätzen und keine großen Wahlkampfstände. Allenfalls lassen sich Werbemittel unterm Wahlvolk verteilen, denn es gilt Kontaktverbot. Also findet ein großer Teil des Wahlkampfes im Internet statt. Allerdings sind da die Parteien sehr unterschiedlich aufgestellt. Doch warum ist das so? Uli Wittstock ist dieser Frage nachgegangen.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Wenn man im Magdeburger Landtag unterwegs ist, dann fällt auf, dass alle Parteien medial aufgerüstet haben. Wenn früher Videolampen und Kamerakoffer umher standen, dann war immer auch ein Fernsehteam in der Nähe. Inzwischen jedoch machen die Parteien ihr Fernsehen selbst, denn die digitale Kommunikation im Netz gehört heute ganz selbstverständlich zur Öffentlichkeitsarbeit der Parteien und dabei spielen Videos eine große Rolle. So betreiben inzwischen alle Parteien des Landtags einen eigenen Youtube-Kanal.

Doch die Nutzerzahlen unterscheiden sich erheblich. CDU, SPD, Linke und Grüne bringen es dort jeweils auf deutlich weniger als 200 Abonnentinnen und Abonnenten. Die AfD hingegen ist hier klarer Marktführer. Rund achttausend Interessierte haben sich als regelmäßige Nutzer des Youtube-Kanals der Partei eingetragen.

Diese großen Unterschiede verwundern zunächst, lassen sich aber erklären. Claudia Nothelle ist Professorin für Fernsehjournalismus an der Hochschule Magdeburg-Stendal. Sie verweist auf eine besondere Beziehung der AfD zu ihren Wählergruppen: "Von dem, was man bisher untersucht hat, kann man darauf schließen, dass die AfD sehr lange in ihren digitalen Auftritt investiert hat. Und die Wählerschaft der AfD ist sehr gebunden an sogenannte alternative Informationsquellen im Netz. Diese Wählergruppen nutzen deutlich weniger die Hauptmedien wie den MDR, die ARD, das ZDF oder auch die Zeitungen."

AfD setzt auf eigene Medienpräsenz

Die Medienlandschaft ist den letzten Jahren vielfältiger geworden, eine Entwicklung, die ganz wesentlich durch die Digitalisierung beeinflusst wurde. Die AfD hat als vergleichsweise junge Partei sehr früh auf diese Entwicklung gesetzt. Und das zeige sich eben nun auch an dem starken Zuspruch bestimmter Gruppen von Nutzerinnen und Nutzern, erklärt Claudia Nothelle: "Es gab den Spruch in der Partei, die Leute sollen AfD schauen und nicht ARD. Damit formuliert die AfD den Anspruch, die Menschen über alles, was notwendig ist, zu informieren. So entsteht eine sehr enge Bindung an die Medien der AfD.

Die anderen Parteien erheben nicht diesen Anspruch, mit ihrer Medienpräsenz die klassischen Angebote ersetzen zu wollen. Und das zeigt sich dann eben an den deutlich geringeren Nutzungszahlen."

Thesen statt Sachthemen

Hinzu kommt, dass die sozialen Medien in ihrer Themenauswahl alles andere als sozial sind. Denn wer nicht mit Katzenvideos oder Urlaubsbildern Aufsehen erregen will, der braucht Inhalte, die sofort ins Hirn gehen und eine Reaktion hervorrufen. Und da hat die AfD eine Art politischen Standortvorteil, da die Empörung ein wichtiger Teil ihrer Strategie ist. Claudia Nothelle: "Die AfD produziert sehr starke Thesen und setzt dabei auf sehr emotionale Darstellungen. Das sorgt dann für Aufmerksamkeit im Netz.

Wenn andere Parteien versuchen, breiter zu debattieren, auch mit Sachthemen oder Zahlen zu argumentieren, dann ist das sicherlich inhaltlich der richtige Weg, der aber nicht unbedingt in den digitalen Medien funktioniert."

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Social Media als Zerrbild der Realität

Allerdings sind Youtube, Facebook, Instagram, TikTok oder Telegram kein Abbild der Realität, sondern nur ein Zerrbild. Und das liegt nicht an der Technik, sondern am Nutzungsverhalten. Der Mensch fühlt sich eben vor allem unter Gleichgesinnten wohl und das gilt auch für die sozialen Medien. Genau das macht sie für viele Menschen attraktiv, was aber zugleich für Probleme sorgt.

Medienprofessorin Nothelle erklärt die Schwierigkeit so: "Am Arbeitsplatz, in der Schule oder in der Nachbarschaft treffe ich viele andere Menschen, die oft eine andere Meinung haben als ich. Wenn ich aber im Digitalen unterwegs bin, dann folge ich nur denen, die ich gut finde und die eine ähnliche Meinung haben wie ich. Und wenn dann am Wahlabend nur zwanzig Prozent für meine Partei herauskommen, obwohl doch über achtzig Prozent meiner Social-Media-Freunde politisch so denken wie ich, dann wundere ich mich." Von dieser Verwunderung ist es dann nicht weit bis zur Vermutung, es könne sich doch nur um einen Wahlbetrug handeln.

Blick über den digitalen Gartenzaun

Doch es gibt noch ein weiteres Problem, das in diesem Jahr durch Corona besonders verstärkt wird, nämlich das Fehlen von direkten Kontakten im Straßenwahlkampf. Am Wahlkampfstand kann man auch jene Menschen erreichen, die sich sonst eher weniger für Politik interessieren oder aber eigentlich andere Parteien wählen. Digital ist das deutlich schwieriger, so Claudia Nothelle: "Ich bin als eine Partei, sagen wir mal die Grünen, im Netz unterwegs und will anderen Parteien, wie zum Beispiel der SPD oder der CDU Stimmen abjagen. Da stellt sich nun die Frage: Wie erreiche ich denn deren Anhänger? Wie komme ich in die jeweilige Bubble rein? Das ist im realen Leben eben viel einfacher, weil da doch überraschende Begegnungen stattfinden. Digital ist so etwas deutlich schwieriger."

Bleibt also die Aufforderung, auch mal über den digitalen Gartenzaun hinauszublicken. Die richtige Welt trifft man spätestens auf dem Weg zum Wahllokal, und nach 18 Uhr wird sich zeigen, welche Partei es geschafft hat, mit ihren Angeboten auch digital die Wählerinnen und Wähler zu überzeugen.

Portrait-Bild von Uli Wittstock
Bildrechte: Uli Wittstock/Matthias Piekacz

Über den Autor Geboren ist Uli Wittstock 1962 in Lutherstadt Wittenberg, aufgewachsen in Magdeburg. Nach dem Abitur hat er einen dreijährigen Ausflug ins Herz des Proletariats unternommen: Arbeit als Stahlschmelzer im VEB Schwermaschinenbaukombinat Ernst Thälmann. Anschließend studierte er evangelische Theologie. Nach der Wende hat er sich dem Journalismus zugewendet und ist seit 1992 beim MDR. Er schreibt regelmäßig Kolumnen und kommentiert die politische Entwicklung in Sachsen-Anhalt.

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MDR/ Uli Wittstock, Oliver Leiste

Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN-ANHALT | 06. Mai 2021 | 17:00 Uhr

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