Wahlberichterstattung mit Konzept Warum der MDR seine Planungen vorher verrät
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28. April 2021, 07:00 Uhr
Am 6. Juni wird in Sachsen-Anhalt ein neuer Landtag gewählt. Im MDR laufen nicht nur im Landesfunkhaus Magdeburg die Vorbereitungen für die Wahlberichterstattung auf Hochtouren. Wegen der Corona-Pandemie ist dieses Mal aber alles ganz anders als vor fünf Jahren. Und dann gibt es noch ganz besondere Spielregeln, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Wahlzeiten einzuhalten hat.
"Wie werden die Parteien ihren Wahlkampf bestreiten? Wie berichten wir darüber? Da gibt es ganz praktische Dinge, die sich jetzt verändert haben", sagt Ines Hoge-Lorenz, die Direktorin des MDR-Landesfunkhauses Sachsen-Anhalt im Interview mit MDR MEDIEN360G. "Wir haben früher immer den Wahlabend im Landtag verbracht und von dort gesendet. Das wird in diesem Jahr anders sein". 2021 ist das MDR-Wahlstudio auf der Magdeburger Messe, damit die Hygiene-Konzepte eingehalten werden können.
Der Wahlabend im Juni findet unter Pandemie-Bedingungen statt
"Wenn wir die Wahl-Gewinnerinnen und -Gewinner, -Verliererinnen und -Verlierer an dem Abend begrüßen wollen, müssen wir die Abstände einhalten", so Hoge-Lorenz. Auch eine "Wahlarena" ist geplant. "Die soll am 31. Mai hier im Funkhaus stattfinden mit den Spitzenkandidatinnen und Spitzenkandidaten der Parteien, die sich den Fragen der Bürgerinnen und Bürger stellen. Wir wissen im Moment aber nicht genau, ob wir das tatsächlich machen können." Denn alles hängt von der Entwicklung in Sachen Corona ab. "Es ist in Pandemie-Zeiten schon ein etwas anderer Wahlkampf, eine etwas andere Vorbereitung - und es wird auch ein anderer Wahlabend sein", sagt Hoge-Lorenz. Denn Wahlkampfveranstaltungen werden voraussichtlich digital stattfinden und es wird nur wenig Möglichkeiten für direkte Begegnungen geben.
Der MDR macht seine Planung durch das Wahlberichterstattungskonzept transparent
Was er in Sachen Wahlberichterstattung im Radio, im TV und online vor hat, veröffentlicht der MDR in einem eigenen, ausführlichen Konzept. Das macht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk kein anderer Sender so detailliert. In diesem Wahlberichterstattungskonzept finden sich alle vorab geplanten Sendungen und Angebote. Das heißt aber nicht, dass der MDR nur macht, was im Konzept steht und auf aktuelle Entwicklungen nicht mehr reagieren kann. "Wenn aktuell etwas passiert, das von journalistischem Interesse ist, kommt das selbstverständlich ins Programm, auch wenn es nicht im Konzept steht", sagt Hoge-Lorenz. "In dem Konzept geht es um bestimmte Festlegungen beispielsweise zu Wahlkampfveranstaltungen. Ansonsten sind wir natürlich bei allen aktuellen Geschehnissen dabei."
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss alle Parteien angemessen berücksichtigen
Diese Planung ist auch wegen der besonderen Spielregeln für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk bei der Berichterstattung im Vorfeld von Wahlen nötig. Denn er muss alle bei der betreffenden Wahl antretenden Parteien nach dem Prinzip der "abgestuften Chancengleichheit" angemessen berücksichtigen. Dazu werden die Parteien insbesondere nach ihrem Abschneiden bei der vorangegangenen gleichartigen Wahl, aber auch nach anderen Kriterien in verschiedene Gruppen aufgeteilt. Dazu zählen etwa ihre Beteiligung an Regierungen auf Landes- oder Bundesebene oder ihre Mitgliederzahl. So werden zum Beispiel die schon im Landtag und/oder Bundestag vertretenen Parteien einer Gruppe zugeordnet. In einer anderen Gruppe finden sich die Parteien, die zwar an der Wahl teilnehmen, denen aber kaum Chancen eingeräumt werden, über die Fünf-Prozent-Hürde zu kommen. Zwischen den verschiedenen Kategorien ist beim Umfang der Berichterstattung eine Abstufung zulässig. Innerhalb einer Kategorie müssen alle zugehörigen Parteien vergleichbar behandelt werden. Aber auch hier sind Abstufungen zulässig.
Klaus Brinkbäumer war beim Spiegel andere Spielregeln bei Wahlen gewohnt
An diese besonderen Spielregeln musste sich Klaus Brinkbäumer erst einmal gewöhnen. Er ist neuer Programmdirektor des MDR in Leipzig und damit auch für die aktuelle Berichterstattung zuständig. Früher war er Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Der Spiegel.
Als MDR "müssen wir sehr ausgewogen sein. Das bedeutet nicht, dass wir in unserer Berichterstattung eingeschränkt sind", sagt Brinkbäumer im Interview mit MDR MEDIEN360G. "Wir können journalistisch unabhängig berichten". Trotzdem gibt es große Unterschiede zu den Möglichkeiten bei Zeitungen und Zeitschriften. "Der Spiegel könnte zum Beispiel sagen: Wir ignorieren die CDU. Das tun sie nicht, sie könnten das aber. Oder sie könnten sagen: Wir ignorieren die AfD, da kommen wir der Wirklichkeit schon etwas näher. Aber wir, der MDR können nicht sagen: Die AfD bekommt weniger Raum als andere, vergleichbare Parteien. Und ich finde das richtig so."
Berichterstattung und Analyse werden durch die Vorgaben aber nicht eingeschränkt
Damit würden auch keine redaktionellen Freiheiten aufgegeben, sagt Brinkbäumer. "Wir können analysieren, wir können kommentieren." Der MDR könne beispielsweise auch sagen, wenn er Wahlprogramme für absurd hielte: "Wenn wir Fehler feststellen, berichten wir das. Es ist nur anders als das, was ich aus meinen früheren Tätigkeiten kenne. Beim "Spiegel" oder der "Zeit" konnte man sagen: Wir machen jetzt eine 28 Seiten lange Geschichte über Angela Merkel - und über sonst niemanden." So könne der MDR nicht arbeiten, so Brinkbäumer: "Wir müssen nur genauer gewichten. Das tut uns aber nicht weh."
Am 6. Juni finden in vielen Städten und Gemeinden in Sachsen-Anhalt parallel Kommunalwahlen statt. Auch hier wird der MDR mit crossmedialen Reporterteams unterwegs sein.