Landespolitiker zur Klimaklage "Empfehle, Koalitionsvertrag zu lesen"
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13. September 2021, 18:55 Uhr
Spitzenpolitiker und -politikerinnen von CDU, SPD und FDP haben überwiegend entspannt auf die Klage beim Verfassungsgericht in Karlsruhe reagiert. Die von der Umwelthilfe erhofften Sofortmaßnahmen kündigten sie nicht an, sondern verwiesen auf die bisherige Klimaschutzpolitik und weitere Vorhaben aus dem neuen Koalitionsvertrag. Linke und Grüne begrüßten die Klage. Die AfD will zunächst das Urteil abwarten.
Kurz vor Aufnahme der gemeinsamen Arbeit hat Sachsen-Anhalts neue Landesregierung von einer Klimaklage gegen das Land zumindest nach außen hin nicht verunsichern lassen. Wie MDR SACHSEN-ANHALT am Montag berichtete, hat die Umweltschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe im Namen von drei Halleschen Klimaaktivisten und -aktivistinnen eine Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erhoben. Sie wirft dem Land Versäumnisse beim Klimaschutz vor, die die Grundrechte junger Menschen künftig stark einschränken würden.
CDU-Chef Schulze: Umwelthilfe solle Klimavertrag lesen
Am Rande der Unterzeichnung des neuen Koalitionsvertrages von CDU, SPD und FDP sagte CDU-Landeschef Schulze, die Deutsche Umwelthilfe solle das neue Papier lesen. Darin würden insgesamt 84-mal das Begriffe mit dem Wort "Klima" auftauchen. Schulze ist der designierter Wirtschafts- und Landwirtschaftsminister der kommenden Regierung.
Der alte und designierte neue Ministerpräsident, Reiner Haseloff (CDU), sagte, keine Region in Europa habe seit 1990 soviel CO2-Emmissionen reduziert wie Sachsen-Anhalt. Ähnlich hatte Haseloff bereits im Landtagswahlkampf argumentiert. Ein Großteil der Einsparungen ist allerdings mit dem Wegfall vieler Industrieproduktionen seit der Wende verbunden.
Die Umwelthilfe moniert, dass es in Sachsen-Anhalt keinen verbindlichen Klimaschutz gebe. Ein Landesklimaschutzgesetz existiert nicht und findet sich auch nicht im neuen Koalitionsvertrag. Das soll nun eingeklagt werden.
SPD-Landeschefin Kleemann: Hoffnungen ruhen auf geplanten Klimaschutzgipfel
Die drei Koalitionsparteien wollen stattdessen mehr auf Akzeptanz und Bürgerbeteiligung setzen. Die Ko-Landesvorsitzende der SPD, Juliane Kleemann, erklärte, sie knüpfe große Erwartungen an einen Zukunfts- und Klimaschutzgipfel, den das Land ausrichten wolle. Andreas Schmidt, der zweite Landesvorsitzende, verwies auf die 5,65 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, die die Koalition bis 2026 einsparen wolle. Das sei in der Geschichte des Landes einmalig. Außerdem gebe es bereits ein Klima- und Energiekonzept der Landesregierung. Letzteres, so die Umwelthilfe, sei aber nicht rechtlich verbindlich.
Die SPD ist künftig für den Klima- und Umweltschutz zuständig. Der designierte Minister dafür, Armin Willingmann, wollte sich auf Anfrage aber nicht zum Thema äußern, solange er noch nicht im Amt ist.
Designierte FDP-Ministerin Hüskens: "Klimaschutz muss von Menschen im Land mitgetragen werden"
FDP-Landesvorsitzende Lydia Hüskens, die das Ministerium für Infrastruktur und Digitales übernehmen soll, sagte man setze auf "Innovationen statt Verbote". Klimaschutz müsse von den Menschen im Land getragen werden.
Amtierende grüne Umweltministerin Dalbert begrüßt Klage
Begrüßt wurde die Klimaklage von mehreren Politikerinnen und Politikern der Grünen. Die noch amtierende grüne Umweltministerin, Claudia Dalbert, verwies auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem April. Damals hatten die Verfassungsrichter einer Klimaklage gegen den Bund Recht gegeben. Damit habe Karlsruhe klar gesagt: "Wir müssen eine verbindliche Politik machen, damit wir den jungen Menschen vernünftige Lebensgrundlagen hinterlassen", so Dalbert. Das Klima- und Energiekonzept sei dafür zwar eine gute Arbeitsgrundlage, es brauche aber ein Klimaschutzgesetz.
Die Grünen haben weder in den schwarz-rot-grünen Koalitionsverhandlungen 2016 noch in den Sondierungen nach der jüngsten Landtagswahl ein Klimaschutzgesetz durchsetzen können. Die einzige Gesetzesinitiative im Landtag kam von einer grünen Landtagsfraktion. Sie scheiterte 2013.
Linke-Fraktionschefin von Angern: "Braucht wahrscheinlich genau solche Initiativen"
Auch die Linksfraktion sieht deshalb den Klageweg als probates Mittel. "Es braucht wahrscheinlich genau solche Initiativen, um voranzuschreiten", sagte Fraktionsvorsitzende Eva von Angern. In Thüringen, Berlin und Bremen gebe es ein Klimaschutzgesetz auf Landesebene. Hier regiert die Linke mit. Von Angern forderte zudem mehr Investitionen im Öffentlichen Nahverkehr und bekräftigte die Forderung ihrer Bundespartei, den Kohleausstieg von 2038 bereits auf 2030 vorzuziehen. Wichtig sei ihr aber, dass Klimaschutz auch "sozial gerecht" sei.
AfD-Umweltpolitiker Moldenhauer sieht Arbeit der Umwelthilfe kritisch
Den Kohleausstieg nicht vorzuziehen, sondern stattdessen ganz auszusetzen, hatte die AfD im Landtagswahlkampf gefordert. Vor allem hatte sie dabei die Preisentwicklung der Stromkosten im Blick. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zur Klimaklage wolle man nun aber "interessiert abwarten", sagte der neue Sprecher für Energiepolitik und Umwelt der AfD-Fraktion, Jan Moldenhauer.
Grundsätzlich sieht die AfD die Umwelthilfe kritisch. Moldenhauer verwies auch auf Forderungen aus seiner Partei, die Gemeinnützigkeit des Vereins zu prüfen. Eine solche Prüfung hatten bereits CDU und FDP auf Bundesebene angestrebt. Der Bundesgerichtshof sah aber 2019 keinen Rechtsmissbrauch vorliegen.
Umwelthilfe hatte "mutige Schritte" bereits vor einem Urteil verlangt
CDU, SPD und FDP wollen am Donnerstag im Landtag erneut Reiner Haseloff zum Ministerpräsidenten wählen. Anschließend wird das neue Landeskabinett vereidigt. Die Umwelthilfe selbst hatte ursprünglich auf eine schnellere Reaktion der künftigen Regierungsparteien gehofft.
Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch hatte mit Bekanntwerden der Klage gegen Sachsen-Anhalt "mutige Schritte" von der Politik verlangt. Sanierungen von Schulen und Kindergärten oder der flächendeckende Einsatz von Photovoltaik-Anlagen auf Dächern landeseigener Liegenschaften könnten umgehend angegangen werden, so Resch. Weil das Bundesverfassungsgericht bereits einer ähnlichen Klage gegen den Bund recht gegeben hat, rechnen die Umwelthilfe und ihre Anwälte fest mit einer Entscheidung in ihrem Sinne.
MDR/Anne-Marie Kriegel/Isabell Hartung/Thomas Vorreyer/Marc Burgemeister
Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT Heute | 13. September 2021 | 19:00 Uhr
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