Lydia Hüskens (links), Vorsitzende der FDP in Sachsen-Anhalt, Sven Schulze, Vorsitzender der CDU Sachsen-Anhalt, sowie Juliane Kleemann und Andreas Schmidt, Vorsitzende der SPD Sachsen-Anhalt, nehmen in der Staatskanzlei an einer Pressekonferenz zur Vorstellung des Entwurfs des Koalitionsvertrages von CDU, FDP und SPD Sachsen Anhalt teil.
Wollen miteinander regieren: Die Landesvorsitzenden von CDU, SPD und FDP Bildrechte: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Entwurf des Koalitionsvertrags Wie schnell CDU, SPD und FDP welche Projekte umsetzen wollen

10. August 2021, 19:00 Uhr

Sachsen-Anhalts mögliche neue schwarz-rot-gelbe Koalition hat die Prioritäten für die nächsten fünf Jahre weitestgehend verteilt. Ein Blick in den Entwurf des Koalitionsvertrags zeigt: Die Bewältigung der Corona-Pandemie und Reformen bei öffentlichen Vergaben und für den Mittelstand haben Vorrang. Debatten zu Entbürokratisierung und Kommunalfinanzen stünden später an. Bei Bildung und Klimaschutz sollen vor wichtigen Entscheidungen erstmal neue Gremien gegründet werden.

Thomas Vorreyer
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CDU, SPD und FDP haben den politischen Fahrplan der nächsten fünf Jahre in großen Teilen geregelt. Das geht aus dem Entwurf des Papiers hervor, der MDR SACHSEN-ANHALT mittlerweile vorliegt. Diese noch unredigierte Fassung umfasst 159 Seiten und wurde am Montag von den Spitzen der Parteien in Auszügen vorgestellt.

Das Papier legt an vielen Stellen bereits fest, welche Vorhaben wann umgesetzt werden sollen. Viele der darin formulierten Projekte wurden mit einem konkreten Zeitfenster versehen. Anhand dieser Ziele ließe sich etwa die Leistungsfähigkeit der Koalition messen. Die Dringlichkeit anderer Projekte wird zumindest wörtlich unterstrichen.

Neues Gutachten zum Gesundheitswesen, aber auch der Waldumbau hätten mit die höchste Priorität

"Unverzüglich" soll etwa das Planungsrecht für das Braunkohlerevier im Süden des Landes geändert werden. Die Kommunen dort könnten dann Strukturwandelprojekte einfacher in die Wege leiten. Ähnlich schnell sollen sich Beraterinnen und Berater in die Spur machen, um zu ermitteln, wie sich im Gesundheitswesen die Situation von Patienten und Personal zahlenmäßig entwickeln wird. Aufgrund dieser Daten könnten dann Gelder für Sachsen-Anhalts Krankenhauslandschaft eingeplant werden.

Ebenfalls quasi mit Regierungsantritt soll mit der Einführung der elektronischen Akte in Sachsen-Anhalts Justizwesen begonnen werden. Angestrebter Abschluss: bis 2025. So steht es zumindest im Entwurf.

"Kurzfristig" sollen jährliche Soforthilfen den sogenannten Waldvoranbau vorantreiben, mit dem Wälder langfristig zu hoffentlich klimafesten Mischwäldern werden. Und "zeitnah" soll etwa das Landesentwicklungsgesetz geändert werden, sodass mehr Flächen für die Produktion von Solar- und Windstrom bereitstehen. Eine konkrete Zielsetzung dafür hat man allerdings nicht vereinbart.

Für eine ebenfalls vereinbarte neue Digitalisierungsstrategie müssten zunächst noch neue Chief Digital Officers, kurz: CDO, gefunden werden, die anschließend in jedem Ressort der Landesregierung den Digitalisierungsaufwand überprüfen sollen. Bislang hat die Landesverwaltung nur einen CDO.

Nächste Monate stünden im Zeichen eines Sondervermögens Corona, doch schon bald folgte wohl Spardebatte

Das größte Projekt, das eine schwarz-rot-gelbe Regierung umgehend angehen würde, wäre allerdings ein sogenanntes Sondervermögen für die Folgen der Corona-Pandemie. Die amtierende Landesregierung hat die Planungen dafür bereits begonnen. CDU, SPD und FDP haben sich nun darauf geeinigt, das Sondervermögen mit einem Nachtragshaushalt für das Jahr 2021 zu verabschieden. Etwa 1,5 Milliarden Euro sollen für Investitionen in Krankenhäuser, Digitalisierung und Wirtschaftshilfen ausgegeben werden, finanziert aus neuen Schulden. Erstmals in Teilen abbezahlt werden diese dann sieben Jahre später.

Für das Jahr 2022 soll ein einzelner Landeshaushalt beschlossen. Für die Jahre 2022/23 bzw. 2024/25 jeweils ein Doppelhaushalt. Schon im nächsten Jahr, also 2022, soll der reguläre Landeshaushalt "grundsolide" sein. Denn dem Land fehlen in den nächsten Jahren voraussichtlich 1,5 Milliarden Euro. Das heißt: Sachsen-Anhalt steht eine neue Spardebatte ins Haus. Die drei Parteien sprechen von "strukturelle Einsparungen".

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2022 soll Fokus auf Vergabegesetz und Glasfaser für Schulen liegen

Bis Mitte kommenden Jahres haben sich die Parteien drei Großprojekte vorgenommen: Das von der SPD geforderte, neue Tariftreue- und Vergabegesetz soll dann verabschiedet sein, konkrete Vorschläge für die  "Entbürokratisierung und Beschleunigung von Genehmigungsverfahren" auf dem Tisch liegen und das Mittelstandsförderungsgesetz ein Update erhalten. Mit Letzterem soll garantiert werden, dass Unternehmen nur neue Regeln auferlegt werden, wenn dafür alte wegfallen, sprich: Ihnen nicht mehr Bürokratie als ohnehin schon entsteht. So der Plan.

Ebenfalls bis 2022 sollen alle Schulen Glasfaseranschlüsse haben und eine neue Strategie für die Kreativwirtschaft in Sachsen-Anhalt stehen. Ab 2022 soll es zudem eine stetige Förderung und bessere Bezahlung der Mitarbeitendenschaft von Frauenhäusern und Beratungsstellen und mehr Geld für die Kulturstiftung des Landes geben.

Bis zu den Verhandlungen über den Doppelhaushalt 2023/24, also weniger als zwei Jahre, will man sich für die Weiterentwicklung des Landesprogrammes für ein geschlechtergerechtes Sachsen-Anhalt Zeit lassen.

2023 wären Debatten um Finanzausgleich, Kitas und Entbürokratisierung dran

Ab 2023 sollen sowohl die Zulagen für Bediensteten im Justizvollzug auch für Polizistinnen und Polizisten steigen. Ab diesem Jahr wollen CDU, SPD und FDP auch die Maßnahmen des Gute-Kita-Gesetzes aus der Landeskasse fortführen, sollte der Bund bis dahin seine Millionenmittel abstellen. Das Gleiche gilt für die derzeit noch bundesgeförderte sprachliche Bildung in den Kitas.

Der Finanzausgleich zwischen Land und Kommunen soll auf Grundlage eines unabhängigen Gutachtens bis 2024 neu geregelt werden. Die dann festgelegte Transfersumme soll für drei Jahre gelten. Bis dahin will man die sogenannte FAG-Masse auf 1,735 Milliarden Euro pro Jahr erhöhen.

Bis zur Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2023/2024, also bis Frühjahr 2023, soll eine neue Arbeitsgruppe Vorschläge für "verbindliche Festlegungen zum Abbau der Bürokratie" machen. Diese Arbeitsgruppe soll sich aus Landesverwaltung rekrutieren und zeitnah nach der Regierungsbildung ihre Arbeit aufnehmen.

Mehrere Kommissionen, Arbeitsgruppen und "Zukunfts- und Klimaschutzkongress" sind geplant

Andere Themen könnten das Land noch länger beschäftigen. Bis 2025 sollen etwa die letzten Abschnitte von A14 und A143 gebaut worden sein. Und bis zum Ende dieser Legislatur, also bis 2026, sollen die IT-Sicherheit im Land weiterentwickelt werden, die Landesverwaltung ein eigenes Konzept für das mobile Arbeiten (also auch von Zuhause oder geteilten Büros) erarbeiten und 7.000 Polizeivollzugsbeamte hier arbeiten.

Das gilt auch für andere Punkte wie die Pilotprojekte zu einem 365-Euro-Ticket für den ÖPNV und zu sogenannten Talentschulen, auch wenn sich für diese im Vertragsentwurf kein Zeitrahmen findet.

Andere politische Weichenstellungen will Schwarz-Rot-Gelb erstmal mit neuen Gremien vorbereiten. So soll es eine Arbeitsgruppe für zentrale IT-Lösungen für Schulen geben. Eine Expertenkommission soll über die inhaltliche "Weiterentwicklung des Schulwesens, der Lehramtsausbildung und der Professionalisierung der Lehrkräfte" beraten, aber auch darüber, wie Schülerinnen und Schüler künftig von einer Schulform auf die andere wechseln und wie ihre Leistung erfasst wird.

Wichtig für das Land dürfte zudem ein "Zukunfts- und Klimaschutzkongress" werden, der Wissenschaft, Wirtschaft, Kommunen und Bürgerinnen und Bürger zusammenbringen soll. Bei der Pressekonferenz am Montag hatten die Spitzen von CDU, SPD und FDP erklärt, beim Klimaschutz stärker auf Beteiligung setzen zu wollen. Allerdings: Über die Wirkung des Kongresses heißt es lediglich im Entwurf, seine Ergebnisse fänden "im Regierungshandeln Niederschlag". Ein Zeitrahmen fehlt noch.

Weiterhin kaum Konkretes bei der Großbaustelle Agrarstrukturgesetz

Bei einer anderen politischen Großbaustelle steht im Entwurf des Koalitionsvertrags nahezu exakt das, was bereits im Sondierungspapier der drei Parteien stand: "In der 8. Legislaturperiode wird die Diskussion über ein Agrarstrukturgesetz des Landes erneut aufgenommen und zum Ende geführt." Es soll der letzte Versuch für das mehrfach gescheiterte Vorhaben werden. Wirklich Fortschritte scheint es aber noch nicht zu geben.

Auch beim Landeswaldgesetz und dem Nationalparkgesetz will man erstmal diskutieren, was der Klimawandel denn nun für diese bedeutet, bevor man sie ändern würde – wenn denn eine schwarz-rot-gelbe Koalition tatsächlich zusammenkommt.

Die SPD-Führung will ab Mitte der kommenden Woche auf Regionalkonferenzen mit ihren Mitgliedern über die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen diskutieren. Diese stimmen ebenso wie die Mitglieder der CDU über die Annahme des Koalitionsvertrages ab. Bei der FDP übernimmt das ein Landesparteitag. Klappt alles, soll am 16. September Reiner Haseloff erneut zum Ministerpräsidenten gewählt werden.

Thomas Vorreyer
Bildrechte: MDR/Luca Deutschländer

Über den Autor Thomas Vorreyer arbeitet seit Herbst 2020 für MDR SACHSEN-ANHALT. Seine Schwerpunkte sind Politik, Gesellschaft und investigative Recherchen. Er ist in der Börde und in Magdeburg aufgewachsen, begann anschließend ein Politikstudium in Berlin. Zuletzt hat er als Redakteur und Reporter beim Online-Magazin VICE.com gearbeitet. In Sachsen-Anhalt ist er am liebsten an Elbe, Havel oder Bode unterwegs.

MDR/Thomas Vorreyer

Dieses Thema im Programm: MDR S-ANHALT | MDR SACHSEN-ANHALT Heute | 09. August 2021 | 19:00 Uhr

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