MDR INVESTIGATIV - HINTER DER RECHERCHE (FOLGE 113) Wahlen in Ostdeutschland: Demokratie unter Druck

Audiotranskription

20. September 2024, 12:06 Uhr

Aber jetzt wird dann BSW und CDU und Linke zusammenkommen. Zu befürchten ist, dass es doch sein, die werden alle Leute und alle Fraktionen zusammenkratzen, nur um die AfD zu verhindern. Reporter: Und wie finden Sie das? W.L.: Nicht demokratisch!

Wolfgang Lauerwald, MdL Thüringen, AfD MDR exakt

Es ist natürlich alle, dass das damals positiv ist, bei rüberkommt, was die Menschen mitgenommen werden. Auch die AfD Wähler vor allen Dingen ist es ein Drittel der Bevölkerung oder der wahlberechtigten Bevölkerung. Die kann man nicht schneiden, die müssen wir, die müssen mitgenommen werden.

Frank Schellhorn MDR exakt

Es macht mir Angst, was jetzt kommen könnte. Es macht mir für meine Kinder große Angst. Und deswegen muss ich einfach heute nochmal durchatmen.

Daniela Schreiber-Turko MDR exakt

Secilia Kloppmann (SK)

Am 1. September haben die Sachsen und die Thüringer gewählt. Kurz nach der Wahl schwankte die Stimmung stark. Zwischen Hoffnung, Genugtuung, Sorge und Wut. Der AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Lauerwald sprach - Sie haben es gerade gehört - davon, dass ein Ausschluss der AfD von der Regierungsbildung in Thüringen, wo sie stärkste Kraft wurde, undemokratisch sei. Frank Schelhorn, der seit Jahren in Hildburghausen in Südthüringen montagsdemonstriert, ist der Meinung, wenn knapp 33 Prozent die AfD wählen, dann muss sich das auch in der Regierungsbildung niederschlagen. Und Daniela Schreiber-Turko, ebenfalls Südthüringerin, steht am Wahltag unter Schock, wie viele andere auch. Und damit herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche. Zu hören in der ARD Audiothek und überall da, wo sie ihre Pocasts hören. Jeden zweiten Freitag sprechen wir mit Reporterinnen und Reportern über ihre Berichte und persönliche Eindrücke während der Dreharbeiten. Ich bin Secilia Kloppmann. Und auf die Stimmung nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen schauen mit mir Christin Simon, Ben Arnold und Thomas Datt.

SK

Knapp drei Wochen sind die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen her. Aber von wem sie in den nächsten fünf Jahren regiert werden, das wissen die Bürgerinnen und Bürger immer noch nicht. Vor allen Dingen in Thüringen ist es eine schwierige Situation. Warum ist es eigentlich zäh, Thomas?

Thomas Datt (TD)

Es gibt einen ganz banalen Grund. Am Sonntag wird in Brandenburg gewählt. Das warten alle ab. Der Hauptgrund ist aber, wir haben es mit völlig neuen Konstellationen zu tun, sowohl in Sachsen als auch in Thüringen. In beiden Ländern zeichnet sich ab, dass das BSW als neue Partei, gleich in der Regierung beteiligt sein wird. Höchstwahrscheinlich in Sachsen, da weiß ich, sucht das BSW zum Beispiel für die Verhandlungen mit der CDU nach einem konkreten Punkt, nach einem sozialen Erfolg, die man der CDU abverhandeln kann. Damit man auch der Wählerschaft als praktische Begründung für eine Koalitionsbeteiligung darstellen kann. Weil im BSW ist in Sachsen hat man so ein bisschen Sorge, dass man sich als neue Partei, die grundsätzlich sehr oppositionell auftritt, schnell verbrennen könnte, wenn man zu viele Zugeständnisse macht. Das heißt auch, die Verhandlungen werden wahrscheinlich eine Weile dauern. In Thüringen hat man ja das Problem, dass die mögliche Regierungskonstellationen aus CDU, BSW, SPD keine Mehrheit hat, sondern nur auf die Hälfte der Sitze kommt. Da zeichnet sich im Moment ab, eine Duldung/Tolerierung durch die Linken. Mathematisch ist es einfach. Wenn die CDU mit BSW und Linken zusammen gehen würde, hätte sie eine kommode Mehrheit. Aber es gibt ja diesen Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU. Daran ist auf Seiten der CDU nicht zu rütteln, und deshalb zeichnet sich das ab. Und deswegen glaube ich auch an langwierige Verhandlungen. Weil die Linken werden sich natürlich diese Tolerierung /Duldung auch mit mit eigenen Forderungen erkaufen.

SK

Das heißt, Thüringen wird weiterhin von einer Minderheitsregierung regiert werden aller Wahrscheinlichkeit nach?

TD

Naja, das zeichnet sich ab. Wie es am Ende wird, müssen wir sehen. Wir wissen ja, Thüringen ist immer für Überraschungen gut, insofern noch alles noch ganz anders kommen.

SK

Und in Thüringen haben wir ja die Situation, dass die stärkste Kraft mit großem Abstand die AfD ist. Ihr seid alle drei als Reporter viel unterwegs in Sachsen und in Thüringen. Direkt vor der Landtagswahl wart ihr beide, Ben und Christin zum Beispiel in Südthüringen im Landkreis Hildburghausen. Und auch direkt nach der Wahl. Ben, gab es denn gerade auch in Hildburghausen/ in Südthüringen signifikante Unterschiede in der Stimmung vor der Wahl und nach der Wahl?

Ben Arnold (BA)

Naja, die Wahlergebnisse waren ja in dem Sinne keine große Überraschung. Zuvor hatte die Europawahl stattgefunden, die Kommunalwahlen auch, und es war ganz deutlich absehbar, wohin sich die Wahlergebnisse entwickeln werden. Insofern war der Unterschied in dem Sinne jetzt nicht so signifikant. Trotzdem habe ich schon dann in den Gesprächen bei vielen soeine Art der Resignation oder der Enttäuschung festgestellt, einfach aus der Situation heraus, die jetzt Thomas auch schon geschildert hat, dass es nämlich selbst bei einer Regierungsbeteiligung des Bündnis Sahra Wagenknecht eben nicht für eine stabile Mehrheit reichen würde, aufgrund eben des Unvereinbarkeitsbeschlusses mit den Linken. Und es ist ja so eine Patt- Situation entstanden. 88 Sitze hat der Landtag, und eine Koalition aus CDU, SPD und dem BSW würde genau auf die Hälfte kommen. Auf 44 Sitze, das heißt für Thüringen bedeutet das jetzt erst mal auch lange Koalitionsverhandlungen, Sondierungen. Thüringen hat eine Legislatur Minderheitsregierung hinter sich, unter Bodo Ramelow. Und für viele war natürlich schon so eine Art Sehnsucht da, dass es wieder für stabile Verhältnisse reichen würde. Aber das tut es Stand jetzt nicht.

Wiebke Binder moderiert exakt. 29 min
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SK

Thomas, du bist am Montag nach der Landtagswahl in Bautzen gewesen. Auf einer Montagsdemonstration, da war die Stimmung ganz schön angespannt. Oder?

TD

Ja. Man muss dazu, die Montagsdemo gibt es Corona-Zeiten also seit mehr als drei Jahren. Und das ist eine Ansammlung von Reichsbürgern, Anhängern der rechtsextremen Freien Sachsen, da ist ein großer Jugendblock der organisierten Neonazi-Szene mitgelaufen, völlig akzeptiert. Man sieht dort Reichsfahnen und auch einschlägige Neonazi-T-Shirts wie „white race“. Das ist schon, sagen wir mal, eine relative extreme Mischung. Man trifft dort, würde ich jetzt sagen, nicht auf den Querschnitt von Bautzen oder dem Landkreis Bautzen. Man trifft dort eher, sagen wir mal, den den rechtsorientierten Teil, der natürlich auch sehr stark der AfD zuneigt. Und da war so ein bisschen so eine Enttäuschung, dass viele verarbeiten müssen, dass die gefühlte Mehrheit nicht die reale Mehrheit ist. Und da kamen natürlich sehr unterschiedliche Begründung, dabei auch von Wahlbetrug die Rede. Aber am häufigsten haben wir an dem Montag gehört, dass wir Medien schuld sein, weil wir so schlecht beziehungsweise negativ über die AfD berichtet. Und da hören wir gleich noch einmal rein

O-TON

Rep im On

Dürfen wir Sie fragen, wie Sie einen Tag danach das Wahlergebnis bewerten?

Szene Mann

Hat er schon die Kamera an? Ja oder nein?

Rep im On

Er hat die Kamera an, na klar.

Szene Mann

Aus die Kamera. Aus die Kamera. Aus das Ding. Aus.

Was ist das jetzt hier? MDR. Wenn man das so konsumiert hat, diese ganzen Journalien, was da so ist. AfD, immer Hass und Hetze. Was soll man dazu sagen?

SK

... Thomas, AfD immer nur Hass und Hetze.. Was sagst du denn dazu, wenn du da stehst?

TD

Naja, das spiegelt – ist halt ein bisschen bitter, aber es ist halt die Realität - das Medienverständnis vieler Leute, die die AfD unterstützen, wieder. Also man hat irgendwie die Erwartung, die Medien müssen meine Meinung aussprechen beziehungsweise bestätigen. Nur dann sind sie okay. Man muss man sich jetzt auch nichts vormachen, dass viele, viele der Leute herkömmliche Medien oder wie es dort heißt, Mainstream-Medien kaum noch nutzen und sich in so einer Welt von Telegram bewegen, die natürlich nur Schwarz-Weiß-Rastert. Und da ist es denn manchmal schwierig, sagen wir mal, differenzierte Gespräche zu führen.

SK

Aber es ist nicht eigentlich auch schade? Also, du bist da und interessierst dich für die Leute. Aber sie sagen Kamera aus, und sie sagen kommt sowieso nichts dabei raus, wenn ich mit euch spreche. Das ist doch eigentlich das, was sie nicht wollen?

TD

Den Widerspruch habe ich noch nie verstanden. Zumal wir ja auch in anderen Beiträgen, auch in einem längeren Film zur AfD und den möglichen Szenarien nach der Wahl AfD-Politiker und WählerInnen ausführlich zu Wort haben kommen lassen. Das ist sehr unterschiedlich, muss man dazusagen. So eine so eine Demonstration von Leuten, die sozusagen auch, sagen wir mal relativ eingegroovt sind, in ihrer Ablehnung von allem und überall Betrug wittern ist die Wahrscheinlichkeit, dass man dort jemand findet, der ruhig und entspannt mit einem redet, doch relativ gering.

SK

Christin, du bist die einzige in der Runde, die nicht in einer Großstadt lebt. Du wohnst mit einer Familie in Crimmitschau, das ist in Sachsen, Landkreis Zwickau, 18.400 Einwohner hat Crimmitschau. Wie sah das Wahlergebnis aus in Crimmitschau und wie? Wie war so die Stimmung bei euch zu Hause?

Christin Simon (CS)

Also das Wahlergebnis sah so aus, in Crimmitschau landete die CDU knapp vor der AfD. Also es war wirklich eine knappe Nummer 35,22 % zu 34,65 % also, das heißt in Summe 63 Stimmen hatte die CDU mehr und dahinter dann hinter der AfD, kam das BSW mit über 13 Prozent und dann Linke, Grüne, FDP sind unter drei Prozent geblieben. Also wenn man sich das noch mal genau anguckt. Die FDP hatte nicht mal ein Prozent geschafft, die Grünen keine zwei und die Linke knapp über zwei und die Freien Sachsen zum Beispiel auch zwei Prozent also dann nur noch einmal. Um den Vergleich zu machen, die SPD dann knapp über fünf Prozent. Man sieht auch die klaren Verluste für die Ampel. Und weil gerade die Grünen und FDP im Grunde genommen keine Bedeutung mehr haben.

SK

Das ist ja in Sachsen schon lange so, das ist nicht so die Überraschung. Die AfD ist ja insgesamt in Sachsen ganz knapp hinter der CDU gelandet. Wie habt ihr das wahrgenommen?

CS

Also auch für mich war es keine Überraschung. Also, wir haben schon damit gerechnet, dass die AfD auch in Crimmitschau sehr stark ist und weil eben auch die Themen, die die Menschen mit, wenn man mit ihnen spricht. Es sind eben auch die üblichen Themen, die die Menschen umtreiben. Es ist es ist der Ausländeranteil, der der vielen Sorgen macht.

SK

Ist der hoch in Crimmitschau?

CS

Naja, was heißt hoch. Der ist aktuell bei 9,7 Prozent. Also das ist das sind die Zahlen aus 2023. Wenn man das jetzt mit sächsischen Großstädten vergleicht, wie zum Beispiel Leipzig, glaubt er, liegt derweil 13 Prozent, ist es natürlich niedriger. Aber wenn man sich jetzt auch einfach mal die Entwicklung anguckt, also die letzten Zahlen, habe ich von 2014 gefunden. Da lag er bei 1,9 Prozent Das ist ein Anstieg. Und man muss auch sagen, dass es einen Anstieg, den du in der Stadt merkst, der wirklich sichtbar ist, der spürbar ist und wo dann viele sagen bitte nicht noch mehr

SK:

Aber bringt das den Probleme? Wenn es mehr Migranten gibt und mehr ausländische Mitbürger?

CS

Also ich persönlich habe jetzt keine Probleme. Aber sind eben auch die Meinungen, die man hört, dass es, dass es diese gefühlte Unsicherheit ist, das ja, dass es eben auch abends so habe ich auch von einigen Frauen gehört, dass man dann nicht mehr mit so einem guten Gefühl durch die Stadt geht. Und aber auch auch von von Männern höre ich das, dass es irgendwie keine, keine gute Situation ist, eine gefühlte Situation, auch immer wieder. Die Punkte, die natürlich damit im Zusammenhang genannt werden, ist innere Sicherheit, Kriminalität es also, was mich schon überrascht hat. Ich bin vor drei Jahren ja wieder hingezogen. Ich war 15 Jahre weg. Man sieht auf jeden Fall deutlich mehr Streifen Polizeieinsätze. Das ist aber auch jeder so eine wahrgenommene Wahrnehmung. Und genau das ist eben so das Thema, was die Menschen umtreibt. Aber auch nochmal die Unzufriedenheit mit der Ampel, zum Beispiel die Heizungs-Debatte. Auch das treibt die Menschen um. Viele Menschen haben dort ein Eigenheim, viele Rentner. Und die waren total verunsichert, als die Debatte losging. Und zur wirtschaftlichen Lage also, wie geht es den Menschen? Da muss man ganz klar sagen,was aktuell die Region wirklich stark betrifft, sind die unruhigen Zeiten von VW, das VW-Werk in Mosel in Zwickau. Das ist ein großer Arbeitgeber, ein wichtiger Arbeitgeber, war mal ein sicherer Arbeitgeber für die Region, ob es jetzt VW selber ist oder die ganzen Zuliefererfirmen. Und das macht gerade wirklich was mit den Menschen dort. Man weiß ja noch nicht so genau, wie die Kürzungen aussehen, wie die Region davon betroffen ist, wie das Werk betroffen ist. Aber die ersten Einschnitte gibt es, das eben die befristeten Verträge zum Jahresende auslaufen. Letztes Jahr sind schon welche ausgelaufen, die Nachtschicht, die fällt weg. Und das war ja schon finanziell sehr lukrativ für viele. Und so, wie ich es gehört habe, haben die eben auch viele ihrer Hauskredite mit eingeplant. Die Nachtschichten sind auch einfach viel, viel besser bezahlt. Und das fehlt dann natürlich.

SK

Das ist sicher ein großer Unterschied zu Südthüringen, wo du mit Ben gewesen bist, für den Film vor der Wahl. Hattest du das Gefühl, dass es Hildburghausen in Südthüringen andere Themen gibt, die die Menschen bedrücken als zum Beispiel in Crimmitschau?

CS

Das sind schon wirklich sehr, sehr ähnliche Themen - einfach ländlich geprägt. Es ist die Überalterung, also die jungen Menschen fehlen da, und die Innenstädte sind weniger belebt. Es gibt weniger Läden, das waren auf jeden Fall schon Gemeinsamkeiten. Ein Unterschied, den habe ich sofort da gehört, in Thüringen, in Hildburghausen hat man über das 49- Euro-Ticket gelacht. Also das war wirklich schon ein Aufreger. Das bringt dort überhaupt nichts. Weil die so schlecht angebunden sind. Und in Crimmitschau ist das großartig. Wir haben eine direkte S-Bahn-Anbindung an Leipzig, Halle, Zwickau. Ich selber bin Pendlerin und nutze sie fast täglich. Und ich muss auch sagen ich glaube, ohne diese Anbindung wäre ich vielleicht auch nicht zurückgezogen. Das ist natürlich, was den großen Unterschied für eine Region macht.

Ein Mann mit einer Fahne 29 min
Ein Mann mit einer Fahne Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

SK

Sowohl in Sachsen, als auch in Thüringen. Wenn man auf eure Film schaut und auf die Berichte, die bei uns gelaufen sind, auch nach der Wahl für mich, halte auch immer wieder durch, dass viele Leute das Gefühl haben, dass sie betrogen worden sind nach dieser Wahl. Thomas, ich fange mal bei dir an und mit der Demo in Bautzen. Worum geht es da, den Leuten?

TD

Naja, ich glaube, es geht da um ein grundlegendes Missverständnis. Man erwartet halt, das die stärkste Kraft automatisch die Regierung stellt. Interessanterweise, so ist meine Interpretation, hat das in Sachsen- das betrifft ja nicht nur auf die AfD-Wähler, diese Annahm - auch mit dazu beigetragen, dass die CDU wenn auch knapp wieder stärkste Kraft geworden ist, weil ich glaube, es gab auch einen Teil der CDU-Wähler, die Angst hatten, dass die AfD stärkste Kraft und dann automatisch die Regierung stellen würde. Und das halt ein Problem bei. Eigentlich ist es ganz einfach nicht du brauchst eine eine Mehrheit, um eine Regierung zu bilden.

SK

Ben, Du bist in in Südthüringen gewesen, vor der Wahl, nach der Wahl. Was war, was ist dort das, was die Leute umtreibt? Also warum scheint da immer wieder durch, wenn ich eure Filme anschaue, dass die Leute das Gefühl haben, sie werden betrogen?

BA

Ja, ich glaube, Thomas hat da schon ein ein wichtiges Stichwort genannt. Das Stichwort ist Missverständnis. Also dieses Missverständnis, was unsere repräsentative Demokratie eigentlich auszeichnet, das habe ich dort auch ganz oft feststellen können, in Gesprächen. Wenn dann zum Beispiel so Aussagen kommen wie, die Regierung, müsse das tun, was das Volk von ihm verlangt. Ja, was dann da auch gefallen ist, was ja erst mal davon ausgeht, dass es irgendwie einen homogenen Volkswillen gäbe, den gibt es ja nicht. Also es gibt einfach ganz verschiedene Interessen, und wir wählen Interessenvertreter. Und die müssen dann eben miteinander verhandeln, wo sie sich einigen können. Und so entstehen Mehrheit. Und da kommen wir eben in diesem Konflikt, dass die AfD mit ihrer radikalen Politik nicht in der Lage sein wird, Mehrheiten zu bilden. Aber sie ist halt trotzdem auch so stark, dass es alle anderen Parteien zusammen braucht, um das zu verhindern. Das heißt, von der CDU bis zur Linkspartei hat man einen gemeinsamen Nenner, ein gemeinsames Interesse, nämlich die AfD, nicht in die Regierung kommen zu lassen. Und ich glaube, das stößt den Leuten sehr stark auf, beziehungsweise das wird natürlich auch instrumentalisiert, wiederum von der AfD als so eine Art Narrativ, die AfD gegen gegen alle, alle, alle versuchen also das mündet dann in diesem Wort am Kartellparteien.

SK

Ja, wir haben das am Anfang im Intro auch gehört von dem AfD Landtagsabgeordneten, der gesagt hat, alle verbünden sich dann gegen uns, gegen die AfD,

BA

Und diese Erzählung verfängt natürlich. Da geht es auch natürlich um die Brandmauer zu AfD und was aber diese, was was, was ich wahrgenommen hat bei den Wählerinnen und Wählern, die eben AfD-Narrativ, ist das, dass sie das Gefühl haben, diese Brandmauer existiert nicht nur zur Politik und zur Partei AfD, sondern eben auch sozusagen zu ihren Meinungen und Überzeugungen. Das, was die Menschen sich ganz unabhängig, welche Partei das dann realisiert, sondern zudem, was die Menschen sich für das Land wünschen. Und also es ist so eine Art imaginäre Ausgrenzungserfahrungen kann sich jetzt fragen inwieweit deckt sich das mit der Realität an? An welcher Stelle? - aber letztendlich fühlen sich die Menschen so. Wenn ich das jetzt sage, werde ich in die rechte Ecke gestellt. Oder viele Leute haben gesagt, ich kann hier meine Meinung nicht offen äußern, weil dann wird mich der Verfassungsschutz beobachten. Also all diese Aussagen sind gekommen. Wenn ich einfach auf Leute zugegangen bin und sie gefragt haben was denken Sie denn dazu?

SK

Christin, hast du diese Erfahrungen auch gemacht? In Crimmitschau? Gibt es das auch im Umfeld, so nach dem Motto, ist eigentlich egal, wen wir wählen. Am Ende kriegen wir nicht das, was wir wollen?

CS

Also, was ich zum Beispiel gehört habe, gar nicht aus den Kreisen von AfD Wählern, sondern eben aus anderer Wählerschaft. Dieses Unverständnis darüber, dass man nicht mal miteinander spricht, also, dass man wirklich die AfD so von vornherein ausgrenzt. Und da sehen viele auch die Gefahr, dass eben diese Ausgrenzung dann zu einem weiteren Erstarken der AfD führen kann. Was dann wiederum vielen auch Angst macht. Also das ist das, was ich gehört habe.

SK

Ich stamme ja selbst aus Thüringen. Meine Familie, meine Schwester, meine Mutter, die leben da. Und für die waren die Wahlergebnisse ein Schock. Und in dem Ort, wo ich herkomme, waren 46 Prozent der Erststimmen für die AfD. Und dazu muss man vielleicht noch wissen, der Direktkandidat war Thorsten Czuppon. Also wirklich jemand, der sehr weit rechts steht, der mit einem Thor Steinar-T-Shirt in der Gedenkstätte Buchenwald aufgelaufen sein soll. Der - das ist ja mittlerweile juristisch bestätigt - seine Position als Polizeibeamter missbraucht hat, um gegen Zeugen, die ihn da gesehen haben, vorzugehen. Da hat jemand 46 Prozent der Erststimmen bekommen, der eigentlich überhaupt nicht für Recht und Ordnung steht, wenn man das mal so salopp sagen will. Und dann frage ich mich natürlich auch immer, und das ist auch eine schwierige Frage, auch in meiner Familie. Was macht man damit? Man weiß ja, dass jeder Zweite in dieser Ortschaft, dein Nachbar, deine Bekannten .. die haben ja auch diese AfD gewählt. In Thüringen muss man ja sagen, die AfD wird geführt von einem Rechtsextremisten, von Björn Höcke.

TD

Das ist tatsächlich ein auffälliges Phänomen bei dieser Wahl gewesen, dass sowohl in Sachsen als auch in Thüringen bei den Erststimmen Ergebnissen in der Regel die afd deutlich vor ihren Zweitstimmergebnis war. Mir sind dabei zwei Sachen eingefallen. Und zwar, erstens man darf nicht unterschätzen, wie viele die Kandidatinnen und Kandidaten sehr aktiv vor Ort sind, sehr präsent, anders als oftmals VertreterInnen anderer Parteien. Andere Parteien haben zum Teil kaum noch Leute in den Orten, gescheweige denn Leute, die die Zeit haben oder die Energie haben, aktiv zu sein, das macht die AfD sehr, sehr gut. Es machen gerade auch viele Vertreterinnen der AfD gut und sehr, sehr emsig. Die kümmern sich, sind jetzt ein bisschen an die die Linkspartei vor 20 Jahren. Und das zweite ist, es zeigt aus meiner Sicht, dass die Bereitschaft, mit der AfD zu kooperieren, sozusagen gar nicht so gering ist. Das also viele Leute die Partei nicht wählen würden, also nie die Zweitstimme geben würden. Aber sagen, Nein, für mich ist das, weil demokratisch gewählt. Das ist ja auch so ein weiteres Missverständnis. Und ich glaube, das muss man schon im Auge behalten, weil, wie du sagst, in Thüringen, Sachsen ist es ähnlich... aber in Thüringen zeigt sich noch klarer: Die Thüringer Partei wird nicht nur von einem Rechtsextremisten geführt, die thüringer Partei wird von einem Zirkel von Rechtsextremisten mit langjähriger Erfahrung geführt. Die haben einen Plan, die wollen dieses System umstürzen. Und es ist wirklich frappierend, dass ein Drittel der Leute sie wählt. Und ich finde, weil vorhin die Rede davon war, man redet zu wenig. Was im Osten ein fortwährendes Problem ist und zeigt sich jetzt umso deutlicher: Wir haben keine Streitkultur, wir setzen uns zu wenig auseinander. Und ich finde, man muss diese Auseinandersetzung führen. Also es kann also es kann man nicht undiskutiert lassen, dass zB bei der Landratswahl in Hildburghausen ein bekennender Nationalsozialist, Tommy Frenck, im zweiten Wahlgang rund 30 Prozent bekommen hat. Natürlich sind es nicht alles Neonazis, das würde ich nie behaupten. Aber wer sozusagen wissentlichen Neonazis wählt und sei es nur, um die da oben zu ärgern, ich finde den kann und muss man schon fragen, warum. Und darüber muss in Ostdeutschland, in der ostdeutschen Teilgesellschaft gestritten werden. Da sind nicht die Westdeutschen Schuld und nicht der Ukraine Krieg, das ist unsere gesellschaftliche Verantwortung.

SK

Aber das ist halt auch wirklich schwer, für die Leute vor Ort. Die hat auf der anderen Seite stehen. Und deswegen würde ich jetzt gerne noch mal die Töne anspielen, von den Menschen aus Hildburghausen und mit euch darüber sprechen.

Beate Trümpert: Was passiert jetzt also diese, diese Sorge? Wir wissen nicht, was jetzt passiert. Vielleicht passiert es schleichend, vielleicht passiert auch schnell irgendwas. Daniela Schreiber-Turko: Das Schlimme ist, dass es der normalisiert wird.  Tim Kirsten: Du merkst auf jeder Familienfeier so wie es eingesickert ist, also völkische, also völkische Positionen und also wirklich Relativierung von Nationalsozialismus und Holocaust. Also das ist hier angekommen, das musst du auch einfach so als Realität ansehen. Daniela Schreiber-Turko: Also man kommt sich vor, als wäre man, als wären wir diejenigen, die nur noch wenige werden, obwohl man auch sagen muss es sind 31 Prozent, die die AFD gewählt haben. Und es sind aber trotzdem vielmehr, die sie nicht gewählt haben. Das darf man auch immer nicht vergessen. Aber trotzdem ist es so, dass es Angst macht, das immer noch mehr werden und noch mehr werden.

SK

Das ist Daniela Schreiber-Turko. Die habt ihr begleitet für den Film. Das klingt eigentlich auch ein bisschen trotzig oder auch ein bisschen verzweifelt. Klar, wir wissen ganz viele um uns herum haben die AfD gewählt.... aber es sind eben nicht alle … Du hast Damiela Schtreiber-Turko am Wahlabend getroffen, Ben ....

BA

Genau, das war am Wahlabend Thema. Dieses Interviews, glaube ich, wir haben es so um 18:30 Uhr 18:45 gedreht. Da waren die ersten Hochrechnungen draußen. Deswegen ist das Endergebnis auch noch nicht ganz das korrekte an dieser Stelle. Und also ich muss sagen die Daniela Schreiber-Turko hat mich sehr beeindruckt. Sie kommt aus dieser Region. Sie ist dort geboren. Sie lebt dort und muss vielleicht erst einmal feststellen, dass das ist eben auf dem Land, in einer Kleinstadt in so einer kleinstädtischen Struktur einfach etwas ganz anderes ist als in einer Großstadt, wo man sich ja auch sein Umfeld und Stück weit aussuchen kann, wo man so in seiner Blase leben kann, wo man viel mit mit Menschen unterwegs ist, wo man weiß, die ticken ähnlich, das ist bei ihr nicht so. Also bei ihr ist es so, in der Grundschule, wo ihre Kinder zur Schule gehen. Der Schulleiter ist in der AfD aktiv. Beispielsweise, also diese Kontakte sind sind immer sind überall gegeben. Sind sind immer da. Und dass die Daniela Schreiber-Turko eben so aktiv ist, auch in dem Bündnis für Weltoffenheit und Demokratie. Kloster Veßra, so heißt es, hat auch ganz viel damit zu tun, was, was Thomas eben schon erwähnt hat, nämlich der Figur Tommy Frenck eben ein ein sehr gut vernetzter Neonationalsozialisten, der auch aus der Region kommt, dort Strukturen aufgebaut hat, eine Gaststätte aufgebaut hat, einen Vertrieb für für NS-Reliquien aufgebaut hat und auch Rechtsrock-Konzerte veranstaltet hatte. So und das war so der Punkt, wo die Daniela Schreiber-Turko gesagt hat, das also sie haben jahrelang Protestveranstaltungen gemacht gegen eben diese, diese Netzwerktreffen, der der neonationalsozialistischen Szene dort vor Ort und in diesem Bündnis ist aber auch etwas etwas. Wann ist passiert? Dass sie irgendwann angefangen haben zu sagen also es reicht absolut nicht, wenn wir gegen irgendetwas sind, sondern wir müssen ganz klar für etwas sagen wir müssen auch für neues oder mehr mehr gesellschaftliches Miteinander seien führenden gesellschaftlichen Zusammenhalt. Und das ist sozusagen jetzt ihr Weg, wo sie sehr positiv unterwegs ist mit einer sehr positiven Ausstrahlung. Trotz dieser trotz der Realität, in der sie lebt.

SK

Christin, du hast in Südthüringen Thomas Imber getroffen. Das ist für mich so typischer Thüringer CDU-Wähler. Bauingenieur, Unternehmer, bodenständig, der wirkt eher konservativ, ist engagiert. Du hast ihn getroffen im Schützenverein, in Schleusingen, da ist er Vorsitzender, und zwar schon lange. Thomas Imber versteht die vielen Stimmen für die AfD auch nicht - so wie Daniela Schreiber-Turko. Er wirkt aber im Gegensatz zu ihr naja, ich würde sagen er so ein bisschen ratlos und fast resigniert.

CS

Ja, also würde ich schon sagen, wobei er ist ja auch der Vorsitzende des Schützenvereins, wo wir auch gedreht haben. Und da durften wir auch in dieser abendlichen Runde beim Bierchen dabei sein, wo auch immer wieder über Politik diskutiert wird. Und da hat er sich aber schon auch ein bisschen zurückgenommen. So hat, das fand ich sowieso erst sehr erstaunlich dort die Stimmung, weil die Meinungen sehr, sehr unterschiedlich waren. Und das haben die aber akzeptiert. Also diese Streitkultur, was Thomas sagte, das hat dort funktioniert. Da wurde auch nicht gestritten. Man hat sich ausreden lassen, man hat zugehört. Und dann dann war es auch gut. Und dann war es trotzdem auch weiterhin gesellig. So oft ist es ja dann so ein Stimmungsabbruch, und das funktionierte dort und Thomas Imber ... ja, also wie du schon, sagst du genauso habe ich ihn auch wahrgenommen. Wahrscheinlich ist es auch so, dass er eben seit jeher die CDU wählt und hat dann auch wirklich immer noch gehofft, dass es irgendwie die stärkste Kraft in Thüringen wird und war dann auch sichtlich enttäuscht, dass es da nicht ist und irgendwie auch total ratlos, wie es weitergehen wird

SK

Ben hat ihn noch einmal getroffen, kurz nach der Wahl und hat ihn vor allen Dingen eine Frage gestellt, die auf die künftige Koalition zielte

Reporter: Wäre das noch Ihre CDU? Thomas Imber: Das wäre nicht mehr unsere der CDU, weil ja dann die Werte gerade mit links, BSW dann für uns eigentlich nicht mehr ausschlaggebend sein und dann sind wir wieder mal dabei, nur sagen müssen Ja, dann sind die Wahlversprechen in der Form nicht eingehalten.

SK

Da sind wir wieder beim Thema Vertrauen, Wahlversprechen, das eben auch das eingehalten wird, was die Parteien vorher versprechen. Und da sind wir in Thüringen in einer ziemlich schwierigen Situation, oder?

BA

Natürlich stellt die Stärke der AfD sämtliche Parteien gerade vor eine enorme Herausforderung: Brücken zu schlagen, Gemeinsamkeiten zu finden. Dort, wo eigentlich keine Gemeinsamkeiten da sind. Also wäre die Situation nicht so, wie sie gerade ist, wäre wahrscheinlicheine mögliche Koalition vom BSW mit der CDU absolut undenkbar mit allem, was dort auch vorgebracht wird vom Bündnis Sahra Wagenknecht an Forderungen. Also weniger weniger Unterstützung der Ukraine und so weiter. Und das heißt, alle anderen Parteien werden ja ein Stück weit förmlich in Bündnisse gezwungen, die sie vorher einfach abgelehnt haben. Und das schwächt natürlich auch das Profil der jeweiligen Parteien. Und das ist in dem Sinne auch ja nicht nur eine Herausforderung, sondern auch ein ein, ein Stück, eine Gefahr, weil es im Umkehrschluss natürlich immer wieder dazu führen wird, dass auch Wählerinnen und Wähler meinen, die Parteien haben doch überhaupt kein Profil, die wissen noch gar nicht, wofür sie stehen. Und das zu lösen wird schwierig.

SK

Siehst du das auch so, Thomas? Dass die Parteien, durch diese Koalition, wo gar nichts mehr zusammenpasst, quasi auch ihr Profil verlieren?

TD

Na ja, mir ist das ein bisschen zu gefühlig. Weil also Deutschland ist ein Land, wo aus meiner Sicht eine nachholende Entwicklung im Vergleich zu anderen Ländern stattfindet. Die großen Volksparteien erodieren seit Jahren. Es wird wahrscheinlich nur noch wenig Situationen geben, wie man in den nächsten Jahren eine absolute Mehrheit durch eine Partei hat, vielleicht auch sogar durch zwei Parteien. Das heißt, man muss damit umgehen, und grundsätzlich bin ich der Meinung, alle Parteien im demokratischen Lager sind untereinander koalitionsfähig. Also wir müssen auch mal ein Stück zurücktreten, wofür es eine Landesregierung zuständig Landesregierung ist eben nicht für den für den Ukraine-Krieg und seine diplomatische Beendigung zuständig. Das wird auch das BSW akzeptieren müssen. Und es gibt halt, sagen wir mal eingeschränkte Verantwortlichkeiten. Die betreffen die innere Sicherheit im Land, die betreffende Bildung und so weiter. Dort kann man was machen. Aber wir wissen auch egal, wo man hinguckt, weil zum Beispiel das das Thema Lehrermangel war. Ja, ein großer Punkt im Thüringer Wahlkampf, vielleicht sogar das einzige landespolitische Thema was eine größere Rolle gespielt hat. Und dieses Thema betrifft alle Bundesländer, egal wie sie regiert sind. Was Ben sagt, das ist natürlich tatsächlich ein Problem, dass man sich unterscheidbar macht, das kann man auch in einer Koalition machen. Wir sehen an der Berliner Ampel, wie man es nicht machen sollte, also durch nie in erster Linie durch negative Abgrenzung und gar nicht das gemeinsame sozusagen hervorheben. Das funktioniert offenbar nicht. Man muss aufhören, sich ständig damit zu beschäftigen, sich von der AfD abzugrenzen, die klugen und muss einfach stärker sich mit dem beschäftigen, was gestaltet werden muss. Da stehen Sachsen und Thüringen vor riesigen Aufgaben. Fachkräftemangel an erster Stelle und die politische Stimmung führt nicht dazu, dass es mehr Leute trauen, kommunale Ämter aber noch anzustreben, weil es, der teilweise schon zum Sport geworden ist, Leute im Amt zu mobben und zu bedrängen, wird es ins der und neben dem Rassismus, der sozusagen auch dazu führt, dass Fachkräfte nicht herkommen oder weggehen, meiner Meinung nach ins der größten Zukunftsprobleme für beide Länder.

SK

Wenn wir bei den Leuten sind, komme ich noch mal auf euren Film. „Verlorenes Vertrauen - der Osten vor der Landtagswahl“, habe ich mich gefragt hat, ob ihr denn eigentlich auch herausfinden konntet, worauf die Leute überhaupt noch vertrauen?

CS

Also wenn ich jetzt noch mal bei den Schützen (Verein, Schleusingen) bleiben darf, dann ist da auf jeden Fall dieser Zusammenhalt dar. Und dass man, dass man diese Perspektive, was den Menschen eben auch die Perspektive bringt, dass der Zusammenhalt da ist und tatsächlich auch die Liebe für dieses Land, für diese Heimat, für diese Region also auch gerade Thomas, immer sehr da schon je her. Er ist dort geboren worden, und es gab wohl nach der Wendeman eine Situation, irgendwie einen Weg zu aus beruflichen Gründen anstand. Aber er hat mir gesagt, dass es dann anders geworden. Und er ist auch froh drüber. Und aber so diese, der dieser Zusammenhalt und irgendwie auch so dieser Grundoptimismus, den habe ich da gespürt, dass das, denke ich, das ist schon so, die Grundlage dafür. Vertrauen hast du ja gerade gesagt, worauf vertrauen die Leute noch? Ich habe mir das hier aufgeschrieben, bei Stimmung im Land. Wie kann, wie kann die gedreht werden? Und da ist es eben. Da geht es eben um dieses verlorene Vertrauen. Also so wie auch der Titel von unserem Film ist. Ich glaube nur so kann es gedreht werden, dass dieses verlorene Vertrauen, dass das wieder zurückerobert werden kann. Und ich habe da in diesem Zusammenhang immer wieder fehlende Glaubwürdigkeit, leere Versprechungen auch tatsächlich gehört, die eben dieses verlorene Vertrauen gebracht hat. Und ich glaube, das kann eben so zurückgeholt werden. Dem zum Beispiel, was mir jetzt im Wahlkampf aufgefallen ist, waren ganz viele Plakate, wo eben draufstand mit uns. Keine Krankenhausschließungen nicht, beschäftige mich ja sonst ziemlich ausgiebig mit diesem Thema. Und ich war da schon sehr skeptisch, ob dieses Versprechen quasi eingehalten werden kann, weil es wird da eine große Veränderungen geben. Und und das wird so oft als Politikum auch genutzt, also gerade in Pößneck in Thüringen. Damals wurde ein kleines Krankenhauses waren die Bude nicht geschlossen, aber es wurde deutlich abgespeckt, und das war vor den Landratswahlen. Und da haben die Politiker sich hingestellt und haben quasi dagegen gekämpft. Und aber letztendlich ist es so gekommen diese Station wurden geschlossen, das ist die Realität. Da wird es keinen anderen Ausweg geben. Und das sind eben so Versprechungen, wo eigentlich vorher klar gewesen sein müsste, dass man das nicht versprechen kann. Und davon muss es, glaube ich, einfach weniger geben.

SK

Ben, du hast jemanden getroffen aus dem Gespräch mit ihm. Da spricht für mich auch sehr viel verlorenes Vertrauen. Das ist Frank Schellhorn ...

O-TOn Schellhorn

Der Ostdeutsche hat jetzt einfach mal die Schnauze voll. Lasst uns doch einfach mal machen.

Wenn man die AfD jetzt mit den meisten Wählerstimmen mit aller Gewalt von der Macht fernhält, ist man undemokratisch. Weil das heißt, mein Wille, das was ich mir so vorstelle, wird nicht mehr gehört. Und wenn das nicht mehr gehört wird, dann fühl ich mich dann auch nicht mehr dazu gehörig. Das heißt ja, ich stehe dem Ganzen dann gegenüber und das darf nicht sein. 

SK

Frank Schellhorn hast du gesprochen, Ben. Wie gesagt ,ich finde, für mich klingt das wirklich viel nach so einem Gefühl. „Ich bin hier jahrelang bevormundet worden“, „ich werde nicht gehört“ ... und damit eben auch so ein verlorenes Vertrauen.

BA

Wenn wir das jetzt erst einmal so konstatieren, dass es eben eine Gruppe von Menschen oder dass viele Menschen im Osten das Vertrauen in die demokratischen Institutionen, in die repräsentative Demokratie ein Stück weit verloren haben, müssen wir uns erst einmal fragen, wie es denn das, was ist da denn überhaupt passiert? Wie konnte das passieren? Und ich glaube, dass das man hier zwischen zwei Ebenen ganz stark unterscheiden muss. Also was ist mit den Leuten, die wirklich agitieren, die Leuten den Leuten, die in der in der Politik sind, die Fake News in sozialen Medien verbreiten, was dann konsumiert wird, so wiedergegeben wird. Also der Blick auf diejenigen, die bewusst die gesellschaftliche Polarisierung verstärken wollen, ist das eine. Aber der zweite Blick eben auf auf die Menschen, auf die Wählerinnen und Wähler, oft auf die Bürger vor Ort wie eben der Frank Schellhorn. Und die Auseinandersetzung mit ihm war tatsächlich für mich sehr spannend, weil es über eine längere Zeit es war. Es war ein Prozess, und ich habe für mich gesagt, ich möchte ihm mit Respekt begegnen. Ich möchte ihm kein Verständnis zeigen, aber ich möchte ihn verstehen, in dem was er denkt.

SK

Dazu müssten wir vielleicht auch erst einmal ganz kurz erzählen, wie ihr überhaupt zusammengekommen seid. Das ist nämlich ein bisschen anders, als zum Beispiel bei diesem Demonstranten, die Thomas getroffen hat, der ihn sofort abgewiesen hat, das war bei Frank Schelhorn auch erst mal kurz so. Aber dann hat er doch das gespäch gesucht mit dir, oder?

BA

So unähnlich war das gar nicht. Mein Anlaufpunkt war eben die Montagsdemonstration in Hildburghausen, die genauso wie wie in Bautzen, seit einigen Jahren auch und insbesondere eben seit der Corona. Zeit dort, auf der Straße des Corona, ist dort nach wie vor ein riesiges Thema, diese Ausschluss-Erfahrung, die die Menschen damals gemacht haben ist nach wie vor ein Stück unverheilt. Die Polizeigewalt, die sie erfahren haben, ist nach wie vor Unfall. Die Leute nehmen, das nehmen das mit. Und das ist sozusagen eine Art Verletzungen, die sie immer noch haben, wo sie auch nicht gehört werden, wo weder die Presse hingeschaut hat. Wie geht man mit diesen Menschen um? Wo, wo sie einfach sich durch ihre Meinung, dass sie sich nicht impfen lassen wollen, dass sie die Impfung als gefährlich erachten, das sie sozusagen dass das ablehnen, dass sie die Einschränkung der Grundrechte während der Pandemie als eine Gefahr für die Demokratie ansehen, dass sie sich mit all diesen Meinungen sehr ausgeschlossen gefühlt haben. Und das sitzt nach wie vor bei diesen Menschen, sehr, sehr, sehr tief. Und als ich eben auf die zugegangen bin auf eben der montags Demonstration, habe ich genauso diese Ablehnung auch erst einmal voll erfahren. Also, was man mir am Anfang alles an den Kopf geworfen hat: Ihr werdet vor Gericht gestellt und so weiter und so fort. Das waren wirklich Hardcore-Aussagen. Ich habe aber versucht, das erste Mal so alles an mir abprallen zu lassen und bin trotzdem weiter mitgelaufen und hat trotzdem weiter Fragen gestellt. Und irgendwann, als die sich so alle so richtig aus gemeckert haben und einfach alles mal losgelassen haben und merkten, der ist ja immer noch da, können wir ja mal vielleicht mit ihm reden. Und daraufhin sind dann Gespräche entstanden und Verabredungen entstanden, wo wir miteinander offen geredet haben. Das ist für mich, hat für mich schon auch ein Erkenntnisinteresse. Also was, was, was ist da los? Ja, also auch auch. Wenn man an der ersten Oberfläche erst einmal ganz krude Aussagen kommen, kann ich ja trotzdem schauen was steht denn da eigentlich dahinter?

TD

Ich würde ja gerne noch mal einhaken. Also ich muss an dem Punkt wirklich widersprechen. Ich war in der Corona-Zeit in Hildburghausen und ich halte das zum Teil auch für eine Selbstverklärung, die dort bei diesen Montagsdemos jetzt passiert. Dieses Revanche-Gefühl für Corona ist ja in bestimmten Kreisen sehr stark verbreitet ist, ich glaube, das ist auch etwas speziell deutsches. In anderen Ländern wird man damit leichter fertig. Hier gibt es einen Teil, der dafür Revanche nehmen will und da sozusagen alles schwarz-weiß malt, als sei das alles klar gewesen. Das ist ex-post-Wissen. Ich kann mich an Hildburghausen erinnern. Das es, angefeuert von Tommy Frenck und seinen Leuten es massive Probleme gab, dass die Kinder nicht zu den Tests gegangen sind, die aufgebaut wurden. Da herrschte eine richtige Angststimmung, und die Teststation war leer. Das war damals echt frappierend. Wie gesagt, es ging um Tests. Es ging nicht um Impfungen. Es ging nicht um Einschränkungen, sondern es ging um die Aufhebung von Einschränkungen.

Natürlich gab es in dieser Corona-Zeit Sachen die völlig übergriffig waren. Man hätte die Kinder früher zur Schule wieder gehen lassen müssen. Und natürlich war das einschränken des Demonstrationsrechts, da haben wir nicht wie damals kritisch darüber berichtet, unverhältnismäßig, aber sozusagen, sich jetzt darauf zu stützen, dass dort quasi willkürliche Politiker gemacht haben, was sie wollen, um die Leute einzuschränken geht einfach an der Realität vorbei.

BA

Ich glaube auch, dass da ganz viel an der Realität vorbei geht, und deswegen sage ich auch gerade also muss einfach mal erst einmal dahinter schauen, was steckt da dann drin? Und ich glaube, dass diese diese gemachte Ausschluss Erfahrung tatsächlich auch ein Kern der Sache betrifft.

TD

Letztendlich ist es immer so eine passive Rolle, die dadurch sind so eine passive Erwartung an so ein Heilsbringer Staat, den wird es nicht geben, denn wird auch mit der AfD nicht geben. Und vielleicht vielleicht ist es am Ende tatsächlich so, dass eine weniger radikale AfD vielleicht mal regieren regieren muss, um zu zeigen, ob sie es besser können, damit die Leute mal ihre Erfahrungen abgleichen können. Und ich meine, was du bist. Tatsächlich. Ich glaube, das ist ein Unterschied, der tatsächlich den Osten vom Westen unterscheidet. Es gibt ja tatsächlich ein anderes Demokratieverständnis. Hier gibt es weniger Akzeptanz von repräsentative Demokratie. Hier hat man eine stärkere Sehnsucht aus historischen Gründen, aus verschiedenen Gründen nach direkter Demokratie und den Global da. Da müsse sich die Politik auch mehr bewegen. Die Leute wollen Globig auch mehr mitreden und muss man ihn noch erleichtern. Bisher sind die Hürden immer noch zu bürokratisch und zu hoch dafür und die daher sozusagen unser Grundgesetz so bestimmte Rechte schützt. Also kannst du jetzt nicht Deutschland darüber abstimmen, ob eine Todesstrafe eingeführt werden soll? Sozusagen sind ja auch Grundrechte vor dem Missbrauch etwaigen Missbrauch durch Volksabstimmungen geschützt. Deshalb könnte man da durchaus auch mutiger sein.

SK

Das sind ja die Sachen, die ihr zum Beispiel auch erfahren habt in Hildburghausen...

Frank Schellhorn: Aber das Parlament muss das machen, was das Volk von ihm verlangt.

Rainer Höhn: Das ist die einzige Partei, die in ihrem Parteiprogramm von der direkten Demokratie reden. Also vermisse ich. Aber wenn das dann antidemokratisch sein soll, weiß ich nicht, wer ist dann noch ein Demokrat?

SK

Ist, das war Rainer Höhn, Montagsdemonstrant aus Hildburghausen. Der meint damit die AfD. Da sind wir ja genau bei dem, was du gerade gesagt hast, Thomas, dass es da einen großen Wunsch gibt nach nach einer direkten Demokratie und auf der anderen Seite kommt er auch so etwas wie das Parlament muss machen, was das, was das Volk von ihm verlangt...Ben, du hattest die beiden vor der Kamera. Es ja gut, wenn die Leute reden, aber man kann sie ja nicht, salopp gesagt, ungefiltert jeden Quark erzählen lassen...?

BA

Über den ersten Ton haben wir ja gesprochen. Also, die Politik müsse das machen, oder das Parlament müsse das machen, was das Volk von ihm verlangt. Das ist ein ganz klares Missverständnis. Es gibt das homogene Volk nicht. Politik ist ein Verhandeln von Interessen. Das knüpft an das an, was du eben gesagt hast, Thomas. Das das zweite, die Frage nach mehr direkter Demokratie. Das beschäftigt mich tatsächlich ein Stück weit, weil also ich auch viele progressive Leute kenne, die sagen, direkte Demokratie, das könnte man nicht mehr machen in Deutschland. Das würde sozusagen in ein Erstarken des Autoritarismus gehen. Das ist tatsächlich ein für mich ungelöster Konflikt, weil ich damit auch sehe, dass das die progressivere Politik oder Menschen mit einem progressiven Weltbild, eigentlich eine autoritärere Gangart bevorzugen, um eben den Autoritarismus nicht erstarken zu lassen. So ist, glaube ich, spannend darüber, mal nachzudenken.

SK

Was ich wissen möchte, du stehst da. Und das ist ja gut, dass die Leute mit dir sprechen. Du willst ihn ja auch nicht über den Mund fahren, aber du willst sie will es ihnen ja auch gerecht werden bei deiner Berichterstattung.

BA:

Naja, also, ich habe da. Ich habe da eine klare Strategie verfolgt. Und und die war, die Leute durch Fragen durch hinterfragen zum zum weiteren Nachdenken zu bringen, auch zum vielleicht zum Überdenken der eigenen Position. Ich bin am letzten Drehtag Eimer komplett aus der Rolle gefallen. Da ist mir auch der Kragen geplatzt. Wenn es dann darum ging, der die Regierung finanziert, die Antifa und so weiter. Also konnte ich einfach nicht mehr. Das ist sofort eskaliert. Es war sofort so, die Arbeit war ab dem Punkt nicht mehr möglich. Dann hatten wir ein lautstarkes Streitgespräch mitten auf dem Marktplatz, und der journalistischen Arbeit war das nicht zuträglich.

TD

Du hast ja gefragt, ob man das stehen lassen kann.

SK

Das ist nicht die Frage, ob man das stehen lassen kann. Für mich ist ja eher die Frage, wie kriegt man das hin? Das man die Leute nicht vor den Kopf stößt und dass man ihnen irgendwie gerecht wird, aber sie eben auch nicht jeden Quark erzählen lassen kann. Das ist ja ein Problem. Also ich habe da keine Lösung dafür. Ihr seid ja die Reporter, die draußen sind.

TD

Naja, das ist ja auch situativ abhängig. Es gibt da kein Rezept. Es gibt Situationen, da ist es, nicht ratsam, eine große Diskussion anzufangen. Da muss man die Leute einfach reden lassen, egal, was die erzählen. Man darf aber nicht vergessen es ist nicht unser Job, Leute zu belehren. Und dann gibt es Situation, der so wie Ben geschildert hat. Hinterfragt man das denn wie sagt es hängt immer sehr von einer Situation. Das hängt von der Person ab. Der Mann redet, es hängt auch davon ab, wie Benjamin beschrieben hat. Manchmal gibt es ja auch Situation. Da hat man denn schon 43, krudeste Argumente und Verschwörungs Märchen gehört. Ja, da muss man sich versuchen. Natürlich disziplinieren. Schafft man natürlich nicht immer, wendet überhaupt ein Rezept. Ich würde mich jetzt so zappeln. Global ist ein Grundprinzip gehen, egal wie der andere Mensch tickt. Man muss ihm sozusagen auf Augenhöhe begegnen und ihm notfalls auch entgegnen natürlich kann man bestimmte Sachen nicht stehen lassen. Also keine Frage. Wenn also mir der AfD-Landtagsabgeordnete erzählt, die Willkommenspartys für Flüchtlinge finden nur statt, um die deutsche Bevölkerung abzuschaffen, damit dort quasi Familien gegründet werden als die Deutschen.

SK: ... als eine Art Heiratsmarkt? ...

TD

Ich habe ich dreimal nachgefragt. Ich halt das für eine rhetorische Figur der Übertreibung. Aber nein, der meinte das ernst. Und dann habe ich gefragt wie kommen Sie darauf? Können Sie das belegen? Er war völlig überzeugt. Belege spielten keine Rolle. Da kann man nur nachfragen. Unser Job ist zu fragen zu berichten.

SK

Gegen Ende wollte ich mit euch noch einmal auf eine Statistik schauen. Und zwar am Wahlabend gab es im ersten im im Brennpunkt eine Grafik zu einer Umfrage von Infratest dimap. Da ging es um die Zustimmung zu rechtsextremen oder rechtsextrem geprägten Aussagen. In Thüringen stimmten da 26 Prozent der Befragten zu, in Sachsen waren es 25 Prozent, in Gesamtdeutschland 22 Prozent. Ich fand es erstens erschreckend viel, aber ich fand jetzt auch, dass der Unterschied gar nicht so groß ist zwischen zwischen Ost und West und was ich mich schon lange Frage ist, ob das, was eure Erfahrung ist, wenn ihr unterwegs halt, wenn ihr draußen Zeit, ob die Leute mit denen ihr dann sprecht, rechtsextremes Gedankengut und Aussagen überhaupt als solche als solche sehen und als solche überhaupt wahrnehme?

TD

Das hat sich gerade im ländlichen Raum nach meinen Erfahrungen quasi normalisiert. Aber nach meiner Erfahrung auch schon seit vielen Jahren. Dass es nun so offen zutage tritt, hängt damit zusammen, dass die Leute, die so ticken, jetzt eine Partei haben, die erfolgreiches, die sich zu ihm bekennt. Sie ist zu ihnen. Also würde sagen, da hat eine Partei ihr Milieu gefunden und ein Milieu seine Partei. Und die ist auch geschickt im anverwandeln. Man hat bei Höckes Wahlveranstaltung gemerkt, dass am besten ankommt, wenn er das Volkstum lobt, das deutsche Volkstum und die Leute quasi damit über die anderen erhebt und sozusagen quasi verbrämt sozusagen eigentlich die Geschichte von Ausländer raus. Und Deutschland, den Deutschen erzählt, das ist aus meiner Sicht seit der Wende gewachsen, ist es zu wenig ernst genommen worden. Wir haben seit Jahren einen bestimmten ländlichen Bereich, in Ostdeutschland eine rechtsextreme Hegemonie. Und die kann sich jetzt offen entäußern. Die AfD hat im Wahlkampf ganz offen die Neonazi-Szene integriert. Es gab bei allen Wahlkampfveranstaltung in Sachsen und Thüringen auf die, bei denen ich war, in nicht zu geringer Menge offene Neonazis.. Landser-Shirts .. Sachen, die ganz klar sind. Bei der Abschlussveranstaltung von Höcke in Erfurt am Sonnabend vor der Wahl standen ganzer Block von knallharten und teilweise polizeibekannten und für ihre Gewalttaten bekannten Neonazis dabei. Daran stört sich niemand. Daran stört sich auch in Bautzen niemand. Wenn dann ein Block mitläuft von Neonazis, das ist akzeptiert, auch darüber findet in Ostdeutschland keine wirkliche Auseinandersetzung gehabt. Das bleibt das Spiel von Initiativen und Journalisten. Die Strafverfolgung funktioniert auch in diesem Bereich gerade im ländlichen Raum nur unzureichend. Kann ich bis heute zum Beispiel für den Fall Colditz sagen, es hat sich nichts geändert. Da stehen wir vor einer großen Aufgabe bei. Wie gesagt, die Zukunft dieser Region hängt von der Zuwanderung von Leuten ab, die Jobs machen, die anderweitig nicht besetzt werden können. Und viele Leute werden nicht kommen. Wenn diese Gegenden so rechtsextrem dominiert bleiben.

SK

Christin, gibt es deiner Meinung nach eine Normalisierung von rechtsextremen Gedanken?

CS

Also was ich wahrgenommen habe, ist, dass das durchaus bewusst war, dass da rechtsextremes Gedankengut da ist, bei der Thüringer AfD. Das aber irgendwie so eine gänzliche Abgrenzung dazu dann nicht stattfindet. Also man man wählt sie dann trotzdem, weil sie ja auch andere gute inhaltliche Punkte haben. Oder weil dann eben doch dann der Denkzettel gegenüber den anderen Parteien wichtiger ist. Und dann nimmt man das hin, dieses rechtsextreme Gedankengut. Ich denke also, bei denen Menschen, die ich getroffen habe, nicht, dass das die, dass da auch wirklich unterstreichen oder unterstützen oder das auch haben, sondern dass eben andere Dinge wichtiger sind und das tatsächlich wie ausgeblendet wird. Das ist die Erfahrung, die ich gemacht habe,

SK

Bei dieser Denkzettel-Geschichte, spielt vielleicht auch noch eine andere Statistik eine Rolle. Die fand ich auch erschreckend: Vom Wahlabend, auch von Infratest dimap. Danach haben 74 Prozent der Befragten gesagt, das Ostdeutsche an vielen Stellen Deutsche zweiter Klasse sind oder sich als solche fühlen. Also ich fühle mich nicht als Deutsche zweiter Klasse...

CS

Ich mich auch nicht

TD

Also ich halte ja diese identitätspolitischen Debatten eh für schwierig und nicht zielführend. Aber man muss natürlich sagen, dass da schon was dran ist. Also sozioökonomisch sind natürlich die Ostdeutschen im Schnitt wesentlich schlechter gestellt als die Westdeutschen. Das hängt einfach mit der Vorgeschichte die DDR zusammen, mit im Durchschnitt fehlendem Erbe. Das hängt auch mit Beziehungen zusammen. Viele Aufstiege werden bis heute vererbt, beziehungsweise über Beziehungen besorgt, weitergeben. Also so ganz falsch ist das nicht. Die Frage ist nur, wo das hinführt, wenn man darauf starrt. Man kann ein ganz einfaches Beispiel anführen, wenn man immer so tut, als sei man fremdbestimmt vom Westen. Gucken wir mal auf die Landesebene. Das sind ja sozusagen Kompetenzen, die in Ostdeutschland selbst liegen. In Ostdeutschland sprechen sie seit den Neunzigerjahren mindestens 80 Prozent kontinuierlich für ein längeres gemeinsames Lernen aus. Wie ist es das ja in der DDR gab, wo man ja bis zu acht beziehungsweise später in bis zur zehnten Klasse in eine Schule gegangen ist, aus. Aber egal, welche Regierungskonstellation .. in keiner Regierungskonstellation wurde das angefasst. Das heißt, es gibt doch bei den Sachen, die man machen könnte, wenig Traute, das zu tun. Und es ist viel einfacher immer zu sagen, der Westen ist schuld. Man hat keine Chance. Und so weiter. Und ehrlich gesagt das ist so eine Denkzettel. Politik, die man ja auch mit der Wahl der Linken oder Linkspartei oder PDS, wie sie damals hieß, schon geführt hat. Die Frage ist nur, ob sich das nicht erschöpft, weil den anderen immer nur Denkzettel zu verpassen, egal, was sie machen oder nicht machen, das muss man auch sagen. Man hat den Eindruck, dass für eine größere Minderheit der Menschen gerade in Ostdeutschland die Performance der Regierung gar keine Rolle mehr spielt. Ich glaube, dass das Grundproblem ist, dass das so eine Lawine von schlechter Laune sich im Osten verselbständigt hat. Die hat aus meiner Sicht wenig mit der realen Lage zu tun. Jeder, der arbeiten will in Ostdeutschland, findet eine Arbeit. Es gibt furchtbar viele freie Stellen. Das ist nicht mehr wie die 90er-Jahren, wo du händeringenden einen Job gesucht hast. Oder wie in den 2000er-Jahren, wo du um die Bedingungen fälschen musstest. Es hat sich wirklich geändert. Das heißt, das hat sich zu einer Lawine von schlechter Laune entwickelt. Und die hat sich aus meiner Sicht wirklich verselbständigt. Und für mich ist die große Frage, wie bekommt man das wieder abgefangen?

BA

Na, was ich spannend finde. An der Stelle ist ich meine, wenn wir jetzt Vergleich sind, 90er Jahre und heute? Was ist hier passiert? Also, wer möchte zurück in diese Zeit also. Aber was halt tatsächlich auch wesentlich geringer ist als im Westen, ist diese Stabilität Erfahrung, die ist viel, viel, viel kürzer. Also die 90er-Jahre Transformationserfahrung ja, die die eigene Identität auf einmal nichts mehr wert, neues Leben sich aufbauen müssen. Die Menschen schaffen, dass die, die sich behaupten können, in der sozialen Marktwirtschaft einen Job finden. Können sich was aufbauen, sich ein Haus bauen wie auch immer. Aber Ende der Nullerjahre geht einfach eine Zeit los, die immer stärker geprägt wird von so einem Krisenbegriff: Finanzkrise, Migrationskrise, Pandemie, Krieg, Inflation, Klimakrise. Und ich glaube diese Resilienz, diese Krisenresilienz ist hier auch wesentlich geringer ausgeprägt. Also die Angst, das sich Erarbeitete zu verlieren, die fruchtet viel stärker. Die fällt auf einen vier fruchtbareren Boden.

SK

Die Leute haben aber auch weniger Geld, um das auszugleichen.

TD

Ja, aber ich glaube, es ist tatsächlich was, wenn Ben gesagt hat. Also ich meine, das ist ja nicht immer nur nie einen Faktor. Ich glaube, dass ich nenne das ja für mich immer Entsetzung-Angst ist sowieso ein Motiv. Detroit Ben meinte also in den 90er-Jahren hat sich für viele Leute die Welt gedreht. Existenziell, was man in der DDR nicht kannte, egal wie der Arbeitsplatz beschaffen war. Aber man kannte diese Existenzängste nicht und auf einmal kannten die viele Leute. Und wie sagt sie, fühlten sich nichts mehr wert. Und viele haben da Jahre gebraucht, um sich zu berappeln, haben denn sozusagen sich ihren kleinen Wohlstand aufgebaut und mit diesen Krisenerfahrungen? Ich würde ja sagen er begann 2014 mit dem mit dem drohenden großen Krieg zwischen Ukraine und Russland aam und dann sozusagen mit der Flüchtlingskrise. Kriege führen immer zu einem Anstieg von Nationalismus. Und wenn es denn so ein großer Krieg ist, mit so weitreichenden Auswirkungen Russland-Ukraine kam, dann findet natürlich auch bei solchen zu solchen Ausflug bemerkenswert übrigens auch in anderen Ländern, wie der Nationalismus ansteigt, auch im Zusammenhang mit dem Krieg in Polen, gerade auch in den Anrainerländern der Ukraine. Und ja, es ist halt genau die Frage, wir brauchen da mehr Resilienz als Gesellschaft. Und wir sind da natürlich auch eine eine relativ verwöhnte Gesellschaft und müssen da irgendwie anders lernen mit umzugehen.

Aber man muss sagen, die Deutschen brauchen da wahrscheinlich auch eine er autoritär wirkende Figur an der Spitze, die für Ruhe sorgt. Heißt ja nicht, dass die autoritär regiert, aber sozusagen so jemand, dem man eben vertrauen kann. Da muss man sagen, da macht die Berliner Ampel kein gutes Bild, weder der Kanzler, noch die Tatsache, dass diese Regierung ja offenbar eine Großstadtkoalition des und ohnehin nicht die Sprache des ländlichen Raums spricht.

SK

Lasst uns ganz zum Schluss noch mal ganz kurz auf unsere beiden Bundesländer Thüringen und Sachsen schauen, über die wir ja gesprochen haben. Kleine Runde zum Schluss: Ausblick auf die nächsten fünf Jahre. Was erwartet uns in Sachsen und Thüringen? Christin?

CS

Wenn ich da jetzt noch einmal so für Crimmitschau sprechen darf, dann ja, habe ich wirklich Respekt vor dieser wirtschaftlichen Entwicklung, was eben auch die Automobilbranche angeht. Das steht Umfeld einfach für so eine Region. Und ansonsten muss ich sagen, gibt es aber dort auch sehr viel Zufriedenheit. Und von daher habe ich eigentlich einen positiven Ausblick im Großen und Ganzen.

SK

Ben, wie schaust du auf die nächsten fünf Jahre?

BA

Ja, das ist ja mal so eine Sache mit der journalistischen Glaskugel. Also ich gehe fest davon aus, dass es sehr komplizierte und langwierige Sondierungen Koalitionsverhandlungen geben wird. Andererseits ist es natürlich auch spannend, jetzt auf den Bund zu schauen und wie eben die Ampel reagiert. Wir spüren das ja bereits beim Thema Migration, das auf einmal Dinge möglich sind, die vorher einfach nicht möglich waren. Also beispielsweise Abschiebungen nach Afghanistan. Der stand ganz lange einfach nicht zur Debatte. Das heißt, es bewegt sich tatsächlich was aus, glaube ich aus auch als eine Konsequenz dieser Wahlergebnis. Das muss man leider so sagen. Also ich finde das persönlich sehr, ja fast schon. Schade einfach die Ampel hat lange Zeit gehabt, eine konstruktive Migrationspolitik auf den Weg zu bringen. Und jetzt macht es wieder den Eindruck, als würde sie nur von der AfD vor sich hergeschoben, von Ereignissen in Solingen und von Ereignissen. Es wirkt nicht sehr souverän an der Stelle. Und ja, das wird sich einfach zeigen, wie sich die Dinge bis zur kommenden Bundestagswahl weiter weiterentwickeln will. Es bleibt, es bleibt sehr spannend. Und in dieser Region muss man leider auch sagen, auch sehr gefährlich für viele. Wenn man sieht, wie wie wie viele im rechtsextremistischen Spektrum sich so ein Erstarken fühlen, sich sich mehr trauen, dass das Sagbare weiter verschoben wird, in Taten mündet, da muss man klar sagen: Ein Kollege von uns, der Michael Kraske, hat es "Angriff auf Deutschland" genannt. Und also wie viel wir stehen vor großen Herausforderungen.

SK

Thomas was glaubst du? Wie entscheidend werden die Koalition in Thüringen und Sachsen sein für das, was in fünf Jahren passiert?

TD

Ich bin jetzt hier vieleocht der Spielverderber. Ich glaube, das es gar nicht so einen großen Unterschied macht. Wie gesagt, würde den Gestaltungsspielraum von Ländern wegen ihrer Aufgaben und aufgrund der Finanzen auch nicht überschätzen. Es können alle nur Schritte, kleine Schritte gehen. Ich ich glaube die die also für mich. Die interessanteste Frage wird sein, weil du hast ja nach fünf Jahren gefragt, wie wie wir zu einer geerdeten Migrationspolitik kommen, die wir brauchen. Die sich sozusagen, aber irgendwie von von den Extremen unterscheidet und abhebt. Wir brauchen vielmehr die Gala Migration, um Arbeitsplätze zu besetzen. Es geht ihnen in den nächsten Jahren gerade in den beiden Ländern, über die wir reden Thüringen und Sachsen, sehr viele Leute in den Ruhestand oder ein Rente. Da sind viele Jobs zu besorgen, und es fehlen schlichtweg die jungen Leute hier, um sie von hier aus besetzen zu können. Ohne Zuwanderung wird es nicht gehen. Da brauchen wir schlichtweg eine Dame. Eine ganz nüchterne Diskussion beweist Diskussion ganz nüchterne Lösung. Das wird meiner Sicht die interessante Frage, weil der dieser rechte und rechtsextreme Block doch im Moment sehr groß scheint und immer noch größer zu werden scheint, auch wenn er sozusagen im Moment nicht mehrheitsfähig ist. Und das wird aus meiner Sicht die größte Frage der der nächsten Jahre werden kam, wie diese ostdeutsche Teilgesellschaft damit umgeht. Wenn sie das nicht schafft, dann befürchte ich dann wird sich die die Abwanderung aus bestimmten Regionen und die Überalterung bestimmter Regionen, die ohnehin teilweise krasses Baum noch massiv verstärken. Und Frage ist zu sagen, ob man, ob man das durch Wahlentscheidung in Kauf nehmen will.

SK

Danke für eure Arbeit und danke für dieses Gespräch. Christin Simon, Ben Arnold und Thomas Datt

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Warum denken viele Menschen im Osten anders über Demokratie und Mitbestimmung? Brauchen wir eine neue Diskussionskultur? Drei Reporter berichten, wie sie die Stimmung vor und nach den Landtagswahlen erleben.

MDR FERNSEHEN Fr 20.09.2024 08:18Uhr 62:32 min

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