MDR INVESTIGATIV - HINTER DER RECHERCHE (FOLGE 110) Thüringen hat die Wahl

Audiotranskription

08. August 2024, 18:39 Uhr

Intro

Bodo Ramelow ist 68 Jahre alt. Wenn der nicht Ministerpräsident bleiben kann, ist es vorstellbar, dass ein Mann wie Bodo Ramelow zurück auf die Oppositionsbank geht? Also bei Bodo Ramelow ist alles vorstellbar ...

.. Die Macht von Björn Höcke, die ja immer so als völlig unangreifbar und dieser Mann als unangreifbar galt, die erodiert schon ein ganzes Stück...

.. Ich habe das immer wieder erlebt, wie nicht nur am Ende solcher Veranstaltungen und Reden von Höcke nicht nur er Tränen vor Begeisterung über sich selbst in den Augen hatte, sondern auch Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Veranstaltung

Mario Voigt hat in den vergangenen Jahren öffentlich immer großen Wert auf seine universitären Titel gelegt. Professor Doktor Mario Voigt . Und interessant ist zum Beispiel, es ist mir aufgefallen, auf sämtlichen Wahlplakaten in Thüringen verzichtet Mario Voigt komplett auf diese Titel. Da steht nirgendwo mehr Professor Doktor ..

Moderation:

Herzlich willkommen zu „MDR Investigativ - Hinter der Recherche“. Mein Name ist Secilia Kloppmann. Unser Podcast erscheint alle zwei Wochen freitags in der ARD Audiothek und da, wo Sie uns gerade hören. Diesmal soll es mit Blick auf die Landtagswahlen am 1. September um Thüringen gehen. Dafür ist zugeschaltet aus dem MDR Landesfunkhaus in Erfurt mein Kollege Ludwig Kendzia. Und ich freue mich, dass Thomas Datt wieder Zeit gefunden hat und mit mir hier im Studio ist.

Secilia Kloppmann (SK)

Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Landtagswahl. Wir hatten ja in der letzten Folge über die Landtagswahlen in Sachsen gesprochen. Und da gibt es die beiden Hauptkontrahenten CDU und AfD, das war auch schon 2019 so. In Thüringen, dass es zumindest mein Gefühl. Da ist mehr Bewegung drin in der Thüringer politischen Landschaft. Oder?

Ludwig Kendzia (LK)

Naja, auf jeden Fall deshalb, weil natürlich die AfD, die besonders zum Ende des letzten Jahres und auch Anfang dieses Jahres immer mehr an Kraft gewonnen hatte. War nach den letzten Umfragen stärkste Kraft - hat allerdings auch wieder eingebüßt. Aber so gerade um den Jahreswechsel in der ersten Jahreshälfte sah es ja so aus, als wenn Björn Höcke und seine Leute sogar von vielleicht eventuell einer absoluten Mehrheit träumen konnten. Davon sind sie wieder weit entfernt. Inzwischen ist BSW aufgetaucht, mit Katja Wolf, der ehemaligen Eisenacher Oberbürgermeisterin an der Spitze. Die mischen den Laden hier auch ganz kräftig auf. Also ja, da ist viel Bewegung drin, hier in Thüringen.

SK

Wahrscheinlich wird das jetzige Regierungsbündnis, geführt von den Linken unter Bodo Ramelow mit SPD und Grünen Schwierigkeiten haben, dieser Regierung fortzuführen..?

LK

Auf jeden Fall. Also nach den letzten Umfrage hat Bodo Ramelow mit dem jetzigen rot-rot-grünen Bündnis aus Linken, SPD und Grünen so gut wie keine Chance, dass das weitergeführt werden kann. Was da nach dem 1. September kommt ist völlig offen. Es gibt verschiedene Szenarien, da muss man halt mal gucken, da ist viel Bewegung drin. Einerseits ist es durchaus denkbar, dass eventuell das BSW vielleicht so viel bekommt, dass die sozusagen die stärkste Kraft werden, also nach der AfD. Aber mit der AfD will keiner und wird auch aller Wahrscheinlichkeit nach hier niemand koalieren in Thüringen, sodass es dann verschiedene Bündnisoptionen geben könnte, die möglicherweise vielleicht sogar auch eine Regierung bilden könnten, die tatsächlich eigentlich mal eine Mehrheit hat. Denn es sei ja erinnert:Die jetzige Regierung unter Bodo Ramelow ist ja eine Minderheitsregierung.

SK

Ich habe neulich einen Podcast gehört, der heißt „Thüringen 2024 - Was wäre wenn?“ von der Bundeszentrale für politische Bildung. Da war zu Gast der Journalist Martin Debes und der etwas Interessantes gesagt. Er hat gesagt, Thüringen war schon immer schwer regierbar und hat es auf die Kleinstaaterei zurückgeführt. Noch mal die Frage an dich, Ludwig, ist da was dran?

LK

Naja. Wenn's Martin Debes schreibt, wird es schon stimmen …Ich muss dazu sagen, ich kenne Martin Debes schon sehr, sehr lange als Kollegen hier in Thüringen. Und ja, wenn man dieser These folgt, da ist schon ein bisschen was dran. Thüringen ist ja so ein Flickenteppich aus, sagen wir mal vorsichtig, so ein bisschen regionale Landsmannschaften, da haben wir in Nordthüringen das Eichsfeld, das stark katholisch geprägt ist. Und die Eichsfelder, die haben schon nicht nur in diesem Jahrhundert, sondern im letzten Jahrhundert sich nicht Richtung Erfurt orientiert. Und waren er doch immer in Richtung Niedersachsen, Hessen, Richtung Göttingen. Also die konnten mit Erfurt noch nie viel anfangen und schon gar nicht als Landeshauptstadt. Alles, was hinter dem Rennsteig ist, die Südthüringer Landkreise, die sehen sich auch ein bisschen autonomer. Besonders in Ostthüringen gibt es auch viele, die so ein bisschen sagen wir mal in den westsächsischen Raum sich orientieren. Also ja, das hat schon ein bisschen was mit einem Flickenteppich manchmal zu tun. Auch die Städte übrigens. Es ist zum Beispiel nie gelungen, über 30 Jahre nach der deutschen Einheit eine Metropolregion Erfurt-Weimar-Jena zu gründen. Es hat nicht funktioniert.

SK

Thomas, Du lebst ja in Sachsen, bist natürlich aber viel unterwegs, auch in Sachsen-Anhalt und auch in Thüringen. Wie hast du denn so die politische Landschaft seit der Regierung Ramelow wahrgenommen in den letzten zehn Jahren?

Thomas Datt (TD)

Also, ich würde sagen, dass sich auf den ersten Blick nicht so viel verändert hat. Thüringen ist halt immer eine Spur gemütlicher als Sachsen. Ist halt doch viel kleinteiliger. Also, wir haben ja auch in Sonneberg gedreht. Da geht es nicht nur um den Dialekt, sondern auch um den Blick auf die eigene Region. Der ist so stark davon geprägt, dass viele Sachen außerhalb gar nicht interessieren. Also Thüringen ist da schon sehr eigen. Viel geändert hat sich aus meiner Sicht nicht. Man darf ja nicht vergessen, dass die Versuche der rot-rot-grünen Regierung, die jetzt nur noch eine Minderheit hat, gescheitert sind, zum Beispiel eine Kommunalreform durchzuführen. Und sie sind glaube ich, auch gescheitert, weil man zu wenig das Selbstbewusstsein der Leute ernst genommen hat.

Man darf halt auch nicht vergessen. Ein nicht unwichtiger Teil auch dieser Koalition - als sie noch eine Mehrheit hatte - sind ja auch die Grünen. Und die Grünen in Thüringen zum Beispiel haben seit vielen Jahren oder fast Jahrzehnten das Problem, dass sie einfach im ländlichen Raum nicht verankert sind. Ihre stärksten Regionen sind halt Jena, Weimar, Erfurt natürlich. Das ist schon schwierig. Und in den ländlichen Gebieten hat sich rot-rot-grün aus meiner Sicht sehr, sehr schwer getan.

SK

Weil ihr es gerade angesprochen habt, Thüringen ist insofern auch besonders, dass es das erste Bundesland ist, wo es einen linken Ministerpräsidenten gibt, seit 2014 Bodo Ramelow. Ich bin ja selbst auch Thüringerin. Einerseits war Bodo Ramelow durchaus bekannt, dabei ja schon lange Landespolitiker. Den kannten die Thüringer. Man war schon auch ein bisschen skeptisch, was das jetzt wird mit einem linken Ministerpräsidenten. Und es gab ja damals auch so Szenarien, nach dem Motto „Thüringen wird untergehen“ unter einem linken Ministerpräsidenten .. man kann konstatieren: Thüringen steht immer noch zehn Jahre später. Woran hat man denn als Thüringer Bürger gemerkt, dass es eine linksgeführte rot-rot-grüne Koalition gibt?

LK

Ehrlich gesagt nicht sofort und auch nicht so direkt. Also sagen wir mal so, wer sich ein bisschen intensiver mit Landespolitik, so wie wir als Journalistinnen und Journalisten auskennt oder sich damit beschäftigt, sicherlich schon. Aber für den normalen Bürger draußen auf der Straße hat sich eigentlich jetzt nicht so dramatisch viel geändert. Aber es gab halt auch Leute, die sind dann auf die Straße gezogen und haben demonstriert mit DDR-Fahnen und haben gesagt ja, Thüringen wird jetzt eine Art Nordkorea und son Quatsch. Also das war teilweise schon ein bisschen spooky, was hier passiert ist. Das ganze Konstrukt hat auch nur funktioniert mit Bodo Ramelow. Es hat kein Politiker oder Politikerin in der Linken gegeben, der in der Lage gewesen wäre, diese Position auszufüllen. Man muss ja sich immer klar vor Augen führen, bis Bodo Ramelow 2014 die Landesregierung übernommen hat als Ministerpräsident, hatten wir ja in Thüringen von 1990 an immer eine CDU-geführte Landesregierung, also immer CDU-Ministerpräsidenten und zwischen 1999 und 2009 also bis Dieter Althaus zurückgetreten ist und Christine Lieberknecht Ministerpräsidentin wurde und koalieren musste mit der SPD, weil sie keine eigene Mehrheit mehr hatte, hat die CDU allein regiert. Da hat sich ein Politikstil herausgebildet, der doch teilweise manchmal sehr, sehr - ich würde mal vorsichtig sagen leicht „monarchisch“ gewesen ist. Also die CDU hat sich immer doch sehr, sehr in ihrer Regierung, nicht nur in die Regierungsverantwortung gesonnt, sondern hat eben auch, sagen wir mal so ein bisschen manchmal so diesen Nimbus des von oben herab Regierens gehabt, auch in die Regionen hinein. Das ist nicht immer gut angekommen. Da gab es auch immer viel Zoff und viel Gestreite. Dann musste die CDU sich auch erst mal an der Oppositionsrolle nach 2014 zurecht finden. Und Bodo Ramelow hat sicherlich dafür erstmal gesorgt, dass das schon ein bisschen anderer Politikstil wurde, also ein bisschen auch transparenter in der Koalition selber. Also hat zumindest versucht, auch eine andere Form der Kommunikation zu finden, auch im Landtag, auf die Leute zuzugehen und so weiter. Eines der wichtigsten auch besonders sagen wir mal doch etwas politisch-ideologischen Projekte war eine Reform des Thüringer Verfassungsschutzes. Der wurde also brutalst eingegrenzt, und das Verfassungsschutzgesetz wurde da noch mal geändert. Also, da ist schon einiges in Bewegung geraten.

SK

Thomas – aus deiner Beobachterposition heraus - war die Politik aus Thüringen heraus eine andere?

TD

Bodo Ramelow hat das Land sehr seriös und sehr solide verwaltet. Er ist ja auch so ein landesväterlicher Typ. Und der ist natürlich auch ein erfahrener Verhandler als alter Gewerkschafter. Das kam ihm natürlich in vielen Punkten zugute. Er konnte, obwohl er manchmal auch sehr temperamentvoll sein kann, doch immer wieder auch Leute zusammenbringen und vermitteln. Aber ich würde sagen, ansonsten sind ja auch die strukturellen Probleme, die die Ostländer haben, überall die gleichen.

SK

Lasst uns mal schauen auf zehn Jahre rot-rot-grün unter Bodo Ramelow. Ich habe ihn neulich in einem Podcast gehört, bei Kollegen der Funke-Mediengruppe. Und da hat er als große Errungenschaften seiner Regierungszeit zum Beispiel die Verfassungsänderung angeführt, nämlich dass das Ehrenamt gestärkt worden ist, Gleichwertigkeit der Regionen - glaube ich, ist ein wichtiges Thema in Thüringen- ,Nachhaltigkeit. Dann hat er gesagt, Thüringen hat über 7000 Lehrer neu eingestellt. Natürlich reicht es immer noch nicht. Das ist ihm auch klar. Und es gibt ein spezielles Anwerbeprogramm für Arbeitskräfte aus Vietnam und der Mongolei. Sind das tatsächlich die Punkt, Ludwig, die wichtig waren in Thüringen?

LK

Ja, es ist richtig, auch die Sache mit dem Ehrenamt und der Verfassungsänderung. Da hat Rot-Rot-Grün dran geschraubt. Aber da hat auch die CDU mit geschraubt, weil ohne die CDU, wäre das unter dieser Minderheitsregierung gar nicht möglich gewesen. Also auch da musste man sich immer einigen. Bei den Lehrern ist das halt ebenso. Sie haben Lehrer eingestellt, aber es sind halt eben auch ganz ganz viele Lehrer in Ruhestand gegangen. Deswegen ist das Problem des Lehrermangels natürlich überhaupt nicht gelöst, ganz im Gegenteil, es fehlen nach wie vor Lehrer. Die Unterrichtsausfallzahlen sind nach wie vor sehr hoch und sehr extrem. Also man bemüht sich. Die Landesregierung hat versucht, vieles wie man so schön sagt, auf die Kette zu bringen. Aber es ist halt eben nicht so einfach. Das ist ein Problem aller Bundesländer. Und die Möglichkeiten eines einzelnen Bundeslandes sind ja auch im Kontext der Bundespolitik zum Beispiel Bundesgesetzgebung, so weiter, ja auch immer nur sehr begrenzt.

SK

Was ist denn nicht gut gelaufen unter Bodo Ramelow und rot-rot-grün in Thüringen deiner Meinung nach?

LK

Die Landesregierung hatte natürlich in der letzten Legislatur natürlich die Problematik, dass sie eben als Minderheitsregierung agieren musste. Das war halt auch nicht so einfach. Was ein großes Problem ist und was sie letztendlich nicht wirklich in den Griff gekriegt haben, ist die ganze Frage der Aufnahme und auch der Versorgung und Unterbringung von Flüchtlingen. Das war nach wie vor bis heute immer ein großes Problem und ist es auch immer noch. Ich erinnere an die großen großen großen Schwierigkeiten und Auseinandersetzung, die es da gegeben hat um die Erstaufnahmeeinrichtung in Suhl. Das hat die Landesregierung nicht in den Griff gekriegt. Man hat Jahr 2014 folgendes gemacht man hat das Justizministerium, dass die Grünen damals bekommen haben unter Dieter Lauinger. Man hat dem Justizministerium damals auch den gesamten Bereich Flüchtlinge und Migration mit dazu gegeben. Und man muss ehrlicherweise sagen dieses Experiment ist de facto gescheitert. Zwischendurch waren die Situation teilweise so dramatisch gewesen, dass Ramelow das selbst in die Staatskanzlei zu sich geholt hat. Dann hat man das irgendwie so ein bisschen halbwegs in den Griff gekriegt. Und dann ist es wieder eskaliert. Und jetzt liegt es an Georg Maier, dass der Innenminister SPD-Vorsitzender hier in Thüringen, der hat das jetzt so ein bisschen besser in den Griff bekommen, woran Sie auch gescheitert sind. Sie haben versucht, einen Landesamt für Migration zu gründen, dass das die Hand nehmen sollte. Das Projekt ist komplett nach hinten losgegangen, hat nicht funktioniert.

TD

Ich glaube, dass es auch von außen betrachtet nach wie vor rätselhaft ist, wie man es in einer selbst erklärt linken Regierung es innerhalb dieser vielen Jahre nicht geschafft hat, die Erstaufnahme ordentlich zu regeln. Thüringen hat er damals in der Flüchtlingskrise 2015 /16 wesentlich besser dagestanden, als zum Beispiel Sachsen, weil man damals ganz andere baulichen Möglichkeiten hatte. Und man muss unterm Strich sagen, dass die beiden grünen Minister, die dafür zuständig waren, offensichtlich damit überfordert waren. Die Frage ist doch, warum sich über so viele Jahre ziehen konnte. Also da ist eine Regierung ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht geworden, da hat die Regierung sich über viele Jahre ein Eigentor nach dem anderen geschossen.

SK

Thema sogenannte „Posten-Affäre“. Der Landesrechnungshof hat die Personalpolitik der Landesregierung beanstandet, gab es sogar den Vorwurf der Untreue. Die CDU hat dann einen Untersuchungsausschuss ins Leben gerufen. Das hat für Unruhe gesorgt im Land..

LK

Ja, das hat für Unruhe gesorgt, im Land und vor allem auch deshalb für Unruhe gesorgt, weil ja Bodo Ramelow 2014 auch als ein Ministerpräsident angetreten ist, der ja sozusagen versucht hat, eben einer anderen Weg zu gehen, der selber in den Jahren als Oppositionsführer war, gegen CDU-Personal Filz gewettert hat. Und nun kommt der eigene Landesrechnungshof und wirft ihm als Chef dieser Landesregierung natürlich nicht ihm persönlich, aber eben als Ministerpräsident und auch seinem Staatskanzleiminister Benjamin Hoff vor, Leute aus Parteikreisen mit Posten versorgt zu haben.

SK

Interessant fand ich, dass im Zuge dieses Untersuchungsausschusses auch die frühere CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht ausgesagt hat. Und da ging es um einen ähnlichen Fall. Da ging es auch um eine Staatssekretärin.

LK

Genau, und da hat dann rot-rot-grün gesagt wir werden als Untersuchungsgegenstand auch noch die Legislaturperiode 2009 bis 2014 oder Christine Lieberknecht mit einbeziehen. In die Untersuchung, um da zu gucken, ob da nicht eventuell auch so was passiert ist und der es muss man halt auch dazu sagen, dass die CDU da im Glashaus also mal abgesehen davon. Es ist natürlich von der CDU in gewisser Weise ein ganzes Stück auch geheuchelt, weil, was ich vorhin gesagt habe die CDU hat. Zwischen 1990 und 2014 hat sie immer den Ministerpräsident oder die Ministerpräsidentin und weite Teile der Minister gestellt. Die CDU war zwischen 1999 und 2009 Jahrelang in der absoluten Mehrheit. Das heißt, sie konnte de facto tun und lassen, was sie wollte. Und natürlich hat die Thüringer CDU selber über all diese vielen, vielen Jahrzehnte diverseste Menschen diverseste, Politiker, Ex-Politiker, Ex-Landtagsabgeordnete mit Posten und Pöstchen irgendwo versorgt hat

SK

Hat das jetzt die Thüringer Bürger wirklich bewegt, diese Geschichte?

LK

In erster Linie ist es eine Story, die in der politischen Blase natürlich gern durchdiskutiert/ durchgeheizt wird. Mario Voigt und seinen Parlamentarische Geschäftsführer Bühl tragen das natürlich permanent in die Öffentlichkeit mit Pressemitteilungen... ob das ernsthaft gefruchtet hat und ob das wirklich jetzt auch für die Wahl entscheidend ist oder auch besonders für die Person Bodo Ramelow , ob ihm das schadet? Kann ich schlecht einschätzen, kann ich mir aber ehrlich gesagt nicht so richtig vorstellen.

SK

Bodo Ramelow will zum dritten Mal Thüringer Ministerpräsident werden. Bisschen salopp gesagt, kommt der mir vor, wie ein Feldherr ohne Armee. Die eigenen Truppen, die Partei Die Linke, die schwächelt extrem. Die hatten 2019 noch knapp 31 Prozent. Jetzt liegen die es je nachdem, was man für eine Umfrage anschaut zwischen elf und zwölf Prozent. Die Koalitionspartner sind ihm auch irgendwie teilweise abhanden gekommen. Die Grünen liegen unter fünf Prozent, bei vier, die SPD sieben Prozent. Wie will Bodo Ramelow das eigentlich schaffen Ministerpräsident zu bleiben in Thüringen?

LK

Also. Erstens ist er eine Kämpfernatur. Das ist ein Typ, der sich da schon auch in die Bresche wirft und da auch nicht einfach aufgibt. Ich bin mir nicht sicher, ob er im Innersten seines Herzens und seines politischen Verständnisses wirklich dran glaubt, dass er Ministerpräsident bleibt. Aber er wird diese Botschaft weiter nach draußen tragen. Und die Linke in Thüringen hat gerade ein massives Problem. Die Linke in Thüringen bröckelt, die Umfragewerte sind schlecht. Die Partei hat meiner Meinung nach auch ein Personalproblem nachrückenden Leuten, die in Führungsebenen gehen. Der jetzige, noch aktuelle Fraktionschef der Linken im Thüringer Landtag, Steffen Dittes, hört auf. Der verlässt die Politik, geht weg - mit seiner Familie nach Norwegen. Andere, sagen wir mal, gute Leute, die ehemalige Parteivorsitzende Susanne Hennig-Wellsow ist inzwischen in Berlin, andere wie Martina Renner auch, in Berlin, im Bundestag. Also, das wird schwierig. Und Ramelow wird sagen dann werde ich zwar vielleicht nicht Ministerpräsident, aber ich werde zumindest versuchen, mit meinem Gesicht mit meiner Stimme mit meinem auftreten, wenigstens meiner Partei noch ein paar Stimmen, paar Prozentpunkte einfach zu retten in dieser Landtagswahl.

SK

Es gibt ja immer so Umfragen. Wen würden Sie wählen, wenn sie den Ministerpräsidenten direkt wählen würden? Fast die Hälfte der Thüringer würden Bodo Ramelow wählen. Was hat er für eine Strategie? Also wie will der die Thüringer überzeugen?

LK

Also erstens bringt er den Amtsbonus als Ministerpräsident mit - das sind ja schon mal ganz viele Prozentpunkte, die du da hast. So. Und dann setzt er natürlich einfach drauf, indem er sagt ich habe jetzt faktisch seit 2014, also zehn Jahre lang, dieses Land durch verschiedene Höhen und Tiefen geführt. Er wird eben einfach den Landesvater auch verkörpern, in der Hoffnung, dass einfach genügend Menschen sagen ja, Mensch, den finden wir eigentlich ganz toll. Den wählen wir.

TD

Es wird ja im Grunde auch nur mit ihm geworben. Es ist so ähnlich wie beim BSW, wo Sahra Wagenknecht die zentrale Figur ist. Aber im Unterschied zu Sahra Wagenknecht ist Ramelow in Thüringen verortet. Bodo Ramelow die zentrale Person. Ich sehe das wie Ludwig. Ramelow ist ein Kämpfer, der hat, glaube ich, schon den Ehrgeiz. Selbst wenn er nicht für realistisch hält. Sagen wir mal, dieses Rrennen, zumindest offen zu halten und findet wird eine interessante Frage werden. Wenn man sich das anguckt, könnte man ja erst mal sagen, es ist ein Vierkampf. Aber ich würde Höcke mal aus rausnehmen, denn dadurch, dass das BSW so gut in den Umfragen liegt, dass es eher ein Vier-Parteien-Parlament geben wird, ist es relativ aussichtslos für die AfD, dass sie irgendwie nur in die Nähe einer absoluten Mehrheit kommt. Das heißt, Höcke, der auch selbst bei eigenen Anhängern zum Teil umstritten ist, wird keine Chance haben, Ministerpräsident zu werden. Also am Ende werden wir aber vielleicht einen Dreikampf haben zwischen Frau Wolf vom BSW, zwischen Herrn Voigt und Ramelow. Und das könnte auch jetzt natürlich am Ende interessant werden, wenn es sich hier doch diesen Dreikampf zuspitzt. Der BSW hat eine starke Frontfrau mit Frau Wagenknecht, hat diese Friedensthema, was im Osten absolut gut ankommt. Voigt präsentiert sich als Wechsel-Alternative, ist aber jemand, der keine Regierungserfahrung hat und der politisch relativ blass wirkt. Und Ramelow ist der der Erfahrung und ja auch tatsächlich von der Persönlichkeit die größte Statur hat.

SK

Bodo Ramelow ist 68 Jahre alt, wenn der jetzt nicht die erforderlichen Mehrheiten zusammenkriegt und nicht Ministerpräsident bleiben kann. Ludwig, ist es vorstellbar, dass ein Mann wie Bodo Ramelow zurück auf die Oppositionsbank geht? Was glaubst du?

LK

Bei Bodo Ramelow ist alles vorstellbar. Ich kenne Bodo Ramelow jetzt seit über 20 Jahren aus meiner journalistischen Karriere heraus. Und Bodo Ramelow überrascht immer wieder, wenn er nicht emotional wird. Er ist ein gewiefter Taktiker, und er kann auch hin und wieder ein guter Stratege sein. Ich bin mir nicht sicher, was er besser ist, ein guter Taktiker oder guter Stratege. Ich traue ihm aber auch zu, dass er sagt das interessiert mich alles nicht. Ich bin raus.

SK

Das wäre dann das Aus für die Thüringer Linke?

LK

Das wäre jetzt nicht das Aus für die Thüringer Linke. Aber es wäre wirklich schwierig. Das wäre nicht ganz einfach. Da muss man halt mal gucken. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass es dann auch in der Thüringer Linken da vielleicht den einen oder anderen möglichen Machtkampf noch mal gibt.

TD

Wobei klar, an der Person Ramelow hängt sicher viel. Andererseits Symptomatik in Thüringens anders als in anderen Ost-Ländern. Die Linke wird im Moment - dieser Trend hält jetzt schon seit ein paar Monaten relativ stabil an - offenbar sehr stark vom BSW beerbt. Und die Frage wird sein, wie will die Linke sich überhaupt neu erfinden, um der Gefahr des völligen Zersplittern und des Abrutschen in den nächsten Jahren zu begegnen.

SK

Ich würde jetzt mal beim größten Konkurrenten aus meiner Sicht für Bodo Ramelow weitergehen. Das ist Mario Voigt. Die CDU liegt ungefähr bei 23 Prozent, das sind zwei Prozent mehr als 2019 ist jetzt nicht so wahnsinnig viel. Aber es ist stabil vor der Landtagswahl in Thüringen 2019. Da gab es relativ viel hin und her und Zwist unter dem damaligen CDU-Chef Mike Mohring. Mario Voigt hat ihn dann abgelöst. Als Fraktionsvorsitzender ist seit 2022 Chef der CDU. In Thüringen konnte der jetzt so ein bisschen Ruhe in die CDU reinbringen, in die CDU Thüringen?

LK

Ja, also ich denke schon. Das ist jetzt auch kein Burgfrieden. Die ganze CDU Fraktion, die ganze Landes-CDU, hat sich einfach seit 2014 über viele Jahre wahnsinnig schwer getan zu akzeptieren, dass sie in der Oppositionsrolle sind. Und es hat die Landes-CDU selbst glaube ich, echt hart getroffen. Die waren glaube ich, auf die Möglichkeit, auf die taktische Möglichkeit, dass sie bei dieser Landtagswahl 2014, vielleicht wirklich mal den Kürzeren ziehen könnten, überhaupt nicht vorbereitet gewesen. Dann kam dieser ganze Kemmerich-Irrsinn. Und man muss halt dazusagen,Mario Voigt hat das dann tatsächlich versucht, einfach in die Hand zu nehmen, weil ansonsten wäre diese Thüringer CDU völlig erodiert. Also das wäre, glaube ich, irgendwann komplett so richtig kaputtgegangen. Und ich würde schon sagen, dass Voigt zumindestens jetzt erstmal Ruhe reingebracht hat. Auch für ihn gilt natürlich, wie viel alle anderen Politiker: das Wahlergebnis wird entscheidend werden, wie sicher er im Sattel sitzt. Aber ich denke momentan, derzeit, aktuell, ist er, glaube ich, unangefochten auf seiner Position als Parteichef und auch als Fraktionsvorsitzender natürlich.

SK

Mario Voigt ist relativ jung, 47 Jahre alt, hat Politikwissenschaft studiert, Hochschullehrer, hat seinen Wahlkreis im Saale-Holzland-Kreis. Der wirkt immer erst mal so, als Person eher bedächtig, haut dann aber auch immer mal auf die Pauke. Ich erinnere mich nur an die „Energie-Stasi“-Geschichte wegen des umstrittenen Heizungs-Gesetzes kann Mario Voigt die Thüringer überzeugen? Was glaubst du?

LK

Er ist ja Professor an einer privaten Hochschule in Potsdam, für Kommunikation und Politik. Er ist vor allem ein ausgewiesener Experte für das Thema Wahl- Campaining. Er hat da sich so ein bisschen auch so eine Beraterkarriere, so eine zweite Karriere., als Politik, Beratung, Politik, Management, Organisation, Wahlbeobachtung, Politikanalyse so ein bisschen aufgebaut und hatte glaube ich, eigentlich gar nicht mehr damit gerechnet, dass ihn die politische Bühne als Parteichef in Thüringen noch mal erreichen könnte. Und dann kam die Kemmerich-Wahl, und dann kam sozusagen der ganze Absturz von Mike Mohring im Zusammenhang mit der Kemmerich-Wahl. Und dann war klar, jetzt muss irgendjemand übernehmen. Ich bin mir nicht so richtig sicher, ob er sich so wirklich tiefsten Inneren seines Herzens mit dieser Rolle wirklich wohlfühlt, diesen volkstümelnden, draußen im ländlichen Raum unterwegs seienden Mann zu spielen, Politiker zu spielen. Und ich sage jetzt mal bewusst auch „spielen“, weil ich manchmal den Eindruck habe, er muss sich das schon draufdrücken. Er ist nicht so ein volksnaher Typ, das fällt ihm schon nicht so leicht. Er ist er doch eher ein Intellektueller. Und er muss ich, glaube ich, manchmal auch zu dieser politische Attacke, manchmal echt zwingen. Und ich glaube, dass der Wähler dann auch ein gutes Gespür hat. Und die Frage ist, ob er ihm das wirklich alles so klar und deutlich abkauft. Da habe ich so ein bisschen meine Zweifel. Also Mario Voigt hat in den vergangenen Jahren der öffentlichen Wahrnehmung immer großen Wert auf seine universitären Titel gelegt. Professor Dr. Mario Voigt. Und interessant ist zum Beispiel, ist mir aufgefallen auf sämtlichen Wahlplakaten, die nun Thüringen siehst auf sämtlichen Wahlplakaten. Politiker werben ja gerne mit ihren akademischen Titel ne Frau, Doktor soundso, Professor, Sohn so, und Mario Voigt verzichtet komplett auf diese Titel. Da steht nirgendwo mehr Professor Doktor Mario Voigt. Die Strategie dahinter ist er versucht dieses Professorale, dieses bisschen leicht von oben herab erklärende, weil er manchmal auch so ein bisschen rüberkommt. So ein bisschen besserwisserischer, das will er, glaube ich, irgendwie versuchen, damit auch abzuschütteln.

TD

Er muss natürlich auch erst mal schaffen, die Wähler davon zu überzeugen, dass er wirklich durchsetzungsstark ist. Und da gibt es eine Sache. Da hat er auch nach seiner eigenen Einschätzung keine gute Figur gemacht. Es gab ja damals, nach diesem Desaster mit der Kemmerich-Wahl gab es den sogenannten Stabilitätspakt. Ramelow wurde wiedergewählt als Ministerpräsident, hatte aber keine eigene Mehrheit im Parlament. Es gab diese Vereinbarung mit der CDU, und dazu gehörte auch, dass es denn 21 Neuwahlen zum Landtag geben sollte, wurde in wegen Corona verschoben. Aber im selben Jahr haben denn sowohl CDU-Abgeordnete als auch Linken-Abgeordnete verhindert, dass es zu der nötigen Auflösung des Parlaments kommen kann. Und da hat es Voigt nicht geschafft, die Leute in seiner Fraktion auf Linie zu bringen, das heißt an seiner Durchsetzungskraft bestehen, wenn man die Vergangenheit anguckt, durchaus Zweifel. Was auffällig ist, dass er versucht, über die Boulevard-Medien vornehmlich über die Bild-Zeitung, diesen populistischen Ton zu treffen. Und das ist natürlich eine Frage, ob er das in dem Wahlkampf, sagen wir mal filigraner hinkriegt, als in der Vergangenheit. Wie das manchmal so bei Leuten ist, die eigentlich nicht populistisch agieren, wenn sie es denn mal versuchen, springen sie in den Farbtopf und es spritzt ganz schön. So wie, als er von Habecks Energie-Stasi sprach und natürlich zurückrudern musste. Weil das für einen konservativen, seriösen Politiker natürlich einfach zu viel war.

SK

Was ja nun wirklich auch vorbei ist, sind die Zeiten der Alleinregierung. Dass heißt, die CDU, wenn sie regieren will in Thüringen, braucht sie einen Koalitionspartner oder vielleicht zwei. AfD und Linke kommen da nicht in Frage seitens der CDU. Die FDP ist gerade bei zwei Prozent, die wird also nicht im Landtag vertreten sein, so wie es jetzt aussieht. Die Grünen - sieht auch nicht so gut aus. SPD sieben Prozent. Da bleibt ja eigentlich nur das Bündnis Sahra Wagenknecht. Die liegen jetzt ungefähr bei 21 Prozent. Aber so richtig einfach macht es ja eine Sahra Wagenknecht möglichen Koalitionären gerade nicht, wie es denn da so die Stimmung in Thüringen bezüglich dem BSW und der CDU?.

LK

Für Mario Voigt ist das momentan total unangenehm. Weil: Mario Voigt hat das Problem, dass er seine politischen Inhalte die er rüberbringen will, gerade im Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten schlecht platzieren kann, weil er ständig nach Koalitionsfragen des BSW gefragt wird. Aber nicht, nachdem, was seine Agenda ist. Dann wird halt gefragt, ja, würden sie eine Ministerpräsidentin Katja Wolf zustimmen? Oder haben Sie mit Frau Wolf schon mal gesprochen? Also. Und das ist verdient natürlich total blöd, weil der halt einfach gerade seine Agenda nicht richtig platzieren kann. Ihr bestes Beispiel die Woche gab es also eine Pressekonferenz, da hat er mit seinem bildungspolitischen Sprecher Tischner in einer Schule PK gegeben. Zum Thema Bildung in Thüringen soll beliebtes Oppositions-Themen Thema Ramelow Regierung vor sich hertreiben zu sagen Lehrermangel und so weiter. Waren die also drauf gewappnet, das zu machen. Es waren genügend Journalisten da. Mitten in diese PK platzt also die Meldung rein, dass Sahra Wagenknecht gesagt hat, Naja, also, wenn Koalitionspartner, dann müssen die aber auch unsere Ukraine Agenda verfolgen. Also das, was wir als Ukraine Politik sehen. Die müssen uns da folgen, zustimmen oder das mit unterstützen. Doch was passiert auf der PK sämtliche Journalisten, die das alles auf ihren Handys plötzlich bekomme fragen natürlich. Mario Voigt, Frau Wagenknecht hat sich gerade gemeldet. Was sagen Sie denn dazu? Und da war das ganze Bildungsthema vom Tisch. Es ist für ihn momentan halt einfach irgendwie blöd.

SK

Er hat versucht, das so ein bisschen zu umschiffen, war schon immer eine diplomatische..

LK

Er kann es halt derzeit schlecht platzieren. Das BSW ist für ihn bei jeder PK der rosa Elefant im Raum.

TD

Nun ist es ja im Wahlkampf so, dass man versucht, mit irgendwelchen Themensetzung zuspitzen, sich selber den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. Ganz normal. Aber ich glaube, es ist eigentlich ganz klar, sowohl bei der CDU in Sachsen als auch bei der CDU in Thüringen, wenn es nicht anders geht, wenn es die Mehrheitsverhältnisse hergeben, dann werden wir natürlich mit dem BSW regieren. Und das steht auch für Mario Voigt meines Erachtens außer Frage. Er hat auf der anderen Seite mit der Frau Wolf eine Partnerin, die als Kommunalpolitikerin als langjährige Oberbürgermeister von Eisenach Pragmatikerin genug ist und ob Sahra Wagenknecht davon ihret Ukraine Politik erzählt ... Klar macht sie natürlich, um Stimmengewinne zu maximieren. Aber am Ende scheidet der Landtag von Thüringen und die Landesregierung von Thüringen nicht über die deutsche Position zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine. Das ist aus meiner Sicht ein Wahlkampfthema, was am Ende inhaltlich gar keine Rolle spielen, wird bei der Landespolitik. Ramelow unterstützt natürlich Waffenexporte an die Ukraine, aus Deutschland. Voigt ist eigentlich ein Transatlantiker, der steht ganz klar eigentlich hinter der Nato-Politik der Unterstützung für die Ukraine. Jetzt setzen sich beide so ein bisschen ab von ihrem bisherigen Positionen. Ramelow hat Orban gelobt für seine Besuche bei Putin und Vermittlungsversuche. Und auch Voigt hat versucht, zu betonen, dass man auf diplomatischem Weg verstärkt Bemühung machen muss vonseiten der Bundesregierung. Die Frage ist, ob den verfangen wird, weil diese Thema haben die und BSW so früh und so stark besetzt, dass sie denke mal, dass die Linken und die CDU schwer wird, bei dem Thema an den anderen vorbeizukommen beziehungsweise die Aufmerksamkeit in dem Bereich auf sich zu ziehen. Und ob man da landespolitische Themen wie Lehrermangel und Wetter wirklich ernsthaft zum Streitpunkt zum Zentrum der Auseinandersetzung machen, können sie bisher ehrlich gesagt noch nicht,

LK

Muss ich dir zustimmen, Thomas . Das ist auch sicherlich die Grundproblematik, die Mario Voigt auch besonders hat. Der hat natürlich jetzt seinen gesamten Wahlkampf komplett auf landespolitische Themen ausgelegt. Alles darauf ausgelegt, Bodo Ramelow zu attackieren, Björn Höcke und die AfD sozusagen zu marginalisieren. Und Ramelow als derjenige, der jetzt total versagt hat als Ministerpräsident, das ist die Strategie. Und jetzt kommt halt eben die ganze Debatte um die Friedensfrage dazu. Das ist schon schwierig, aber sich, dass man jetzt vor Augen führt, dass das sozusagen möglicherweise für die Leute wahlentscheidend sein wird, obwohl es hier eigentlich tatsächlich um landespolitische Themen geht. Und da offenbart sich eigentlich auch so ein bisschen die Grund, welcher also jetzt mal abgesehen vom BSW war. Da kann man nicht viel Zeit darüber sagen, aller vertretenen Parteien im Landtag, weil ich glaube, dass sie in weiten Teilen es in all diesen Jahren das gilt für die CDU genauso in all den Jahren ist, nicht geschafft haben, sich genau Gedanken darüber zu machen und vor allem auch Konzepte zu entwickeln und dann in die Praxis umzusetzen, wie man versucht, den großen ländlichen Raum in Thüringen mit den wenigen urbanen Gebieten miteinander zu verbinden. Das ist ein zentrales Element, weil ich glaube, dass es in vielen Regionen wirklich das Gefühl gibt, sich abgekoppelt zu fühlen. Und da gibt es eigentlich keine richtigen Antworten drauf. Und dann sagen die Leute nur gut dann, wenn die sich nicht für uns interessieren, interessieren wir uns für die auch nicht. Aber die Frage Frieden und gute Beziehung vielleicht zu Russland oder sonst irgendwas, das für uns wichtig. Dann wählt man halt die oder die.

SK

Offenbar gibt es eine große Zustimmung zum Bündnis Sahra Wagenknecht. Liegt bei Umfragen um die 21 Prozent. Wenn man da so guckt, also Bodo Ramelow hat ungefähr 20 Prozent verloren. Das ist jetzt nicht nur so, das frühere Linken-Wähler jetzt BSW wählen, aber es hat die Linke in Thüringen schon empfindlich getroffen. Oder?

LK

Natürlich! Also die Wählerwanderung ist ja da. Sowohl von AfD als auch von Linken zum BSW, auf jeden Fall. Weil das BSW präsentiert sich eben tatsächlich als eine echter Alternative für die Wähler, die mit der AfD so ein bisschen geliebäugelt haben. Aber das dann doch irgendwie als so einen Bäh-Thema gesehen haben. Naja, doch eben rechts, doch Nazis möglicherweise. Also so ein bisschen dieses Problem im Kopf gehabt haben und dann gesagt haben oh, jetzt habe ich aber eine Alternative. Und bei den Linken gibt es auch, glaube ich, viele unzufriedene Wähler, die die Linkspartei und die Linke immer gewählt haben und mit vielen Dingen nicht zufrieden sind.

SK:

BSW in Thüringen – wer sind denn da die Köpfe?

LK

Es ist in erster Linie natürlich Katja Wolf, als ehemalige Oberbürgermeisterin von Eisenach, ehemaliges Mitglied der Linken, langjähriges Mitglied der Linken, war viele Jahre im Thüringer Landtag. Ist eine taktisch kluge Politikerin, die erstens viel Ahnung von Landespolitik hat, die aber auch viel Ahnung von Kommunalpolitik hat, weil sie eben lange als Oberbürgermeisterin einer Stadt gearbeitet hat. Die kennt sich gut aus in Thüringen. Das ist wichtig, eine Pragmatikerin, wie es eigentlich im Prinzip das Gesicht und dann hat man so ein bisschen so und Dreiergestirn jetzt draus gemacht. Da gibt es ja diesen Medienunternehmer Schütz. Der war bisher Nummer zwei und dann die Nummer drei, die dahinter steht es ja, der ehemalige MDR-Moderator Steffen Quasebarth. Der momentan auch so ein bisschen als Pressesprecher für die Partei fungiert. Und falls das BSW an einer Regierung beteiligt sein sollte oder vielleicht sogar es tatsächlich zu dem Fall kommen sollte, dass Katja Wolf Ministerpräsidentin werden sollte in Thüringen ja, dann wird es für das BSW eine Herkulesaufgabe, dann das alles zu stemmen, um genügend Personal einfach auch zu haben.

TD

Ich denke, wenn es eine Regierungsbeteiligung gibt, egal ob in Sachsen oder Thüringen, wird man einfach schon mangels Masse sich Leute von außerhalb dieser Länder holen müssen. Man darf ja nicht vergessen, wie sind ja auch zum Teil erfahrene Kommunalpolitiker anderer Parteien angelandet, und ich denke mal nicht, dass das BSW an sich nicht bewältigen wird. Es ist natürlich an sich eine logistische Aufgabe. Dieser Landesverband, der hat ja noch nicht mal irgendwie 80 Leute, das ist ja sozusagen ein Mini-Verband, meldet natürlich von der Zentrale von Sahra Wagenknecht und ihrem Kernteam offenbar sehr stark reguliert wird, weil man Angst, dass man ansonsten von Querulanten und U-Booten überrannt wird.

SK

Es gibt ja immer so den Vorwurf, dass auch Sahra Wagenknecht plakatiert wird, obwohl sie überhaupt nicht antritt in Thüringen, Themen wie zum Beispiel der Ukraine Konflikt, was ja überhaupt kein Landesthema ist verwendet werden im Wahlkampf .. Gibt es speziell Thüringer Themen, mit denen die auftreten?

LK

Nein! Es ist mir jedenfalls aktuell nicht wirklich erinnerlich. Das mag ja durchaus sein, dass es da in den ein oder anderen Interviews von Katja Wolf immer mal irgendwie den einen oder anderen Punkt gegeben hat, aber im großen Ganzen alles, was man an einer Plakaten beim BSW derzeit sieht, da Sahra Wagenknecht drauf. Und da geht es halt eben um Krieg und Frieden oder um Renten und ob sozialen Auf und Abstieg. Aber es hat mit Thüringer Themen eigentlich so gut wie gar nichts zu tun.

SK

Wir haben eigentlich vorhin nur gesprochen über das BSW als potenzieller Koalitionspartner für die CDU. Es könnte ja aber auch sein, Bodo Ramelow und die Linke legen noch mal zu. Könnte der mit dem BSW?

LK

Bei Bodo Ramelow muss man auf alles gefasst sein. Und ich könnte mir auch durchaus vorstellen, dass Bodo Ramelow auch irgendwie da eine Möglichkeit findet. Ich bin mir da nicht so ganz hundertprozentig sicher. Man muss halt immer bedenken in all diesem Ganzen stehen ja auch menschliche Auseinandersetzungen, menschliche Verwerfungen mit im Raum ..

SK

Bei Frau Wolf könnte man böse sagen, Ramelow wollte sie kaufen. Er hat ja gesagt, wenn du nicht zum BSW gehts, dann bist Du in meinem nächsten Kabinett dabei...

LK

Das geht ja noch viel tiefer. Und es geht ja auch noch viel weiter. Katja Wolf und ihre Karriere in der Linkspartei das ist ja auch eine lange Geschichte gewesen, und die ist auch von einer gewissen Frustrationen, einem gewissen Scheitern auch geprägt gewesen. Und da gab es auch Leute in der Fraktion, aber auch im Landesverband, die da hinter den Kulissen das eine oder andere getan haben, dass Katja Wolf eben nicht die Karriere gemacht hat, die sie vielleicht wollte. Ich glaube, das darf man niemals vergessen dabei, dass diese Verwerfungen auch ein Stück mit dabei sind. Und dann wird sich natürlich rausstellen kann man das professionell genug raushalten? Findet man einen Modus Operandi, um miteinander eine Koalition zu bilden? Ich denke schon, dass es durchaus machbar hängt, auch sicherlich davon ab, wer da noch Koalitionspartner sein wird. Da drin. Das wird natürlich vom Abschneiden der SPD und der Grünen abhängen, ob die reinkommen oder nicht reinkommen. Das Gleiche gilt aber auch für die CDU und das BSW. Das ist ähnlich. Da wird es noch schwieriger werden, weil da glaube ich, teilweise auf beiden Seiten sich sehr fermde Menschen Peter miteinander klarkommen müssen.

SK

Jetzt haben wir die ganze Zeit über verschiedenste politische Akteure gesprochen, aber noch nicht über die stärkste Kraft. Laut den Umfragen im Moment, die Partei mit den meisten Zustimmungswerten in Thüringen, das ist die AfD mit 28 Prozent. Und das bei einem Landesverband, der ebenso wie der sächsische vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft ist und in Thüringen mit einem Landeschef und Spitzenkandidat Björn Höcke, der offiziell Faschisten genannt werden darf, noch einmal die Frage - erst einmal zu dir Ludwig nach Thüringen. Was ist denn da eigentlich los?

LK

Inwiefern?

SK

Na so hohe Zustimmungswerte in Thüringen für eine Partei, die eben vor allen Dingen, gerade in Thüringen ja auch wirklich als rechtsextrem eingestuft ist?

LK

Ja, also, ich glaube, die AfD hat sehr stark aus der Corona-Phase heraus profitiert, hat sich ja sehr stark auf die Seite von den Menschen gestellt, die dann der Meinung waren, sie müssten protestieren gehen und hat diesen Protest halt auch sehr stark instrumentalisiert. Der hat also einen großen Teil des Frustrationspotenzial, als dass sich in einigen Regionen auch hier in Thüringen gebildet hat, besonders in Süd und in Ostthüringen. Das hat sie halt geschickt aufgefangen. Björn Höcke hat es halt geschafft, auch das tatsächlich zu kanalisieren. Das ist auch in der Zeit , als viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen 2015 /16 schon sehr gut gelungen. Da hat sich das in den Umfragen noch nicht so stark widergespiegelt. Hat aber so richtig an Fahrt aufgenommen in der Corona-Phase. Und das ist auch erstmal weitestgehend nicht abgeebbt. Bis eben Anfang dieses Jahres. So ab Frühjahr wurde es ja langsam dann doch etwas schwächer.

LK

Das sprechen wir gleich drüber. Thomas, für den Film „Wenn die AfD regiert“, bist du auch in Gera gewesen. Da gab es so einen mobilen Stand. Man weiß, dass die AfD viel vor Ort sind. Versuchen, die „Kümmererpartei“ zu sein, ist das auch ein Teil des Erfolgsrezepts für 28 Prozent Umfragewerte?

TD

Ich denke schon. Dieses Mobil steht jeden Sonnabend im Stadtzentrum. Und da gibt es eine Verlässlichkeit. Und, na klar, die haben im Prinzip das Modell übernommen, was früher die Linken beziehungsweise ihr Vorgänger, die PDS eingeführt haben, diese Kümmererpartei, die lokal sehr stark verantwortlich ist. Dann haben wir natürlich auch eine große Beweglichkeit, und die zeigt sich gerade bei Höcke und seinem Umfeld. Da hat ein Milieu seine Partei gefunden, eine Partei im Milieu. Man kann es bei Höcke ganz gut illustrieren. Höcke hat ja grundsätzlich - also neben seinem ausländerfeindlichen Grundbild - hat er auch eine sehr ständische Vorstellung von einer Gesellschaft. Und da hat er sich in den letzten Jahren wirklich bewegt. Meiner Meinung nach vor allen Dingen unter dem Einfluss von Benedikt Kaiser. Ein ehemaliger Neonazi aus Chemnitz, heute in einer der führenden Köpfe der sogenannten neuen Rechten, arbeitet auch für einen Thüringer Bundestagsabgeordneten. Und der hat Höcke und seinem Umfeld nahegebracht, dass man im Osten nur Erfolg haben wird, wenn man die soziale Frage in den Mittelpunkt stellt. Und jetzt hat die AfD angefangen, 2017 etwa unter Höckes Ägide relativ erfolgreich gemacht und betont das bis heute stark. Und es kommt bei vielen Leuten an, also diese Verbindung von sozialen Wohltaten - nur für Deutsche am besten - verfängt sehr wohl. Es gibt allerdings eine Grenze für Höcke. Das sieht man ja auch an dem Abschmelzen, als das BSW aufkam bei den AfD-Zahlen. Höcke ist jemand, der sich jetzt im Wahlkampf versucht, als Thüringer Familienvater zu inszenieren. Also da gibt es diese Bilder, wo eine Sonnenbrille aufhat. Seine Wahlkampfveranstaltungen heißen „Sommerfest“ Und es gibt dieses - geschickt gemacht, aber doch perfide - Plakat „Sommer Sonne, Remigration“ mit einem Flugzeug drauf, sozusagen der launige Abschiebeflieger. Er versucht sich aber so als Familienvater zu inszenieren und der völkische Fanatiker der er ist, der soll hinter dem seriösen Landesvater versteckt werden. Aber wir wissen bei Höcke, der bricht immer wieder durch, und man merkt es jetzt. Er trägt schwer damit, wenn es massive Proteste gab, wie kürzlich in Saalfeld, wo er dann gleich gedroht hat, dass seine Anhänger alle gleichzeitig aufs Polizeirevier gehen, um Anzeige zu stellen. Und man merkt ja auch, diese Niederlagen vor Gericht, den der wegen seines Spruchs erlitten hat in Halle - sind noch nicht rechtskräftig, muss man natürlich dazu sagen - . Er hat angefangen, das ist eines der neuen Lieblingsthemen, ständig zu behaupten, die Justiz in Deutschland, speziell die Gerichte, seien nicht unabhängig. Und das heißt, bei Höcke wird die entscheidende Frage sein, hält er diesen Kurs durch? Den er und die Denker um ihn herum sich ausgedacht haben, oder büchst er immer wieder aus. Und ich glaube, er hat selber gemerkt zum Regieren wird es diesen für ihn wahrscheinlich nicht reichen. Aber sie zielen halt auf diese sogenannte Sperrminorität, das ohne sue keine Zweidrittelmehrheit bei Entscheidungen möglich ist.

SK

In dem Podcast zu Sachsen hast du das schon einmal dargelegt, was die AfD dann alles machen kann, wenn sie diese sogenannte Sperrminorität hat. Was ist das alles?

TD

Wenn die AfD mehr als ein Drittel der Sitze hat, dann werden Entscheidungen, wo Zweidrittelmehrheiten des Landtags nötig sind, gibt es zwei Optionen für die AfD. Sie können entweder Entscheidungen blockieren, verhindern, verzögern, oder sie kann Kompromisse zu ihren Gunsten erzwingen, sodass die anderen sich auf sie einlassen müssen. Und Torben Braga, der auch in einer der engsten Vertrauten von Höcke ist und Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion der hat ja auch in einem Podcast mit ein Prozent ganz klar gesagt, dass dieses erreichende Sperrminorität für sie ein wichtiger Schritt ist dahin, dass sie so in den anderen Parteien akzeptiert werden zur Normalisierung, das sozusagen irgendwann gar nicht mehr in Frage steht, dass man mit der AfD Zusammenarbeiten muss und erst mal so über die Hürde, dass die anderen mit ihm kooperieren müssen. Und in der Hoffnung, dass man dann irgendwann selber ganz normal zu Landesregierung gehört. Also, da steckt schon ein, denken über eine längere Frist drinnen strategisches Denken. Eine Rolle spielen würde diese Sperrminorität bei jeder Verfassungsänderung, bei der Bildung des Kontrollgremiums des Verfassungsschutzes, bei der Besetzung der Führungsposten des Landesrechnungshofes, also Chefposten und Vizeposten. Es betrifft auch die Geschäftsordnung des Landtages, die Auflösung des Landtages. Und in Thüringen gibt es eine Besonderheit. Die gibt es in Sachsen nicht. Der Richter und Staatsanwalt Wahlausschuss, der wird auch mit Zweidrittelmehrheit zumindest was den Teil, der vom Landtag gebildet wird, betrifft durch Zweidrittelmehrheit gebildet

Und wichtigste der Frage: Das Landesverfassungsgericht. Bis Ende 2029 müssen dort die neuen Mitglieder besetzt werden. Da stellen Sie es natürlich tatsächlich bestimmte Fragen, wenn es zu Blockaden kommt. Wie geht man damit um, weil es gibt Altersgrenzen? Es könnte schon passieren, wenn zB irgendwann jemand stirbt. Da besteht dann tatsächlich die Gefahr, wenn es bei Blockaden bleibt, das dann irgendwann dieses Gremium arbeitsunfähig wird. In der Realität wird es natürlich darauf hinauslaufen, dass die AfD, sagen wir mal Kompromisse bei bestimmten Kandidaten erreichen würde. Damit ist zu rechnen. Man muss sagen, es gab ja im Vorhinein noch Gespräche und Diskussionen und Expertenempfehlungen so bestimmte Gesetze gegen so einen möglichen Blockaden besser zu gestalten. Aber da konnte man sich nicht einigen. Ist man sozusagen vor allen Dingen vonseiten der Linken und der CDU nicht zusammenkommen, muss man sehen, ob man nicht später mal bereuen wird.

LK

Ich gebe Thomas recht. Das wird für die AfD tatsächlich zu einer Gretchenfrage werden, erreicht sie die Sperrminorität oder nicht? Und eins ist klar, also momentan, nach den jetzigen Umfragen, glaube ich, hat sie es nicht. Wenn sie das nicht schafft, dann geht das auch mit Björn Höcke nach Hause...

SK

Na ja, der scheint sowieso schon- vorsichtig gesagt - zumindest in der Kritik zu stehen. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Klaus Stöber hat dem Tagesspiegel gesagt, für die Übernahme von Regierungsverantwortung sehen ihn (Björn Höcke), viele in der AfD als Hindernis. Und er sagte auch, sein Hang zum Egozentrismus hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschärft. Das ist jemand aus der eigenen Partei ..

LK

Das ist jemand aus der eigenen Partei. Und der hat natürlich auch aus einem bestimmten Grund Probleme mit Björn Höcke. Weil Klaus Stöber aus dem Westthüringer Bereich kommt, und da gibt es große Auseinandersetzung. Da sind zwei Kandidaten für die Landtagswahl gekürt worden. Die wollte angeblich die Parteiführung der AfD nicht und hat jetzt schlussendlich die Unterschrift für diese Kandidatur verweigert, sodass die nicht vom Landeswahlausschuss zugelassen werden konnten. Das hat zu schweren Auseinandersetzungen geführt, und man hatte das häufiger schon. Und das wirft halt jetzt so ein bisschen ein Licht auf die AfD in Thüringen und besonders auf die AfD Führung und vor allem auf Björn Höcke mit dem Grundvorwurf seiner Gegner. Die sagen, Leute, die Höcke nicht genehm sind, werden von Höcke quasi niedergemacht, die werden nicht zugelassen, da werden alle möglichen Dinge versucht, nur um sie halt irgendwie nicht hochkommen zu lassen. Und das hat natürlich innerhalb der Partei Höcke sicherlich auch geschadet. Ich denke gerade auch in der Bundespartei beobachtet man das ziemlich genau. Es sei auch zu erinnern daran, jetzt beim Bundesparteitag, in Essen, ist Höcke mit zwei Sachen gescheitert, die er da versucht hat einzubringen. Das wäre ihm früher auf anderen Bundesparteitagen nicht passiert. Es heißt also schon, sagen wir mal, wenn man so mit einigen AfD-Spezialisten und Beobachtern spricht, die Macht von Björn Höcke, die ja immer so als völlig unangreifbar galt, die erodiert schon ein ganzes Stück, und ich weiß nicht Thomas, wie du das jetzt so von den letzten Veranstaltungen, die Höcke so gemacht hat, wahrgenommen hast. Aber er hat halt auch manchmal so eine larmoyante Art. Er wird dann so ein bisschen selbst weinerlich. Wie schlimm die Welt ist, die über ihn herfällt und ihn nicht versteht und seine Agenda nicht versteht .. Sobald er unter seinesgleichen, seinem ihm zu jubelnden Wahlvolk ist, dann fühlt er sich wohl. Aber es fällt ihm halt extrem schwer, wenn er auf Widerstand stößt. Damit tut er sich offensichtlich schwer.

TD

Ich bin mir noch nicht so sicher, ob die Macht von Björn Höcke wirklich erodiert. Es ist alles immer so ein bisschen auch in Wellenform. Und man darf halt nicht unterschätzen, die Leute, die ihm zuneigen, die kann er natürlich nach wie vor begeistern. Und da gehört natürlich die Opfer-Inszenierung schon immer dazu. Er nimmt ja auch seine Person, um die quasi auf die Teilnehmer seiner Veranstaltung auszuweiten, damit man sich sozusagen als große Gemeinschaft fühlt. Und das verfängt bisher sehr erfolgreich. Ich habe das immer wieder erlebt, wie nicht nur am Ende solcher Veranstaltungen und Reden von Höcke, nicht nur er Tränen vor Begeisterung über sich selbst in den Augen hat, sondern auch Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Veranstaltung. Das ist teilweise schwer verständlich. Aber das ist so. Und die interessante Frage wird sein, und das wird vielleicht auch über den Erfolg von Björn Höcke bei dieser Wahl entscheiden. Gelingt es ihm, so einen Mobilisierungseffekt zu erzeugen, wie man ihn bei den Stichwahlen zum Landratsamt in Sonneberg und auch dann im Saale-Orla-Kreis hatte, wo tatsächlich bei den Stichwahlen noch einmal die Wahlbeteiligung nach oben ging und die Wahlbeteiligung vor allen Dingen durch auf die Wähler, die dazukam, erhöht wurden, schafft er es zumindest, die Anmutung einer Machtoption emotional zu transportieren, sodass mehr Leute zur Wahl gehen. Man muss sich nichts vormachen, im Moment sieht es so aus, als wenn die einzigen beiden Parteien, die ernsthaft mobilisieren können, die AfD und das BSW sind. Und am Ende wird die Frage der Wahlbeteiligung, die nach meiner Einschätzung deutlich höher sein könnte als letzte Mal, vielleicht doch darüber entscheiden, ob die Grünen und eventuell auch die SPD am Ende überhaupt im Landtag sein werden.

SK

Die Umfragewerte für die AfD sind zurückgegangen. Wenn Höcke dieses Ziel, das Erreichen der Sperrminorität, nicht erreicht, ist dann auch seine Position im Landesverband in Thüringen gefährdet?

LK

Nein, das glaube ich erst mal nicht. Auf der bundespolitischen Ebene, die ja auch nicht ganz unwichtig,ist, wird er vielleicht nicht mehr so dieser Machtfaktor sein, also, dieser Spiritus rector, von dem man ja immer gesagt hat. Er ist der Strippenzieher im Hintergrund, der mächtige Mann in Thüringen, der die halbe Bundes-AfD in der Hand hat und so weiter, da bin ich mir nicht mehr so sicher.

Man muss halt immer dazusagen. Dieser Rückgang der Umfragezahlen liegt eben in erster Linie am BSW, und es liegt aber auch sicherlich nicht zu großen Teilen, aber auch zum gewissen Teilen halt eben daran, dass eben dieses Bild von Björn Höcke zumindest ein, vielleicht bei einigen Wählern, die sich nicht so ganz sicher sind, vielleicht bei diesen volatilen Wählern vielleicht eben nicht mehr so stabil ist. Ja, dass man sagt irgendwie so. Na ja, aber irgendwie wirkt er jetzt doch nicht so überzeugend. Da wird jetzt die spannende Frage werden, da gebe ich Thomas Recht, reißt er das Ruder noch rum? Kann er die Leute da noch mal begeistern? Gelingt es ihm tatsächlich, die Leute zu mobilisieren, an die Wahlurne zu gehen? Also zum Beispiel ist er ein ganz großer Verfechter auf Reden, der immer sagt, machen Sie keine Briefwahl, gehen Sie an die Wahlurne und gehen Sie auch danach zum Auszählen. Also er kolportiert so ein bisschen, passen sie bloß auf, dass es bei dieser Wahl ist mit rechten Dingen zugeht. Da möglicherweise betrogen werden könnte und natürlich zu Ungunsten meiner Partei, weil man uns mit allen Mitteln ob juristischen Mitteln oder polizeilichen oder geheimdienstlichen Mitteln, mit allen Mitteln, uns als wahre, echte Opposition versucht zu bekämpfen.

SK

Lasst uns zum Schluss noch mal kurz auf die anderen politischen Akteure, die es ja in Thüringen auch noch gibt, schauen. Das sind die FDP, die Grünen und die SPD. Ich fange mal mit der FDP an. Ihr habt es im Gespräch auch schon paarmal genannt, die sogenannte Kemmerich-Affäre. Nur ganz kurz zusammengefasst: 2019 hatte die FDP gerade so die fünf Prozent geschafft, war im Landtag und stellte dann für knapp vier Wochen den Ministerpräsidenten. Was war passiert? Die CDU hatte zusammen mit der AfD den FDP-Chef Thomas Kemmerich gewählt. Der hat diese Wahl auch angenommen, das war ein großes Thema wochenlang. Die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel hat gesagt das muss wiederholt werden. Das war jetzt auch nicht unbedingt eine demokratische Äußerung. FDP-Chef Lindner hat Kemmerich damals zurückgepfiffen. Momentan liegt die FDP in Thüringen bei zwei Prozent und Kemmerich plakatiert vor allen Dingen gegen die Ampel, wettert gegen die Ampel. Also, es ist seine eigene Partei. Die FDP sitzt ja in der Regierung... Sind die zwei Prozent noch ein Ergebnis von 2019 ? Oder es ist wirklich die Ampel?

LK

Also ich glaube, das ist ein Mix aus beidem. Der Niedergang der FDP begann ja damit, dass erstens die FDP in Thüringen nicht in der Lage war, sich Thomas Kemmerichs zu entledigen und vielleicht einen Neuanfang zu starten. Das wäre der erste Weg gewesen, nach dieser ganzen Geschichte mit dieser Ministerpräsidentenwahl vielleicht da noch mal ein Neuanfang zu machen. Diese Kraft hat die FDP in Thüringen nicht gehabt. Dann kam dazu, dass eine FDP-Abgeordnete die Fraktion verlassen hat. Daraufhin war die FDP gar keine Fraktion mehr im Landtag, sondern nur eine parlamentarische Gruppe. Dass heißt also, es ist natürlich erstens Personal und Geld davon gegangen. Und dann hat Berlin gesagt, als die FDP in Thüringen sich entschieden hat, Thomas Kemmerich zum Spitzenkandidaten dieser Landtagswahl zu machen. Von uns gibt es keine Unterstützung dafür. Das heißt also im Prinzip ist der Thüringer FDP-Landesverband einer, der auf einsamer Flur vor sich hin kämpft und ich glaube, für die FDP spielt Thüringen eigentlich gar keine Rolle. Es ist völlig irrelevant, die wissen, dass bei zwei Prozent, ob jetzt Christian Lindner hierher kommt, in hier noch irgendetwas versucht rumzureißen. Das ist völlig marginal, Kemmerich hat diesen Wahlkampf komplett auf sich und seine Person gemünzt. Das Thema FDP spielt auch gar keine Rolle, sondern es geht um Thomas Kemmerich und nicht um die FDP. Also das wäre ein politisches Wunder, wenn die in den Landtag kommen würden.

SK

Ebenfalls im Moment nicht im Landtag sind Die Grünen. Ihr habt ihr auch schon ein paar Mal angesprochen. Die haben es schwer, gerade im ländlichen Bereich. Während der letzten Legislatur gab es auch viel Unruhe. Eine Ministerin hat die Regierung verlassen, ein anderer Minister wurde abberufen. Es gab zwei neue Minister bei den die Grünen ..

LK

Naja, die Grünen in Thüringen waren schon immer gut für innere persönliche Partei-Querelen und Kriege und Auseinandersetzungen, das haben die immer schon gerne gemacht. Das ist also nicht das erste Mal. Allerdings muss man halt sagen, der Moove von Anja Siegismund, die Fraktion und auch den Landesverband, de facto zu verlassen und in die freie Wirtschaft zu gehen, ohne dass vorher in irgendeiner Weise zu versuchen, mal strategisch mit der Partei zu besprechen und Ausstiegsszenario gemeinsam zu entwickeln, sondern alle völlig vor den Kopf zu stoßen. Das hat schwere Wunden geschlagen, der Abgang oder die Abberufung. Dass man Dirk Adams dann als Justizminister gezwungen hat zurückzutreten, um den Proporz wiederherzustellen. Mann/Frau war auch extrem schwierig, extrem umstritten. Die Partei hat da also wahnsinnig Federn gelassen. Sie haben eigentlich das einzig kluge gemacht. Sie haben eine gestandene und auch erfahrene Landespolitikerin mit Madeleine Henfling jetzt als Spitzenkandidatin dahingesetzt, die tatsächlich auch halbwegs auch in der Lage ist, mit ein bisschen Erfahrung ihrer parlamentarischen Zeit als Abgeordneter jetzt zu versuchen, diesen Wahlkampf irgendwie über die Bühne zu bringen. In der stillen, stille Hoffnung, dass es eben in ihren Hoch-Gebieten wie in Jena oder auch in Erfurt oder Weimar das sind ja die Grünen Hochburgen in Thüringen, da irgendwie so viele Stimmen zusammenzukratzen, dass es halt über die Fünf-Prozent-Hürde noch gerade so schaffen.

TD

Meiner Meinung nach droht denen nicht die größte Gefahr von der Untreue ihrer Wähler, sondern die droht ihnen davon, dass durch die Mobilisierung bei AfD- und BSW- Anhängerschaft die Wahlbeteiligung hoch gehen könnte und sie dann sozusagen nicht mehr die fünf Prozent schaffen.

SK

Die SPD ist nach den jetzigen Umfragen im Landtag vertreten. Da würde ich gerne noch mal ganz kurz so ein bisschen die Vergangenheit schauen. Thüringen ist ein SPD Land, der Vorläufer der SPD wurde in Eisenach gegründet. Später gab es die Vereinigung in Gotha schon 1875. Und nach der Wende ist die SPD eigentlich ganz gut gestartet in Thüringen. Die hatte da knapp 23 Prozent, 1994 sogar 30 Prozent, der damalige SPD-Chef Gerd Schuchardt der war Thüringer. Aber seitdem geht es eigentlich immer weiter bergab mit der SPD. Es ist so ein bisschen anders als zum Beispiel in Sachsen. Da war die SPD von Anfang an nicht so stark, obwohl Sachsen ja auch geschichtlich als SPD-Land gilt. Warum hat die SPD die Thüringer nicht überzeugen können? Warum hat sie da so viel verloren?

LK

Ich glaube, die SPD hat auch bisschen dieses CDU Problem. Sie war eben über viele Jahre in den frühen Neunzigern in der Regierung. Aber dann war sie ja in der Koalition in den Neunzigern mit dabei gewesen, bis 1999 trotzdem immer noch sehr präsent im Landtag. Sicherlich auch damals versucht, so ein bisschen auch eine Form der Oppositionsarbeit zu machen. War aber doch immer auch ein verlässlicher Partner im Parlament. Und ich glaube, da hat es so ein bisschen an einer Profilierung gefehlt. Ist die Leute vielleicht auch nicht so genau unterscheiden konnten. Ist die SPD jetzt nicht vielleicht doch irgendwie ein bisschen wie die CDU oder die CDU nicht so ein bisschen wie die SPD? Also ich glaube, das war so ein bisschen auch politisch von den Inhalten her ein bisschen schwieriger. Dann war es endlich auch eine Frage der Köpfe. Das muss man auch dazu sagen. Also Christoph Matschie als SPD-Vorsitzender Wahl doch ein bisschen eine blasse Figur, der hat ganz gut mit Christine Lieberknecht harmoniert in dieser Koalition zwischen zwei neun und zwei 14. Aber so ein richtiges Profil hat er seiner Partei auch nicht geben können. Andreas Bausewein, der dann SPD-Vorsitzender waren, zwischen gescheiterter Oberbürgermeister von Erfurt, der er sogar mit einem BSW Übertritt kokettiert hatte, hat das auch nicht so richtig gemacht. Also, die SPD hat sich so ein bisschen wie von sich selbst innen angefangen aufzulösen und war noch immer ständig irgendwelche Macht-Kämpfe. Jetzt müssen wir mal gucken. Also Georg Maier ist jetzt vielleicht nicht die optimalste Besetzung. Allerdings muss man ihm eins zugestehen er hat es relativ souverän hingekriegt, den Westen Parteitag über die Bühne zu bringen, ohne dass man sich da komplett gegenseitig an den Hals gegangen ist. Die Liste des Landesvorstandes ist so weitestgehend auch durchgegangen. Er hat das sicherlich auch ein paar Leute kaltgestellt auf dieser Liste. Jetzt wird man mal sehen. Es gibt diese große große Problematik bei der Thüringer SPD aktuell. Und das ist halt einerseits der Tod von Thomas Hartung, der war ein Weimarer SPD-Abgeordneter, ein nicht unwichtiger Mann. Und das zweite ist der derzeitige aktuelle Fraktionsvorsitzende Matthias Hey, der ist schwerkrank und muss man gucken, wie lange der noch durchhält. Es ist gerade echt nicht ganz einfach, auch emotional, für die Thüringer Sozialdemokraten. Jetzt in diesem Wahlkampf. Wir werden mal sehen,

SK

Der MDR hat eine eigene Befragung, die heißt „MDR fragt“ und die hat ein Stimmungsbild vor der Landtagswahl in Thüringen gemacht. Das ist nicht repräsentativ. Und nach dieser Befragung schauen 34 Prozent mit Sorge auf die Landtagswahl, 31 Prozent mit Hoffnung und zwölf Prozent mit Unsicherheit. Ludwig, du bist ja jetzt der Runde derjenige, der in Thüringen eine Stimme abgeben kann. Wer ist da ein Stimmungsbild mit Blick auf den 1. September?

LK

Ich bin sehr gespannt. Ich glaube, entscheidend wird wirklich werden, wie das mit der AfD und dieser Sperrminorität ausgehen wird, weil das zu einem politischen Blockadeproblem werden könnte. Wenn das so kommt. Ansonsten, glaube ich, wird man sehen. Das werden wie auch immer volatile Bündnisse werden. Man wird vielleicht in der Arbeitsebene und dann tatsächlich auch im politischen Alltag, vielleicht sogar halbwegs gute Wege finden, miteinander zusammenzuarbeiten. Ich glaube, die ersten Spannungspunkte wird es dann immer bei dem Thema Haushalt geben, wenn es ums Geld geht, weil haben wir mal Probleme damit. Da kann man viel erreichen und aber auch viel verlieren. Insofern ich bin wirklich sehr gespannt, wie das wird. Ja, ich gebe auch zu, der Aufwuchs der AfD, der macht mir schon Sorgen. Aber das muss man jetzt erst mal so hinnehmen. Das lässt sich jetzt eben einfach nicht ändern. Und dann wird man halt sehen, wie das halt in der Zukunft auch weitergehen wird mit der AfD auf den Thüringer Landtag

Nach dem 1. September wissen wir mehr. Vielen Dank, Ludwig Kendzia und Grüße nach Erfurt Dankeschön und vielen Dank auch der Thomas Datt.

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