MDR INVESTIGATIV - HINTER DER RECHERCHE (FOLGE 109) Sachsen hat die Wahl

Audiotranskription

30. Juli 2024, 14:43 Uhr

O-Ton Uta Deckow, Leiterin Politikredaktion MDR Sachsen

Der MP hat gesagt diese Koalition hat Sachsen gut getan, das hört man jetzt auch von den anderen koalitions Teilnehmern. Das, was aber allen offener Erinnerung geblieben ist, ist der ganze Streit.

O-TON

Ist Michael Kretschmer unangefochten CDU-Chef in Sachsen? Momentan absolut. Also ich sehe da auch niemand anders, der in Frage käme..

O-TOn Thomas Datt, Journalist

Im Moment haben wir eine Strömung, die nichts mit Sachsen speziell zu tun hat. Die haben wir auch in anderen Ländern Europas. Dass ein bestimmter Teil der Wählerschaft nur Trotz und Zorn für „die da oben“ übrig hat. Und da kann die Regierung, egal, wie sie beschaffen ist, machen oder nicht machen, was sie will. Es ist im Grunde oft egal.

Moderation: Secilia Kloppmann (SK)

Herzlich willkommen zu „MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche“. Mein Name ist Secilia Kloppmann. Unser Podcast erscheint alle zwei Wochen freitags in der ARD Audiothek und da, wo sie uns gerade hören.

Mit Blick auf die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen am 1. September soll es auch bei uns um die politische Lage, langjährige Entwicklungen in den beiden Bundesländern und um die jeweiligen Regierungen und Herausforderer gehen. Den Start macht Sachsen. In zwei Wochen, am 9. August, soll es dann um Thüringen gehen. In dieser Folge sind dabei Uta Deckow. Sie leitet die Politikredaktion bei MDR Sachsen und ist unsere Expertin für die Landespolitik in Sachsen. Ich freue mich, dass du dabei bist. Grüße nach Dresden

Hallo

Und mit mir hier im Studio ist Thomas Datt - für unsere Podcast-Hörerinnen und Hörer ein - ich hoffe doch schon guter alter Bekannter. Er beschäftigt sich vor allen Dingen intensiv mit Extremismus von links und rechts. Hallo Thomas

Moderation Secilia Kloppmann (SK)

Zum Einstieg wollen wir erstmal gucken auf die Umfragewerte. Das ist der aktuelle Stand im Moment. Laut Infratest dimap vom 20. Juni sieht der so aus: Vorn liegen quasi Kopf an Kopf mit 30 Prozent die AfD und 29 Prozent die CDU. Das heißt, AfD ein Prozentpunkt vor der CDU 2019, fünf Jahre zurück, da wurde die CDU bei den Landtagswahlen mit 32,1 Prozent die stärkste Kraft. Die AfD erreichte damals 27,5 Prozent. Das sind also, wenn man das mal so salopp formulieren will die beiden „Hauptplayer“. Denn alle anderen Parteien, auch schon 2019 in Sachsen, lagen bei knapp elf Prozent unter drunter. Das heißt wenn man jetzt auf diese gesamte politische Landschaft in Sachsen schaut, könnte man den Eindruck haben, es hat sich jetzt gar nicht so viel vor ändert in der politischen Landschaft in Sachsen. Oder sehe ich das falsch? Uta

Uta Deckow (UD)

Naja, es hat sich schon insofern maßgeblich etwas verändert, als dass wir mit dem BSW hier einen neuen Player haben, an dem tatsächlich auch sich das Ganze aufhängen könnte. Wer mit wem am Ende regiert, wer an wen Stimmen verliert und so weiter. Insofern haben wir schon eine neue Konstellation allein durch BSW. Was das Kopf an Kopf Rennen angeht von AfD und CDU. Da ist es tatsächlich sehr ähnlich. Wobei das letzte Mal war es so, dass die CDU sogar noch deutlicher vor der Wahl hinter der AfD zurücklag und dann ja in einem Aufholprozess die AfD sozusagen überholt hat während des Wahlkampfs.

SK

Da kann ich mich auch noch daran erinnern. Da gab es auch immer mal Umfragen, wo die AfD vor der CDU war, vor der Landtagswahl 2019 ...

Thomas Datt (TD)

Naja, es gibt aus meiner Sicht noch einen Unterschied zu 2019. Wir haben diesmal mehrere Parteien, die überhaupt darum kämpfen müssen, in den Landtag zu kommen. Das gilt vor allen Dingen für die Linken, die im Moment deutlich unter fünf Prozent liegen. Auch die Grünen und die SPD wirken nicht stabil in den Umfragen. Und man hat ja bei der Europawahl gesehen, dass die Grünen außerhalb der Großstädte absolut schwach sind, das ist bei der SPD ein bisschen anders. Und wenn die Wahlbeteiligung, was zu erwarten ist, bei der Landtagswahl deutlich höher wird als bei der Europawahl, die könnte möglicherweise 80 Prozent übersteigen, dann kann es für die kleinen Parteien schwierig werden. Und so eine Situation hatten wir bisher auch noch nicht. Es könnte also - das ist nicht wahrscheinlich - aber eine Möglichkeit, am Ende auch ein Drei-Parteien-Parlament geben aus BSW, CDU und AfD. Insofern ist da schon viel mehr Bewegung drin, weil wenn man sich zurückerinnert, 2019, ging es ja im Grunde wirklich um die Frage, wird die CDU oder die AfD die stärkste Kraft. Und Kretschmer hat damals davon profitiert. Nicht nur natürlich von seiner Persönlichkeit, sondern auch davon, dass er relativ viele Leihstimmen aus dem links-grünen Lager bekommen hat. Das wird meiner Meinung nach diesmal nicht passieren. Vor allen Dingen natürlich, weil diese Parteien selber, um mit der Fünf-Prozent-Hürde ringen. Und natürlich auch, weil er sich auch in den vergangenen Jahren so deutlich zum Beispiel gegen die Grünen positioniert hat und einen Kurs fährt, der er im populistischen Sinne auf das AfD Wählerklientel zielt, das wahrscheinlich in dem Bereich diesmal weniger zu holen sein wird für ihn.

SK

Da sind wir ja - Thomas und Uta - schon gleich bei der Frage, welche Konstellationen sind nach dem 1. September möglich? Thomas hat gerade gesagt, es könnte sogar möglich sein, dass am Ende nur noch drei Parteien im Landtag in Dresden sitzen. Wie siehst du das Uta?

UD

Ich finde, diese Drei-Parteien-Konstellation kann man auch herbeireden. Wenn man den SPD und Grünen-Wählern vor der Wahl nur lang genug erzählt, dass die Parteien um die fünf Prozent sind, dann kann man natürlich so etwas auch herbeireden. Das ist ja die Angst, die die Grünen und die SPD jetzt ein Stück weit auch mit umtreibt. Wie viele Umfragen kommen dann noch vorher? Auch Umfragen, die nicht so seriös sind, die sich hauptsächlich auf Internet beziehen. Aber das will ich jetzt gar nicht so sehr aufmachen. Es ist, glaube ich, wirklich einiges möglich, weil sich auch im Wahlkampf sicher noch einiges bewegen und zuspitzen kann. Insofern hat Thomas, oder gebe ich ihm da recht, dass das natürlich jetzt sehr zugespitzt sein wird, man könnte eine Dreierkonstellation haben, dann wird es schwierig. Es könnte aber auch auf eine Viererkonstellation im Landtag hinauslaufen, in dem die SPD, die jetzt doch auch bei der Europawahl relativ stabil war, was die sächsischen Zahlen angeht, drin ist. Und die Grünen beispielsweise nicht. Aber das ist ein bisschen der Blick in die Glaskugel. Und wenn man es vorher wüsste, bräuchte man ja die Leute nicht wählen lassen. Also das, was er alle diskutieren, ist wer mit wem? Und wer würde mit wem? Jetzt haben alle ausgeschlossen, mit der AfD zu regieren. Also ist die Frage, wie groß ist die Chance der AfD eine Alleinregierung zu stellen und auf eine absolute Mehrheit zu kommen? Kann man vielleicht auch nur diskutieren? Und sehe ich nicht, dass dafür wirklich die Chance besteht, bei den Umfragewerten - das wäre eine gigantische Aufholjagd. Weiß nicht, was da passieren müsste, damit man auf über 40 Prozent käme oder alle Direktmandate holen müsste.

SK:

Trotzdem, auch wenn du sagst, keiner will mit der AfD eine Regierung bilden. Jörg Urban, der AfD-Chef in Sachsen, hat auf dem Parteitag einen ganz klaren Regierungsanspruch angemeldet. Und was ja auch eine sehr spannende Frage ist, dass die AfD auch eine Rolle spielen kann, wenn sie nicht an der Regierung beteiligt ist. Und du, Thomas, du hast einen Film gemacht, ein exactly-Film, der heißt „Wenn die AfD regiert“, zusammen mit Nina Böckmann. Große Empfehlung kann man sehen im YouTube Channel, beim MDR Investigativ und in der ARD-Mediathek. Und da habt ihr euch ja auch genau mit diesem Thema auseinandergesetzt. Also was kann die AfD machen? Welche Rolle kann sie spielen? als zum Beispiel stärkste Kraft oder als sehr starke Kraft auch ohne Regierung?

TD

Da muss man mal gucken, und sich ihre Wahlpropaganda ansehen. Wir haben im Prinzip zwei Ebenen: Urabn stellt sich hin und sagt hier wir stellen Regierungsanspruch - das geht im Moment und auf absehbare Zeit nur mit einer absoluten Mehrheit. Die is nicht in Reichweite. Das realistische Ziel, was die zum Beispiel gestern in einer Pressekonferenz nennen, ist die sogenannte Sperrminorität, heißt man hat mehr als ein Drittel der Sitze im Landtag. Je nachdem, wie viele Parteien in den Landtag einziehen, können dafür schon 30 Prozent der Zweitstimmen reichen. Und dann hätte man direkten Einfluss. Das betrifft jetzt nicht unser Leben als Bürgerinnen und Bürger unmittelbar. Aber das sind Entscheidungen, die können durchaus Tragweite haben. Man hat dann zum Beispiel Einfluss auf die Wahl der VerfassungsrichterInnen. Weil für die Wahl der Verfassungsrichterinnen und Richter ist eine Zweidrittelmehrheit im Landtag möglich. Das heißt also, entweder einigt man sich über Kompromisse bei den Kandidaten und Kandidatinnen oder ist blockiert. Ähnlich ist es bei den Führungsposten des Landesrechnungshofes, bei Änderungen der Geschäftsführung. Die Geschäftsordnung selbst tut noch mit einfacher Mehrheit beschlossen, aber jede Änderung kann nur mit einer Zweidrittelmehrheit erfolgen. Die Auflösung des Landtags, jede Verfassungsänderung und das heißt, da hätte die AfD tatsächlich realen Einfluss. Und das heißt, die anderen Parteien müssten mit ihr reden. Insofern werdet aus Sicht der AfD einen Schritt zur Normalisierung der Partei,

SK

Bevor wir noch einmal auf das Personal der AfD schauen, auf den Spitzenkandidaten Jörg Urban, eine Frage, die wahrscheinlich viele Hörerinnen und Hörer des Podcasts interessiert, wenn man über die AfD zum Beispiel in Sachsen und auch in Thüringen spricht: Warum hat die AfD eigentlich in Sachsen so einen großen Zulauf? Immerhin 30 Prozent, das ist extrem viel.

TD

Naja, ich glaube, das wäre ein eigener Podcast, warum die Leute AfD wählen. Vielleicht ist ein Aspekt aber tatsächlich wichtig, weil auch sehr viele Leute auch außerhalb Sachsens immer so besonders auf Sachsen starren und auch Leute in Sachsen immer sehr auf diesen Freistaat gucken. Wenn man sich die Kommunalwahl-Ergebnisse vom 9. Juni beziehungsweise von Mai anguckt und den Europawahlen, dann sieht man, dass die AfD im gesamten Osten - Berlin ausgenommen - ähnlich stark ist. Das ist kein sächsisches Spezifikum, der Wahlkreis wo die AfD die meisten Stimmen hatte, anteilig fast 40 Prozent, war in Brandenburg, ein südbrandenburgische Wahlkreis bei der Europawahl. Also, wie gesagt, Sachsen ist jetzt nicht unbedingt für ostdeutsche Verhältnisse etwas Besonderes. Andererseits ist es so die AfD hat sich spätestens 2021 als Volkspartei in Ostdeutschland etabliert. Und das, was da passiert ist, das hat sich jetzt nur manifestiert in den Ergebnissen der Kommunalwahlen. Insofern ist das erst mal aus meiner Sicht ein ganz normaler Vorgang. Warum jetzt Leute AfD wählen, hat sicher mit dem Politikverständnis in Ostdeutschland zu tun. Wir wissen ja, man hat früher auch man Sachsen-Anhalt sehr stark die DVU gewählt, in Sachsen war die NPD zweimal im Landtag. Die Linken, als sie noch PDS hießen, waren zwischenzeitlich sehr stark, obwohl sie in der Bundespolitik doch als verpönt galten. Im Osten gibt es da mehr Beweglichkeit, und man ist offener für populistische Politik. Und diese enge Parteibindung gibt es halt nicht. Und davon profitiert die AfD und profitiert natürlich zudem von ihren einfachen Lösungen, also sprich gegen Inflation und alle Nöte, Migration helfen Grenzen dicht und Frieden mit Russland. Und das hören halt viele Leute offenbar gern.

UD

Aber man muss jetzt wirklich mal sagen, dafür gibt es ganze sozialwissenschaftliche Abhandlungen. Da kann man Stunden damit füllen und Tage damit füllen, darüber zu diskutieren, das ist ein gewisses Protestpotenzial da. Wir haben große Anteile, die inzwischen tatsächlich Stammwähler sind beider AfD, der kann man es bei weitem nicht mehr nur mit Protest erklären. Fakt ist, dass die Parteien wie CDU, SPD, Grüne, die CDU schon tatsächlich noch aber die Grünen und die SPD zum Beispiel die Sinne in der ländlichen Regionen in Sachsen überhaupt nicht so verankert. Und die Linken waren es mal viel stärker sind es aber auch nicht mehr, sodass sie dort ständig bei den Menschen ankommen, dass sie bei den Menschen tatsächlich relevant wären, dass sie eine große, breite Unterstützung vor Ort hätten. Das merken Sie ja jetzt auch im Wahlkampf. Die AfD kann auf eine breite Anhängerschaft inzwischen zurückgreifen, wo die Leute freiwillig Plakate hängen, selbst wenn sie nicht Parteimitglied sind, wo Fahnen in den Gärten aufgehängt werden und alles solche Dinge, das haben die anderen Parteien jetzt gerade nicht so.

SK

Da schließen Sie sich eigentlich für mich gleich zwei Fragen an dich an, Uta. Nämlich zum einen: Du hast gesagt Grüne und SPD nicht gut verankert auf dem Land oder überhaupt im gesamten Freistaat Sachsen schwierig. FDP ist, glaube ich, ähnlich. Die Grünen waren zeitweise, wenn man jetzt mal von 1990 anguckt, nicht im Landtag. Die FDP sitzt im Moment auch nicht drin. Woran liegt es eigentlich? Also, warum haben die in Sachsen - man könnte jetzt salopp sagen nie so richtig einen Fuß auf den Boden gekriegt?

UD

Ganz generell ist es ja so, dass es in Ostdeutschland diesen vorpolitischen Raum nicht gegeben hat, den es im Westen gibt: Gewerkschaften, Verbände, Stiftungen, Kirchen - da, wo Leute zusammenkommen und miteinander politisch diskutieren. Und dort war es eben auch gang und gäbe oder völlig normal, dass man zu Parteien gehört hat und dass man eine Parteimitgliedschaft hat. Und wenn wir uns die Parteimitgliedschaften in Ost und Westdeutschland anschauen, dann sehen wir das ja, dass wir hier wesentlich weniger Leute haben, die überhaupt in einer Partei organisiert sind. Und das hat – Thomas hat es ja schon angesprochen - durchaus auch was mit DDR-Erfahrungen zu tun. Damit, dass nach der Wende ganz viele irgendwie möglichst in Ruhe gelassen werden wollten von Politik. Die wollten, dass der Staat funktioniert und mussten ihr Leben auf die Reihe kriegen. Und da ist es Parteien nicht so gelungen, sich so zu verankern. Der CDU schon...

SK

Die CDU ist ja mit einem Riesenbonus gestartet, sowohl in Sachsen, auch Thüringen, wo wir in zwei Wochen drüber sprechen. Der erste Ministerpräsident von Sachsen, das war Kurt Biedenkopf, von 1990 bis 2002 und dann auch noch einmal seinen Nachfolger Milbradt. Bis 2004 gab es in Sachsen immer eine Alleinregierung der CDU. Bis heute stellt die ausnahmslos den Ministerpräsidenten, der es ist ja schon auch die Frage was ist jetzt eigentlich passiert? Dass sie darum kämpfen müssen, dass sie diesen Platz auch behaupten?

UD

Die CDU ist in Sachsen nicht mit einem Bonus gestartet. Generell sagen Politikwissenschaftler und Sozialwissenschaftler, dass die Sachsen eher konservativer sind als in anderen Landstrichen ..

SK

.. auch christlicher vielleicht …?

UD

... christlich ist der ganze Osten nicht. Also ja, christlicher geprägt als andere Regionen, auch mit der Lausitz. Aber ich sage mal auch da ist verglichen mit Bayern oder Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen die christliche Prägung im Osten ist generell nicht so stark wie im Westen. Aber worauf ich hinaus wollte, ist, die CDU hat Sachsen nicht geschenkt bekommen damals, sondern die SPD hat zum Beispiel einen gravierenden Fehler gemacht. Wenn wir an Anke Fuchs, die damalige Spitzenkandidatin der SPD, denken, die gegen Biedenkopf angetreten ist und wo Biedenkopf gesagt hat er will in Sachsen bleiben und sie gesagt, hat sie nicht. Wenn Sie die Wahl nicht gewinnt. Na dann ist ja immer rein gedeutet wurden, dass die SPD auch deshalb damals so verloren hat, weil ja auch Sachsen durchaus geschichtlich und historisch eher sozialdemokratisch geprägt oder eher als sozialdemokratisch geprägt galt als Land der Arbeiter und so weiter und sofort. Also insofern ja, die CDU hat mit Kurt Biedenkopf dann ganz lange die Alleinregierung gestellt. Ganz lange allein regiert in Sachsen, das auch lange verteidigen können, aber durch die Art und Weise, wie Biedenkopf regiert hat, da war ja tatsächlich eine große Zufriedenheit in den ersten Jahren da. Ich glaube, das hat zu dieser Entpolitisierung der Bevölkerung beigetragen. Es gab gar keine Notwendigkeit, sich jetzt noch großartig zu politisieren, weil er immer das Gefühl gegeben hat, ich bin der Ministerpräsident aller Sachsen. Ich mache das schon für euch.

SK

Er hat ja wie kein anderer hat dieses Prinzip des „Landesvaters“, kann man fast sagen vor sich hergetragen und gelebt und auch sehr viel Erfolg gehabt.

UD

Aber wenn man jetzt nach Bayern schaut, dann sehen wir ja, dass auch Bayern nicht verschont geblieben ist von dieser allgemeinen Entwicklung, dass wir ein Diffundieren in der gesellschaftlichen Mitte haben.Nicht nur in Deutschland scheinen die Zeiten absoluter Mehrheiten, vorbei zu sein.

TD

Das muss man echt noch mehr hervorheben. Das ist ja eigentlich eine Besonderheit, dass ein Land von einer absoluten Mehrheit regiert wird. Auch in Deutschland ist das seit einigen Jahren eher die Ausnahme. Und dass sich so was auch abnutzt, nach mehreren Jahren an der Regierun. Und man nicht vergessen darf, dass Biedenkopf bei allen Erfolgen und aller Beliebtheit, die natürlich auch so ein von einem teilweise feudalistisch angehauchten Regierungsstil geprägt war, natürlich auch eine Leuchtturm-Politik betrieben hat, die zu einer relativen Vernachlässigung von ländlichen Räumen geführt hat. Die dann natürlich auch irgendwann mal zu Unzufriedenheit bei den Wählern geführt hat, als die Strahlkraft des Mannes an der Spitze nicht mehr so groß war. Also Milbradt und Tillich waren ja eher blasse Persönlichkeiten im Verhältnis zu Biedenkopf, da wurden die Pörobleme natürlich auch viel schneller sichtbar.

UD

Ja. Wobei mit dem Begriff „feudalistische Regierungsweise“ hätteich jetzt ist so ein bisschen Schmerz. Er hat ja nicht allein regiert. Das war eine Regierung. Sie haben viele Dinge gemacht, und ich bin mir nicht so sicher. Natürlich wird einerseits diese Leuchtturm- Politik immer im Nachhinein damit verbunden, dass man sagt, die ländlichen Räume sind vernachlässigt worden. Also ich frage mich dann immer, was die Alternative zu dem Versuch gewesen wäre, Leuchttürme zu etablieren, die dann in die Regionen hinausstrahlen? Wir haben dieses Auseinanderdriften zwischen Städten und Land überall. Und Sachsen hat ein massives demografisches Problem. Natürlich sind hier ganz viele von den jungen, gut ausgebildeten weggegangen. Auch weil - und das ist vielleicht eher die Frage, das würde ich dieser Zeit tatsächlich vorwerfen, immer mit diesen Niedriglöhnen Politik gemacht wurde. Es wurde immer gesagt, kommt hierher und auf diese Niedriglohnpolitik gesetzt als einen qualitativen Vorteil von Sachsen. Und ich glaube, das hat im Nachhinein auf viele Menschen im Land verletzt und andere auch weggetrieben.

SK

Lasst uns noch mal auf die jetzt kommenden Landtagswahlen schauen. Ich möchte auch gern noch mal auf das Personal schauen, in dem Falle auf den Spitzenkandidaten der AfD, auf Jörg Urban. Derr tönt, er möchte Ministerpräsident werden. Den sieht man auch zum Beispiel auch in Dresden, bei Märschen und so weiter. Oft genug Zeit an Seite mit Björn Höcke. Überregional ist der mein Eindruck ist es zumindest nicht so bekannt wie Björn Höcke wirkt auch auf den ersten Blick vielleicht gemäßigter. Es ist auch nicht so, dass man jetzt wie bei Höcke, den darf man ja offiziell Faschist nennen. Das ist bei Jörg Urban nicht so. Wer ist eigentlich Jörg Urban?

UD

Naja, der Tagesspiegel hat mal über ihn sehr treffend geschrieben: der unscheinbare Scharfmacher ... also: Jörg Urban kommt aus Meissen, hat mal Wasserbau studiert, Umweltschutz-Aufbaustudium dann nach der Wende gemacht, hat wohl auch in Russland studiert, war bei der Grünen Liga Geschäftsführer bis 2014. Da hat er eine relative Bekanntheit erreicht, weil er damals sich gegen den Bau der Dresdner Waldschlösschenbrücke massiv eingesetzt hat. Er ist schon 2013 in die AfD eingetreten, ist damals aber aus meiner Sicht nie sonderlich aufgefallen, als Frauke Petry die Partei noch geführt hat. 2017 war es dann so, dass dieser Abgang von Frauke Petry kam, und da hat er den Fraktionsvorsitz im sächsischen Landtag übernommen. Und damals hieß es selbst aus der AfD also ich glaube, das war der damalige Pressesprecher, der gesagt hat, auch mangels Alternative. Wer hätte es denn in der Fraktion sonst machen sollen?

SK

Was unterscheidet Ihnen denn jetzt eigentlich von jemandem wie Björn Höcke?

UD

Naja, ich kann nur, sagen wie er hier in Sachsen auftritt. Da sagen ja in den Umfragen noch nicht mal die Mehrheit seiner eigenen Anhänger, dass sie ihn gerne als Ministerpräsidenten sehen wollten. Das sagt glaube ich, schon eine Menge. Er ist nicht sonderlich mitreißend, hat aber zugelegt. Aber ihm fehlt dieses Pathos. Das Höcke hat

SK

Thomas, Du hast den ja auch getroffen für euren Film - Unterschied. Björn Höcke, Jörg Urban?

TD

Na, das sind halt ganz unterschiedliche Politikertypen. Also Höcke ist ein völkischer Fanatiker, der diesen Fanatismus auch nicht so grundsätzlich unter Kontrolle kriegen können. Der bricht bei ihm auch immer wieder durch. Auch wenn er versucht, sich über eine gewisse Zeit immer wieder staatsmännisch zu geben. Jörg Urban ist aus meiner Sicht weder ein Rechtsextremist, noch in völkischer Fanatiker. Jörg Urban ist jemand den ich einen opportunistischen Rechtspopulisten nennen würde. Der sozusagen das macht, was er braucht, um in dieser Position agieren zu können, sich eben dadurch absichert, dass er den Rechten und Rechtsextremen in seiner Partei Freiraum gibt. Nach außen hin leugnet er immer, dass es Rechtsextremisten in der Partei gibt. Wenn man sich allerdings umguckt, wer da in seinem Dunstkreis unterwegs ist, zum Beispiel der Pressesprecher Herr Harlaß, der vor ein paar Jahren ganz stolz den NSU Leuchter seiner Eltern gepostet hat auf Facebook, dann weiß man, dass diese Leute durchaus da sind. Sie sind in der AfD in der Fläche vertreten, sie machen vor Ort teilweise offen gemeinsame Sache, und das wird ja zum Teil jeden Montag bei Demonstrationen zum Beispiel in Waldheim mit den „ Freien Sachsen“, die ja nun ganz offen rechtsextrem sind. Insofern, das ist eben auch bewusst, dass die Partei so beschaffen ist. Aber er duldet das.

UD

Er versucht halt konservativ zu wirken. Und man muss aber, sagen im Gutachten des Verfassungsschutzes taucht er halt dann doch auf. Und Bernd Lucke hat ihn mal in einem offenen Brief Rechtsextremisten genannt, den die Partei ächten sollte, also zu einer sehr frühen Zeit. Er ist im Trauermarsch in Chemnitz in erster Reihe mit Höcke und Kalbitz gelaufen. Also ich gebe Thomas recht an der Stelle natürlich, er ist ein Machtmensch. Und er weiß, wie er das so für sich instrumentalisiert, dass es für ihn funktioniert. Und wenn ich an den letzten Parteitag denke, dann haben die ihre Partei schon gut im Griff gekriegt, damit die eben aus Sachsen heraus nicht so laut auftreten. Und sie versuchen eben eher staatstragend in der gesamten Präsentation daherzukommen.

SK

Thomas, du hast Jörg Urban getroffen in dem bereits erwähnten und sehr empfehlenswerten exaktly-Film „Wenn die AfD regiert“, und zwar in Dresden. Wir wissen ja alle aus eigener Erfahrung, dass die AfD auch immer wieder versucht, gerade uns Journalisten vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Lügenpresse zu verunglimpfen, als du den getroffen hast in Dresden, hatte ich das Gefühl nicht, der hat reöativ entspannt mit dir gesprochen. Oder sah das nur so aus?

TD

Na ja, meine persönlichen Erfahrungen mit Jörg Urban sind so ein bisschen ambivalent. Ich kann mich erinnern, dass wir im Winter die Situation hatten, da wurde uns ein Interviewtermin abgesagt, weil wir nicht bereit waren, die Fragen vorher zu schicken. Das machen wir bei niemandem. Wir schicken Fragenkomplexe – aber stellen niemandem vorher die konkreten Fragen zur Verfügung. Das ist auch ein merkwürdiges Ansinnen, das zu verlangen. Und daraufhin wurde dieses Interview gecancelt. Und ich bin dann in die Pressekonferenz gegangen, um dort die Fragen zu stellen. Da kannst du natürlich nur weniger stellen, da ist natürlich eine Schlange von anderen Journalisten. Aber da hat er geantwortet. Also insofern: Er drückt sich jetzt nicht vor Fragen, und er ist aus meiner Sicht schon professionell im Umgang mit Journalistinnen und Journalisten von öffentlich-rechtlichen Sendern. Das ist meine Wahrnehmung - die kann natürlich auch falsch sein. Also wenn man eine AfD- Kundgebung besucht und ist egal wo, dann gibt es aus meiner Sicht drei Themen, die die Anhängerschaft immer emotionalisieren und zu Applaus bringen: Das ist die angebliche Verwöhntheit von Ukraine-Flüchtlingen und ihre großen Autos, Migration an sich und großes Thema istcnatürlich der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der natürlich weg muss. Die Zwangsgebühren, die weg müssen.

UD

Gerade auf dem Listenparteitag war es so, dass die ersten Redner anfingen über den Öffentlich-Rechtlichen und über die Medien allgemein, aber hauptsächlich natürlich über den Öffentlich-Rechtlichen herzuziehen. Das war weniger Kritik, sondern da fielen dann Sätze wie: Wenn sie an der Macht sind, dürfen wir alle zum Arbeitsamt gehen, solche Dinge. Und dann war es schon zu merken, dass der Parteitag reagierte. Darauf gab es einen Mega-Applaus, also nicht mal das Thema Migration wurde dann so dermaßen von den Kandidaten bespielt wie das Thema Medien und öffentlich-rechtlicher Rundfunk. Also das ist schon so, dass man da ganz klare Feindbilder hat.

SK

Jetzt lasst uns mal über die anderen Akteure sprechen. Im Moment regiert die CDU in einer Koalition mit der SPD und den Grünen. Das man mal so ein bisschen die Kräfteverhältnisse sieht: Die CDU hat sieben Ministerposten plus den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Grüne und SPD haben jeweils zwei Minister. Uta du als jemand, der in Dresden vor Ort ist und die sächsische Landespolitik im Auge hat. Wie würdest du denn jetzt nach fünf Jahren Kenia die Regierungsarbeit beurteilen?

UD

Naja, wenn man ganz fair ist, muss man ja sagen, dass die Hälfte der Zeit die Kenia-Koalition mit Krisenbewältigung beschäftigt war. 2019, da ist im Dezember der MP gewählt worden, es gab die Regierungsbildung, und dann hatten wir 2020 gleich die Corona-Krise, die ic dann auch hingezogen hat. Wir hatten Energiekrise, Ukraine-Krise .... Insofern muss man da sagen, hat man zwar einen großartigen Koalitionsvertrag ausgehandelt, aber das, was das Ganze überschattet hat, war tatsächlich eigentlich Krisenbewältigung

SK

Thomas, wenn man jetzt mal so guckt, diese Regierung Kenia: CDU, SPD und Grüne ... so richtig gut ist es ja den beiden Juniorpartnern nicht gelungen, sich da zu positionieren in den letzten fünf Jahren. Oder?

TD

Ja, das stimmt. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass die a) relativ kleine Partner in der Koalition sind - nicht besonders stark von ihren Wahlergebnissen im Landtag vertreten. Und dann kommt natürlich dazu, gegen diesen Trend, gegen diesen negativen Trend aus Berlin, der im Wesentlichen von ihren Parteien mitbestimmt wird, also SPD und Grünen inder Regierung kommen sie natürlich nicht frei, und dagegen ist man fast machtlos gewesen. Jetzt sind da auch nicht unbedingt die charismatischsten und stärksten Persönlichkeiten an der Spitze. Und es gab jetzt nicht die Knaller-Themen, die man vor sich her trug. Man hat immer so im Kleinen versucht. Vielleicht hätte man zu früheren Zeiten der Koalition bestimmte Sachen, zum Beispiel von Seiten der Grünen, was den Ausbau erneuerbarer Energien angeht, ein bisschen mehr riskieren müssen. Aber man war da vielleicht am Anfang zu vorsichtig und später war dann die Möglichkeit, nicht mehr da, Konflikte zu suchen, weil die Gefahr, dass die Koalition auseinanderbricht, zu groß war.

UD

Das heißt aber nicht, dass nicht noch vieles aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt wurde. Wenn man jetzt aber daran denkt, kann ja jeder für sich mal nachdenken. Was ist so in Erinnerung geblieben? TSMC Ansiedlung ist so ein Thema. Der MP hat gesagt diese Koalition hat Sachsen gut getan. Das hört man jetzt auch von den anderen Koalitions-Teilnehmern. Das, was aber allen offenebar in Erinnerung geblieben ist, ist der ganze Streit, der ja dieses Bild der Regierung gerade eben auch zuletzt eigentlich seit einem Jahr geprägt hat. Die Tatsache, dass der Ministerpräsident die Ampel-Regierung in Berlin ständig angegriffen hat. Und dabei ist es ja dann nicht geblieben, sondern wir hatten ja tatsächlich auch hier innerhalb der Koalition gehörigen Streit. Die war am Anfang eine Vernunft-Ehe und nie eine Wohlfühloase. Aber zum Schluss ist es wirklich massiv öffentlich geworden. Bis dahin, dass der Ministerpräsident ja dann gesagt hat, er möchte keine Dreierkonstellation mehr. Das ist das eine. Aber er möchte eigentlich nicht mehr mit den Grünen regieren.

SK

Er will aber im Amt bleiben. Er ist ja als Nachfolger von Stanislaw Tillich gekommen, hatte dann zwei Jahre und dann das erste Mal stand er zur Wahl 2019. Er war ganz viel vor Ort , hat versucht, mit allen zu sprechen in diesem Wahlkampf 2019. Ich will nicht sagen, man hat sich lustig darüber gemacht, aber man hatte so das Gefühl. Michael Kretschmer will jeden einzelnen Sachsen und jeder einzelne Sächsin von sich und seiner Politik überzeugen. Ist das eigentlich ein gutes Konzept?

UD

Naja, da gibt es ja pro und contra. Also ich sage mal, lustig gemacht hat sich damals keiner. Wenn man mal auch die Presselager sich anschaut, dann war gerade am Anfang, 2019 dieser Wahlkampf, dieser Kraftakt, den er da geleistet hat, wie sehr er da durchs Land gezogen ist und tatsächlich dann Formate aus dem Boden gestampft hat, wo Leute hingehen konnten, nicht nur mit ihm, sondern auch mit der gesamten Regierung reden konnten, hat eigentlich am Anfang eher wirklich der Respekt überwogen. Und man muss sagen, er hat auch heute noch ein gigantisches Programm. Macht ja auch jetzt noch zahlreiche Veranstaltungen, ist irre viel im Land unterwegs, das muss man schon sagen. Die Kritik an seiner Art des Politikmachens ist ja zuletzt eher die gewesen, dass ihm dann vorgeworfen wurde, dass er zu schnell auch Dinge verspricht, wenn er bei diesen Veranstaltungen ist, die dann eben doch so nicht umgesetzt werden können. Oder wo man sich dann eben dann tatsächlich schwer tut, es umzusetzen. Aber ganz grundsätzlich, denke ich, kann man jemanden nicht vorwerfen, wenn er erst mal versucht, mit den Menschen zu reden. Das ist was, dass die Wähler damals ja auch honoriert haben. Jetzt ist ihm ja auch in der Corona-Zeit vorgeworfen worden, dass er mit Leuten geredet hat, die eben Corona-Leugner waren oder die ihn auch tatsächlich richtig angefeindet haben.

SK

Aber die Frage ist für mich, kann das noch einmal gelingen? Diese Strategie?

UD

Also ich sage mal, das werden wir sehen. Angegriffen wird er ja momentan weniger wegen der Strategie, mit Leuten zu reden, als vielmehr wegen seiner Ampel-Kritik, seiner Dauerkritik. Eigentlich hat man ja bei ihm das Gefühl, er ist seit vorigem Jahr im Wahlkampf.

SK

Das sind ja seine Koalitionspartner, SPD und Grüne. Und ich frage mich auch, Uta, wie nehmen die das denn wahr in Sachsen? Also wie ist denn da die Stimmung im Landtag?

UD

Naja, die SPD hat ihm ja schon öffentlich Selbstprofilierung zulasten des Landes vorgeworfen. Die Grünen … Umweltminister Günther war er im Dezember heftig in der Kritik, weil sein Ministerium es nicht hingekriegt hat, dass die Auszahlungen für die Landwirte kamen. Da gab es einen Riesen-Zoff mit der CDU, und daraufhin hat dann Wolfram Günther wiederum der CDU vorgeworfen, die würden nur mit diesem ganzen Dauerfeuer auf die Grünen im Bund auch das eigene Land schlecht reden. Also das ist ja jetzt schon öffentlich, seit Monaten, dass man sich dort gegenseitig inzwischen auch öffentlich attackiert. Und der eine dem anderen vorwirft, dass das fürs Land nicht unbedingt hilfreich,

TD

Naja, ich sehe Kretschmer schon sehr differenziert. Also Kretschmer ist, glaube ich, einerseits ein moderner Politikertypus, der sehr stark auf Elemente des Populismus zurückgreift und das macht er auch weitestgehend gnadenlos. Es gibt aus meiner Sicht allerdings zwei Punkte, da ist seine Überzeugung sehr fest. Das sieht man auch daran, wie heftig und emotional er da werden kann, wenn er da argumentiert und wie hartnäckig er da ist. Das eine ist das AfD-Thema - Abgrenzung zur AfD. Also aus meiner Sicht ist ganz klar, solange Michael Kretschmer die Führungspersönlichkeit der sächsischen CDU ist, besteht überhaupt keine Gefahr, dass es irgendeine Art von Kooperation mit der AfD gibt, weil die AfD ist für ihn keine demokratischen Partei. Das hat er von Anfang an deutlich gemacht. Und das vertritt er auch in allen Runden. Er neigt ja auch dazu im Gespräch mit sehr vielen Leuten, auf die er sich auf sehr gut einlassen kann, auch Leuten manchmal ein bisschen zum Mund zu reden, aber beim Thema AfD überhaupt nicht. Und es gibt einen zweiten Punkt, da habe ich am Anfang gedacht, das wäre reine Profilierungssucht oder so ein bisschen populistisch an die Stimmung der Umfragen in Ostdeutschland angelehnt zum Russland-Ukraine-Krieg, Frieden mit Russland, damit wir wieder unser Gas billig bekommen und möglichst die Waffenlieferungen doch überdenken. Und mehr Druck auch auf die ukrainische Verhandlungsbereitschaft und so. Aber auch das meint er ernst. Das ist seine Überzeugung. Jetzt mal egal, wie unrealistisch oder wie realistisch man das findet. Da steht er für zwei Dinge. Gerade mit der zweiten Frage, denke ich, denn sowohl auf AfD als auch BSW werden dieses Thema verstärkt in diesem Landtagswahlkampf spielen, weil es so viele Leute beschäftigt , da hat Kretschmer gute Chancen zu punkten, weil er sich da schon seit Sommer 2022 in dieser Richtung profiliert. Insofern wird es interessant, ob er sich dann noch einmal vor die anderen absetzen kann.

UD

AfD - da ist er ganz klar, das hört man auch von selbst von Grünen und SPD - diese felsenfeste Überzeugung, mit Michael Kretschmer wird es keine Koalition mit der AfD geben. Da ist er ein Überzeugungstäter. Ich sehe das genau wie Thomas. Er sagt die Dinge nicht, weil es ihm hauptsächlich darum geht, im Wahlkampf zu punkten aus meiner Sicht, sondern er ist ein sehr intuitiver Politiker, auch natürlich reagiert er auf Stimmungen. Aber er sagt Dinge, weil er sie so sieht und auch die, mit denen ich gesprochen habe. Auch aus CDU-Kreisen sagen eben, Nein, das zur Ukraine-Krise ist seine tiefe Überzeugung. Und deswegen lässt er sich da nicht beirren. Es gibt ja jetzt so ein Video, weil es um Sachsen geht, so ein CDU-Video, das sagt ganz viel, wenn man sich das anschaut. Da ist er zu sehen und sagt, ich werde mich nicht neu erfinden, nur weil der Zeitgeist sich ändert. Ich werde nicht einknicken, nur weil es Gegenwind gibt. Ich habe zu vielen Fragen eine klare Haltung und die werde ich durchsetzen, auch in Berlin. Und mit Berlin ist eben nicht nur die Ampel gemeint, sondern auch die eigene Partei.

SK

Ist Michael Kretschmer unangefochten CDU-Chef in Sachsen?

UD

Momentan absolut.

TD

Ja- Also ich wüsste auch niemand anderes, der da in Frage käme im Moment.

UD

Es gibt einen Unterschied zu dem Kretschmer von 2019 und zu dem Michael Kretschmer von heute. Das ist ja das, was gerade seine Koalitionspartner oft vermissen, wenn sie über ihn reden. 2019 war Michael Kretschmer jemand, der durchs Land fuhr und der eine positive Ausstrahlung hatte und eine positive Stimmung und den Leuten erklärt hat, wir packen das an. Er hat damals auch nach der Wahl gesagt, das freundliche Sachsen hat gewonnen. Ich glaube nicht, dass ihn jetzt jemand als freundlichen Sachsen bezeichnen würde, weil er tatsächlich durch diese Ampel-Kritik ist er schon völlig anders unterwegs als 2019. 2019 hat er versucht eine positive Aufbruchstimmung zu erzeugen und hat vor allen Dingen die kritisiert, die alles nur schlecht reden und alles nur schlecht machen und damit hauptsächlich die AfD gemeint. Und das ist jetzt diesmal tatsächlich anders.

SK

Okay, also, du meinst, er hat so ein bisschen vielleicht seine Leichtigkeit und seine Freundlichkeit verloren?

UD

Na ja, die Zeiten sind ander als 2019.

TD:

Man muss ja sagen, wir haben eine Strömung, eine Strömung, die nichts mit Sachsen speziell zu tun hat. Die Strömung gibt es im gesamten politischen Westen. Die haben wir auch in anderen Ländern Europas. Dass ein bestimmter Teil der Wählerschaft ehrlich gesagt, nur Trotz und Zorn für „die da oben“ übrig hat. Und da kann die Regierung auch, egal, wie sie beschaffen ist, machen oder nicht machen, was sie will. Es ist im Grunde oft egal. Bei diesem Teil - das ist natürlich eine Minderheit, aber keine Unsignifikante in vielen Ländern. Und so ist das auch hier. Und ich glaube, das hat Michael Kretschmer natürlich auch gemerkt, dass seine eigentliche Arbeit bei diesem Kreis der Wähler, die er über die Stammwählerschaft hinaus anpeilt, keine Rolle spielt. Und er deshalb versucht, sich über diese Kritik an der Ampel, die oft auch ein bisschen wohlfeil ist, für dieses Klientel zu profilieren,

SK

Dass, der vielleicht auch manchmal frustriert ist, kann ich zum Beispiel auch nachvollziehen, wenn man mal schaut, wie eigentlich die Lage in Sachsen ist.

Ich habe im Podcast von Anne Will, Sachsens Sozialministerin Petra Köpping von der SPD gehört, die sagt es gibt doch ganz viele Ansiedlungen in Sachsen. Die Sachsen haben nach Bayern die geringste Pro-Kopf-Verschuldung, darüber rede keiner. Sie sieht auch eine starke Wirtschaftspolitik in Sachsen. Trotzdem aber herrscht offenbar in größeren Teilen der Bevölkerung Unzufriedenheit. Wie passt das zusammen?

UD

Naja, also die Pro-Kopf-Verschuldung ist jetzt glaube ich, die ziemlich schlechteste Kennziffer, um nachzufragen, warum Leute frustriert sind oder nicht, weil es ja inzwischen auch eine ganze Reihe von Untersuchungen gibt, die sagen das harte Sparkurse vor allen Dingen den Rändern nutzen. Wir haben Investitionsstau in verschiedenen Bereichen. Da sind wir wieder an dem Punkt, warum wählen die Leute so? Die Frustration, die ich bei ihm erlebe, ist eine tatsächliche und ehrliche über die Ampel-Politik, weil er als CDU-Politiker gerne eine andere Politik machen würde. Und weil tatsächlich bestimmte Dinge ja auch handwerklich nicht sonderlich gut gelaufen sind. Es stimmt, die Kritik ist an manchen Stellen sicherlich wohlfeil. Es ist in der Politik zwischen Opposition und Regierung immer so. Aber an anderen Stellen muss man auch sagen, dass bestimmte Dinge handwerklich eben auch schlecht gelaufen sind. Und eine Frustration kommt sicher auch als Landespolitiker daher, weil dir als Landespolitiker an ganz vielen Punkten ja auch die Hände gebunden sind. Dein Land geht mit mit der wirtschaftlichen Entwicklung, die das gesamte Land nimmt. Da kannst du als Landespolitiker auf und nieder springen. Wenn im Bund Steuergesetze gemacht werden, dann hängt das Land damit ran. Kannst du auf und nieder springen. Wenn im Bund bürokratische Vorgaben gemacht werden, hängt ein Land mit dran. Natürlich können wir alle im Bundesrat mitreden. Aber ich glaube schon, dass da eine gewisse Verzweiflung daherkommt. Und auch die Überzeugung man wird es besser machen.

TD

Um das noch einmal das aufzugreifen mit der geringen Verschuldungsquote von Sachsen. Das hat natürlich auch zu wirklich geringen Investitionen gerade im ländlichen Raum geführt und teilweise auch zu Kürzungen, wenn ich mich nur an die berüchtigte Kürzung der Jugendpauschale erinnere

SK

Es ist also gar nicht so eine positive Kennziffer?

TD

Es ist eine ambivalente Kennziffer, die einem einerseits natürlich einen gewissen Bewegungsspielraum erlaubt, wenn man weniger verschuldet ist. Aber die dazu führen kan - wenn man es allzu strikt auslegt - und Sachsen hat es lange gemacht und macht zum Teil bis heute, dass man bestimmte Sachen zurückfährt, die man eigentlich nicht zurückfahren dürfte. Ich erinnere mich bloß an die Kürzungen bei der Polizei, gerade auch im ländlichen Raum. Und wie gesagt, gerade Jugendarbeit, wurde auch enorm zurückgefahren, was die Fördergelder von staatlicher Seite anging, das hat aus meiner Sicht zum Teil im ländlichen Raum verheerende Auswirkungen.

UD

Wir müssen ja bloß sehen, das Hauptthema, das in Sachsen genannt wird, wenn es um landespolitische Themen, ist das Thema Bildung und Lehrermangel. Das Thema Lehrermangel ist kein ausschließlich sächsisches Thema, aber es war ja schon gravierend. Es wird versucht, seit Jahren dagegen zu steuern, im gesamten Bereich der öffentlichen Verwaltung, dazu zählen Polizeistellen. Thomas hat es angesprochen, da zählen Lehrerstellen dazu. Dort hat man ja zwischenzeitlich versucht, massiv zu sparen, und das dauert dann eben lang, selbst wenn die Einsicht da ist, dauert es extrem lange erst recht in einer Situation, in der inzwischen alle dieses Problem haben, um das Problem wieder zu lösen.

SK

Lasst uns man noch auf einen Akteur schauen, den wir noch gar nicht beleuchtet habe. Das ist ein neuer. Das ist das Bündnis Sahra Wagenknecht. Laut Umfrage 15 Prozent. Bündnis Sahra Wagenknecht in Sachsen was heißt das? Wer steht da dahinter? Uta

UD

Naja, in Sachsen Sabine Zimmermann, die Chefin. Der zweite Vorsitzende, ist ein Professor Scheibe, der tatsächlich von sich sagt, dass er eben kein beschriebenes Blatt als Politiker ist. Sabine Zimmermann war für die SPD mal im Landtag, dann später ist sie für lange Jahre Bundestagsabgeordnete für die Linke gewesen. Sie ist eine ehemalige Gewerkschafterin also, die ist schon politisch versiert. Und ansonsten ist die Partei im Aufbau begriffen. Wir hatten jetzt diese Woche den Wahlkampfauftakt, der eben ganz anders aussieht als bei allen anderen Parteien. Die machen große Veranstaltungen. Hier wurden Plakate vorgestellt, weil man tatsächlich erstmal organisatorisch auch Mühe hatte, mit den relativ wenigen Mitgliedern dort was auf die Beine zu stellen. Aber sie haben eben das eine große Gesicht das dann beim Wahlkampf-Auftakt, was auch überall plakatiert war im Raum zigfach. Und das ist Sahra Wagenknecht. Und deswegen, weil dieser Name eben auch in Sachsen zieht. Es ist auch erstmal zweitrangig, was in einem Programm steht oder welche Leute dort auf der Liste stehen, sondern BSW in Sachsen wird deshalb gewählt, weil Menschen damit bestimmte Hoffnungen und Vorstellungen verknüpfen.

SK

Gehen die mit speziell sächsischen Themen auch ins Rennen?

UD

Sie haben schon auch speziell sächsische Themen, aber die wissen genauso wie alle anderen, dass die übergeordneten Themen Migrationsfrage, Friedensfrage ... die sind, die am Ende wahlentscheidend sind, wenn es um die Frage geht, wird BSW oder AfD gewählt.

TD

BSW ist halt eine Alternative für die Leute, die sozusagen gern Kuschelkurs mit Russland wollen,. Denen aber der Anti-Migrations-Kurs der AFD zu scharf ist. Und in der Kombi haben die Leute halt die Wahl. Eher so eine Pro-Friedenspartei oder eine Anti-Immigrations-Partei. Und da werden wir auch im Wahlkampf noch eine Zuspitzung erleben. Gerade zwischen diesen beiden Parteien, gerade was den Ukraine-Konflikt angeht. Da wird man sich noch überbieten. Und BSW wird mit großer Wahrscheinlichkeit gute Chancen haben, in beiden Ländern, in Sachsen und in Thüringen, auch mitzuregieren. Es gab ja diesen Versuch von CDU-Chef Merz, das einmal auszutesten...Zusammenarbeit mit Extremisten ..

SK

da gab es sofort Widerspruch ..

TD

genau. Die Reaktionen der Partei waren insgesamt so verhalten, das klar war, da ist nicht das Problem wie bei einer möglichen Zusammenhang mit den Linken, wo das ja historische Gründe auch noch hat. Und man natürlich auch weiß innerhalb der CDU, pragmatisch gedacht wird, es wird wahrscheinlich eine der Möglichkeiten sein, um hier eine Regierung zu bilden. Und deshalb ist nicht ausgeschlossen. Also Frau Zimmermann ist auch eine Frau, die sicher mit allen kann und pragmatisch genug ist. Und man muss sich darauf einstellen, dass diese Partei die landespolitisch überhaupt nicht profiliert ist und aus meiner Sicht auch nicht sein will - bisher - dass die bald hier mit die Geschicke denkt und tut eine interessante Frage, ob sie sich dann in einer Regierung profilieren kann, wenn sie vorher da überhaupt keine Erfahrung und Spezialisierung hat.

UD

Interessant ist ja, dass Sahra Wagenknecht gesagt hat Villa wenn in Sachsen mit der CDU, dann müsste die CDU aber andersrum in Thüringen dann auch, wenn das BSW vor der CDU liegt, eine Ministerpräsidentin Wolf mit akzeptieren. Also da schon mal anfängt, Bedingungen zu stellen...

SK

Naja, ist ja dannn ihr gutes Recht, stärkste Kraft oder wer die meisten Prozentpunkte hat ..

UD

Na klar. So ist es halt … so läuft das politische Spiel, genau. Aber das eigentlich Spannende ist für mich, das momentan ja alle nur darüber reden, welches Risiko für die CDU dahinter steckt hinter dieser ganzen Konstellation. Aber für Sahra Wagenknecht, deren eigentliches Ziel ja die Bundestagswahlen sind und deren eigentliches Ziel ist, in den Bundestag einzuziehen. Da ist natürlich auch ein Risiko da mit diesen Landesverbänden, die völlig politisch unerfahren sind. Wo auf den Listen hauptsächlich wirklich politisch unerfahrene Leute stehen, mit denen dann gleich in eine Landesregierung zu gehen. Denken wir nur an die Häutungen der AfD, an die Häutungen anderer neu gegründeter Parteien .... Also da müssen sich ja erstmal Leute auch zusammenfinden und austesten, was geht, was nicht geht. Es ist auch ein Risiko für das BSW und für Sahra Wagenknecht insbesondere und ihr großes Ziel, in den Bundestag einzuziehen. Wenn das dann in den Ländern nicht so klappt. Von daher muss man auch aus der Perspektive erst mal schauen, was dann passiert. Aber es kann natürlich zu der Situation kommen, dass es gar nicht anders geht.

SK

Das ist ein interessanter Aspekt. Wobei natürlich auch viele aus der Linken gewechselt sind, mit Politik-Erfahrung. Wenn wir nach Thüringen gucken, die Spitzenkandidatin war lange Oberbürgermeisterin in Eisenach ..

UD

In Thüringen ist es mit der Spitzenkandidatin so, da ist jemand. Mit der Spitzenkandidatin Zimmermann in Sachsen ist es auch so. Wenn du dann auf die Liste schaust, dann sind da nicht mehr politische Erfahrung haben und Regierungserfahrung hat keiner.

TD

Naja, wobei man nicht vergessen darf, das BSW ist ja bisher eher so ein um die Person Sahra Wagenknecht konzentrierter Zusammenhang von Leuten, die zum Teil lange in anderen Parteien aktiv waren. Und ich meine, sie haben natürlich schon Personen wie ehemalige Oberbürgermeister und ehemalige Bundestagsabgeordnete auch aus anderen Parteien, die sie dann auch nach Sachsen holen können. Alsomich sehe beim BSW nicht das Problem, dass sie einen Mangel an Fachpersonal haben. Ich vermute nur, es wird dann zum guten Teil, was die Minister und Staatssekretäre betrifft nicht aus Sachsen kommen.

UD

Also spannend wird es allemal. Und ein Experiment ist es auch.

SK

Thomas, wir haben es gerade gehört. Ein nicht unerheblicher Teil der Politikerinnen und Politiker vom BSW kommen ursprünglich von der Partei die Linke. Die Linke hatte bei der Landtagswahl in Sachsen 2019 noch 10,4 Prozent die Umfragen jetzt sehen sie bei unter fünf. Wie groß ist denn die Gefahr, dass die Linke aus dem Landtag in Dresden fliegt?

TD

Naja, die Linken selber schätzen sie inzwischen oft sehr pessimistisch ein. Die haben sich darauf eingestellt, dass sie in den Landtag kommen könnten, indem sie die Fünf-Prozent-Hürde umschiffen. In Sachsen ist das möglich, wenn man zwei Direktmandate erringt, wo das anteilig umgerechnet und die dann zu besetzenden Plätze werden im Land zugeteilt. Die Linken setzen auf drei Wahlkreise in Leipzig. Zum einen im Süden der Stadt. Juliane Nagel hat diesen Wahlkreis schonmal gewonnen, hatte auch bei der Stadtratswahl im Juni die meisten Stimmen von allen Stadtratskandidatinnen dort erhalten. Die hat gute Chancen, diese Wahlkreis wieder zu holen. Dann gibt es noch zwei Wahlkreise - einen im Zentrum und einen im Westen. Die haben letztes Mal die Grünen geholt, und die würden die Linken diesmal gern erobern. Das wird wahrscheinlich der interessanteste „Konkurrenzkampf“ dieses Wahlkampfes, weil die Grünen müssen diese Wahlkreise aus ihrer Sicht auch verteidigen, weil für sie auch nicht sicher ist, dass sie die Fünf-Prozent-Hürde nehmen. Das heißt, dort werden wir wahrscheinlich einen intensiven Wahlkampf erleben, wie wir ihn bisher bei Landtagswahlen nicht kannten.

SK

Jetzt hast du gerade gesagt Thomas, die Grünen kämpfen auch um die Fünf-Prozent-Hürde. Die Umfragen sehen die bei rund 7% - wie kommst du drauf?

TD2] :

Naja, man muss sehen, die Wahlbeteiligung könnte deutlich höher ausfallen als bei bisherigen Landtagswahlen. Und je größer die Wahlbeteiligung wird, umso schwieriger könnte es gerade für kleine Parteien werden, die Fünf-Prozent-Hürde zu schaffen. Und da die Grünen im ländlichen Raum sehr schwach sind und für sie alles an den Großstädten hängt, könnte es also für die Grünen eng werden,

SK

Ihr lebt beide in Sachsen. Thomas, du in Leipzig. Uta in Dresden. Ich habe es tatsächlich schon vor Kolleginnen und Kollegen gehört hier in Sachsen, dass sie Angst haben vor der politischen Situation hier mit Blick auf den 1. September- sorgt ihr euch um die Zukunft in Sachsen?

UD

Angst macht schlechte Laune. Ich sorge mich schon, dass wir zu einer Situation kommen, wo das Land nicht stabil regierbar ist. Das wäre einfach für das Land schädlich. Ich sorge mich schon, wie unsere Außenwirkung wieder sein wird als Sachsen. Wenn alle dann wieder auf dieses Land schauen und man eine massive negative Berichterstattung über Sachsen hat, weil auch das ist langfristig schädlich für dieses Land. Aber ich bin nicht in Angst.

TD

Ich habe grundsätzlich keine Angst. Ich halte die Gefahr nicht für groß, dass die AfD die Macht übernimmt. Und selbst für den Fall, muss man sagen, wir leben immer noch in der Bundesrepublik. Das Grundgesetz würde, auch wenn die AfD die Macht übernehmen würde, weiter gelten in Sachsen. Insofern, finde ich, muss man sich manchmal ein bisschen beruhigen und nicht selbst verrückt machen. Was mir allerdings tatsächlich die größte Sorge bereitet, ist so eine Art, entgegenkommendes „doomsday falling“. Dass man sozusagen spürt, dass Leute Angst haben, dass die AfD so stark werden könnte und deshalb schon der Meinung sind, man dürfe jetzt diese Wählerschaft nicht noch mehr aufheizen provozieren. Also ich habe das selber erlebt, als wir für den Film versucht haben, in Kommunen zu drehen, die im Bereich kommunaler Klimaschutz sehr weit sind. Da gab es richtige Angst, über das Thema Klimaschutz vor Ort zu reden. Also wie ist es mit der Beschattung des Ortes angesichts der längeren Hitzeperioden und so weiter, weil man Angst hatte, man würde dort Öl ins Feuer gießen. Und das finde ich viel besorgniserregender. Dass man manchmal den Eindruck hat, Teile der Gesellschaft und auch Teile des Staates treten da so eine Rückzugsposition an. Das beunruhigt mich viel mehr, weil ich finde, bestimmte Normalitäten, dass man über Sachen redet, die man macht. Und dass man über Sachen streitet. Die darf man sich nicht nehmen lassen, nur weil die AfD stärker wird. Es gibt so viele Sachen zu lösen. Da ist ein Rumgeheule überhaupt kein Weg.

SK

Vielen Dank, Uta Deckow und Thomas Datt

SK

Und herzlichen Dank fürs Interesse, auch allen Zuhörerinnen und Zuhörern. Am 9. August geht es dann hier um Thüringen. Bevor ich mich verabschiede, noch ein Tipp: Seit dem 25. Juli in der ARD Audiothek und da, wo sie uns gerade hören, ist der neue MDR-Podcast „Mit himmelblauem Herz - der Neustart des Chemnitzer FC“. Das ist ein Podcast über Misswirtschaft, über Nazi-Fans und über die Liebe zu einem schwierigen Verein. Also alles andere als ein gewöhnlicher Fußball-Podcast. Es geht um den Chemnitzer Fußballklub. Der lag vor einem Jahr noch am Boden. Nur einen Fußbreit entfernt vom finanziellen und sportlichen Kollaps, dazu geplagt von rechtsextremen Fans, die sich über Jahrzehnte in der Kurve eingenistet haben. Der Podcast erzählt von Menschen, die ihr himmelblaues Herz in beide Hände genommen haben, um den Verein zu retten. Am Ende hat der CFC nicht nur überlebt, hat sich neu erfunden. Der Journalist Peer Vorderwülbecke hat den Verein ein Jahr lang begleitet und das Vertrauen der neuen Führungsriege gewonnen. Es ist ein Podcast entstanden, der hinter die Kulissen schaut, der teilhaben lässt an einer tiefgehenden Recherche. Ein Podcast, in dem die Entscheidungsträger ungewöhnlich offen erzählen, was in diesem letzten Jahr beim CFC Überraschendes entstanden ist. Und das war's von MDR investigativ hinter der Recherche. Zusatzinfos, Hintergründe und auch ein Transkript sind in den Zonooz verlinkt und auch zu finden auf www.mdr.de/investigativ-podcast. Über Feedback und Bewertungen freuen wir uns immer. Und natürlich auch, wenn Sie uns ein Abo da lassen, dann verpassen Sie keine unserer Folgen. Ich sage Tschüss und bis in zwei Wochen. Dann dreht sich hier alles um die Landtagswahlen und die politische Lage in Thüringen.

Podcast: "MDR Investigativ - Hinter der Recherche"

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