MDRfragt - das Meinungsbarometer für Mitteldeutschland Zustimmung zu hartem Lockdown sinkt
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16. Februar 2021, 06:00 Uhr
Die Lockdown-Regeln werden zunehmend zur Belastung: Mittlerweile empfinden 40 Prozent der MDRfragt-Teilnehmerinnen und Teilnehmer den Lockdown als zu hart - elf Prozent mehr als noch im Januar. Die Bereitschaft, sich an die Regeln zu halten, ist deutlich zurückgegangen. Entsprechend befürworten die meisten die ersten geplanten Lockerungen, wie die angekündigte Öffnung der Friseurläden ab März. Das sind einige der Ergebnisse der aktuellen Befragung von MDRfragt mit rund 25.700 Teilnehmenden.
Inhalt des Artikels:
- Auch Bereitschaft, sich an Regeln zu halten, nimmt ab
- Zustimmung für erste Lockerungsankündigungen
- Zwei Drittel unzufrieden mit Krisenmanagement der Politik
- Impfbereitschaft konstant: Deutliche Mehrheit will sich impfen lassen
- Drei Viertel wollen beim Impfstoff wählen können
- Mehrheit akzeptiert Verstöße gegen Impfreihenfolge, um Impfstoff nicht zu verschwenden
- Geteilte Meinung bei Sonderrechten für Geimpfte
- Hälfte hat Angst vor Langzeitfolgen
Der Lockdown wurde verlängert, trotz sinkender Infektionszahlen. Die Mehrheit der MDRfragt-Mitglieder (60 %), die sich an der aktuellen Befragung beteiligt haben, finden das richtig oder sind sogar der Ansicht, die derzeitigen Regeln sind noch zu lasch. Allerdings ist der Anteil derer, die die aktuellen Maßnahmen für zu hart empfinden, im Vergleich zu vergangenen Befragungen gewachsen: Mittlerweile fänden 40 Prozent eine Lockerung richtig – als wir im Januar das letzte Mal danach gefragt haben, waren es nur 29 Prozent.
Auch Bereitschaft, sich an Regeln zu halten, nimmt ab
Dazu passt, dass auch die Bereitschaft, sich an die geltenden Corona-Regeln zu halten, unter den MDRfragt-Mitgliedern abnimmt. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) geben an, dass ihre Bereitschaft dazu ungebrochen hoch ist. Allerdings ist das ein deutlicher Rückgang gegenüber unserer Befragung von Anfang Dezember, wo noch 62 Prozent angaben, dass die Bereitschaft zur Einhaltung der Regeln ungebrochen hoch ist.
16 Prozent geben aktuell an, dass ihre Bereitschaft, sich an die Regeln zu halten, seit Kurzem zurückgegangen ist. Anfang Dezember waren das lediglich 6 Prozent. Zudem ist die Bereitschaft bei 13 Prozent der an der aktuellen Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder bereits seit Längerem zurückgegangen. Im Dezember war dies bei 7 Prozent der Fall.
Zustimmung für erste Lockerungsankündigungen
Die ersten angekündigten Lockerungen stoßen bei der MDRfragt-Gemeinschaft auf Zustimmung. Vor allem, dass Friseure bald wieder öffnen dürfen, begrüßen insgesamt 70 Prozent derjenigen, die sich an der Befragung beteiligt haben. 39 Prozent hätten sich sogar gewünscht, dass dies vor dem festgelegten Termin zum 1. März erfolgt, weitere 31 Prozent halten den 1. März für ein angemessenes Öffnungsdatum. Nur ein gutes Viertel (26 %) hätte sich gewünscht, dass Friseure bis auf Weiteres geschlossen bleiben.
Zum Thema Friseursalons haben uns einige Kommentare der MDRfragt-Mitglieder erreicht:
Dass die Friseure wieder ab 01.03. öffnen finde ich echt an der Zeit, mehr als 4 Personen sind ja meist nicht dort, im Vergleich zur Fülle im Schulbus bestimmt zu verkraften...
Die Entscheidung der Regierung die Friseure zu öffnen, ist für mich unverständlich - genau wie vorher die Entscheidung zum Profifußball. Was ist der Unterschied vom Friseur zum Einzelhandel - hier komme ich dem Verkäufer nicht so nah wie beim Friseur.
Hotels und Gaststätten werden bei Öffnungen benachteiligt. Sie haben eher die Möglichkeit, mit weniger Umsatz die Normen des Abstandes einzuhalten. Friseure sind näher an Menschen dran als Aufsichtspersonal in Museen, Tierparks, Zoos.
Auch die Schulöffnung in Sachsen findet eine knappe Mehrheit (52 %) richtig. 43 Prozent finden es dagegen falsch, dass im Freistaat seit Montag Grundschulen und Kitas wieder öffnen dürfen. Die Mehrheit (56 %) hätte sich generell gewünscht, dass beim Thema Schulen dieselben Regeln für ganz Deutschland gelten und nicht von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich entschieden wird.
Zwei Drittel unzufrieden mit Krisenmanagement der Politik
Knapp zwei Drittel (65 %) der MDRfragt-Teilnehmenden zeigen sich mittlerweile eher unzufrieden mit dem Corona-Krisenmanagement von Bund und Ländern, 35 Prozent sind zufrieden bis sehr zufrieden.
Einige MDRfragt-Mitglieder schreiben, dass ihnen die Perspektive in den Entscheidungen fehlt:
Bei einer der letzten Befragungen habe ich geschrieben, dass es "Licht am Ende des Tunnels geben wird", aber bei der derzeitigen Regierung habe ich den Eindruck, dass diese Situation mutwillig in die Länge gezogen wird. Es wird zum 10. März oder welches Datum als nächstes ansteht nichts perspektivisch vorgegeben, nur dass Frisöre zum 1. März wieder aufmachen können und sonst nichts - das ist doch billig, oder?
Mir fehlt inzwischen ein Plan für den Ausstieg aus den Beschränkungen. Wie wird zum Beispiel verfahren, wenn alle, die es wünschen geimpft wurden? Dann ist ja das Risiko, schwer zu erkranken auf ein Minimum gesenkt.
Die Menschen brauchen eine Perspektive, ansonsten wir die Zahl der Unzufriedenen steigen, was sich auch in der Zahl der Maßnahmen-Skeptiker und -Verweigerer zeigen wird.
Impfbereitschaft konstant: Deutliche Mehrheit will sich impfen lassen
Die Impfbereitschaft in der MDRfragt-Gemeinschaft ist ungebrochen hoch: 83 Prozent geben an, sich impfen lassen zu wollen. Der größte Teil davon (57 %) will dies tun, sobald es geht, oder ist bereits geimpft. 26 Prozent wollen mit der Impfung auf Langzeitstudien warten. 14 Prozent wollen sich nicht impfen lassen. Zuletzt hatten wir die MDRfragt-Mitglieder Ende Dezember nach ihrer Impfbereitschaft gefragt. Seitdem ist der Anteil derjenigen, die sich sofort impfen lassen wollen, gestiegen und der Anteil derjenigen, die auf Langzeitstudien warten wollen, gesunken. Der Anteil derjenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, ist bei 14 Prozent konstant geblieben.
Drei Viertel wollen beim Impfstoff wählen können
Drei Corona-Impfstoffe sind bislang auf dem Markt, Wirkweisen und Wirksamkeit sind dabei sehr unterschiedlich. Aufgrund der Knappheit des Serums können Menschen bislang jedoch nicht auswählen, welchen Impfstoff sie erhalten.
Gleichwohl ist das Bedürfnis nach einer Wahlmöglichkeit hoch: Drei Viertel der MDRfragt-Teilnehmenden würden gerne selbst entscheiden, welchen Impfstoff sie bei einer Impfung erhalten. 23 Prozent legen keinen Wert auf eine Wahlmöglichkeit.
Allerdings: Fast genauso viele, die eine Wahlmöglichkeit beim Impfstoff begrüßen würden, würden sich mit jedem für sie zugelassenen Impfstoff impfen lassen. Das Bedürfnis überhaupt geimpft zu werden, ist also größer als der Wunsch den Impfstoff aktiv auszuwählen – und das Vertrauen in die Zulassungsbehörden offenbar hoch.
Mehrheit akzeptiert Verstöße gegen Impfreihenfolge, um Impfstoff nicht zu verschwenden
Einige Personengruppen, darunter Polizisten und Politiker, haben in den letzten Wochen Impfungen gegen das Coronavirus erhalten, obwohl sie laut der Impfreihenfolge noch nicht an der Reihe gewesen wären. Oft wurde es damit begründet, dass ansonsten Impfstoffe übrig gewesen und verfallen wären. Dass auch Personengruppen außer der Reihe geimpft werden, finden 71 Prozent der MDRfragt-Teilnehmenden richtig, um Impfstoffe nicht zu verschwenden. Für 21 Prozent ist dies nicht akzeptabel.
Von den Teilnehmenden, die sich bei übrig gebliebenen Impfdosen für ein Abweichen von der Impfreihenfolge ausgesprochen haben, wollten wir genauer wissen, an wen sie die Impfdosen bevorzugt vergeben würden. An erster Stelle wurde medizinisches Personal außerhalb von Impfzentren, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen genannt (62 %), gefolgt von Lehrern (50 %) und Feuerwehrleuten (43 %). Ein gutes Viertel (26 %) hat sich dafür ausgesprochen, in solch einem Fall keine Unterscheidung vorzunehmen und jeden, der sich bereit erklärt, zu impfen – Hauptsache, es verfällt kein Impfstoff. Politiker, die sich haben impfen lassen, waren in den vergangenen Wochen vermehrt in den Schlagzeilen – ihre Personengruppe würden aber nur 3 Prozent der MDRfragt-Teilnehmenden bei übrig gebliebenen Impfdosen auswählen.
Viele MDRfragt-Mitglieder haben uns in ihren Kommentaren geschrieben, wie sie über "Impfvordrängler" und die Impfstrategie denken. Hier einige Beispiele:
Die Vordrängler aus Politik und Verwaltung sind elende Heuchler. Es war zum Teil ihre Verantwortung oder zumindest war ihr Hinweis möglich, eine sinnvolles Management der Impfungen inklusive Warteliste für wirklich Bedürftige zu organisieren.
Wenn Impfstoff übrig bleibt kann der naturgemäß wohl nur an Personen verimpft werden, die auch schnell genug am entsprechenden Ort sein können, bevor die übrigen Dosen verfallen. Das wird in aller Regel keine Person höheren Alters sein können.
Aus meiner Sicht kann die Impfreihenfoge eingehalten werden, da der Bedarf an Impfungen in der 1. Gruppe deutlich höher ist, als derzeit bedient werden kann. Insofern würden sich dort auch Personen für die sogenannten Impfreste finden lassen. Landräte, Oberbürgermeister, Stadträte etc. müssten sich nicht "opfern".
Es könnte so einfach sein, warum überlässt man das Impfen nicht einfach den Hausärzten. Diese kennen ihre Patienten und der Hausarzt ist auch eine Vertrauensperson.
Geteilte Meinung bei Sonderrechten für Geimpfte
Immer wieder wird diskutiert, ob Menschen, die gegen Corona geimpft sind, Sonderrechte eingeräumt werden sollten. So könnten zum Beispiel Konzerte, Gaststätten oder Urlaubsziele ausschließlich für Geimpfte zugänglich sein.
Eine knappe Mehrheit von 53 Prozent sind dagegen. 47 Prozent können sich entsprechende Sonderrechte vorstellen. Allerdings wollen die meisten diese erst einräumen, wenn auch für jeden, der sich impfen lassen möchte, eine Impfdose zur Verfügung steht. 43 Prozent haben so geantwortet, 4 Prozent würden schon jetzt allen Geimpften Sonderrechte einräumen.
Hälfte hat Angst vor Langzeitfolgen
39 Prozent der MDRfragt-Mitglieder, die sich an der Befragung beteiligt haben, geben an, große oder sehr große Sorgen vor einer Ansteckung zu haben. Kleine Sorgen machen sich 45 Prozent. 16 Prozent dagegen haben keine Sorge vor einer Ansteckung. Vor den Langzeitfolgen sorgt sich die Hälfte (50 %) der MDRfragt-Mitglieder, die bei der Befragung mitgemacht haben. Vor einer schwerwiegenden Erkrankung sorgen sich etwas weniger: 41 Prozent. Rund ein Drittel (31 %) haben keine Angst vor einer schwerwiegenden Erkrankung oder Langzeitfolgen.
Über die Befragung
Die Befragung mit dem Titel "Verlängerter Lockdown – vernünftig oder gefährlich?" lief vom 12.-15.02.2021.
An der Befragung haben 25.708 Menschen teilgenommen. Aktuell sind bei MDRfragt 40.754 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen angemeldet.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 30 Jahre: 499 Teilnehmende
31 bis 50 Jahre: 4.469 Teilnehmende
51 bis 64 Jahre: 10.784 Teilnehmende
65+: 9.956 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 13.419 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 6.171 (24 Prozent)
Thüringen: 6.118 (24 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Männlich: 53 Prozent
Weiblich: 47 Prozent
Die Befragungen sind nicht repräsentativ, aber sie werden nach statistischen Merkmalen wie Geschlecht, Bildung und Alter gewichtet. Die Gewichtung ist eine Methode aus der Wissenschaft bei der es darum geht, die Befragungsergebnisse an die real existierenden Bedingungen anzupassen. Konkret heißt das, dass wir die Daten der Befragungsteilnehmer mit den statistischen Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgleichen.
Wenn also beispielsweise mehr Männer als Frauen abstimmen, werden die Antworten der Männer weniger stark, die Antworten der Frauen stärker gewichtet. Die Antworten verteilen sich dann am Ende so, wie es der tatsächlichen Verteilung von Männern und Frauen in der Bevölkerung Mitteldeutschlands entspricht.
Dabei unterstützt ein wissenschaftlicher Beirat das Team von "MDRfragt". Mit dem MDR Meinungsbarometer soll ein möglichst breites Stimmungsbild der Menschen in Mitteldeutschland eingefangen werden – mit möglichst vielen Teilnehmenden.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR Aktuell | 16. Februar 2021 | 17:45 Uhr