MDRfragt - Das Meinungsbarometer für Mitteldeutschland Drei Viertel der Mitteldeutschen für höhere Fleischpreise
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08. Juli 2020, 05:00 Uhr
Nach den Skandalen an deutschen Schlachthöfen wird über die Fleischindustrie diskutiert: Arbeitsbedingungen und Tierwohl stehen in der Kritik. Viele Menschen wären bereit, mehr Geld für Fleisch- und Wurstwaren zu zahlen, wenn es dem Tierwohl zugute kommt. Das zeigen aktuelle MDRfragt-Ergebnisse. Zudem wird den Verbrauchern die Herkunft von Wurst und Fleisch wichtiger.
Auf einem "Fleisch-Gipfel" mit Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner wurde unter anderem über einen Preisaufschlag für Fleisch diskutiert, der dem Tierwohl zugute kommen soll. Demnach soll der Preis für Fleisch- und Wurstwaren um 40 Cent pro Kilo angehoben werden. Fast die Hälfte (43 %) der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der aktuellen mdrFRAGT-Befragung findet einen Aufschlag in dieser Höhe okay. Nahezu ein Drittel (31 %) würde sogar noch mehr für Wurst und Fleisch zahlen. Somit sind fast drei Viertel (74 %) bereit, mehr Geld als jetzt für Wurst und Fleisch zu zahlen. Jede oder jeder Fünfte (20 %) ist jedoch nicht bereit, den derzeit diskutierten Fleisch-Aufschlag zu zahlen.
Einige Befragungsteilnehmer sind jedoch auch skeptisch, ob der Preisaufschlag wirklich seinen Sinn erfüllen würde:
Hoffentlich stecken sich die großen Unternehmen nicht die 40 Cent mehr pro Kilo in ihre Tasche, sondern tun auch was für Tier- und Menschenwohl.
Ich würde sehr gerne 40 Cent pro Kilogramm mehr bezahlen. Aber wo geht das Geld hin? Zum Tierwohl... Aber was bedeutet das? Sowas muss ja definiert werden. Wenn ein Schwein draußen rum läuft, buddeln kann, dann würde ich auch 1oder 2 Euro mehr bezahlen. Und im Nebeneffekt ist das Fleisch dann auch viel besser in der Qualität...
Ich habe die Frage nach dem Preis mit "nein" beantwortet, weil ich fest davon überzeugt bin, dass sich für die Tiere nichts ändern wird, selbst wenn das Kilo 2.000 Euro kosten würde!
Mehrheit für Wandel der Bedingungen in der Fleischindustrie
Nicht nur das Tierwohl, auch die Arbeitsbedingungen und der Umwelt- und Klimaschutz sind Kritikpunkte an der Fleischindustrie. Die Mitglieder der mdrFRAGT-Gemeinschaft sind dafür, dass es höhere Auflagen für die Branche geben sollte:
- Neun von zehn sind eher bzw. auf jeden Fall dafür, dass es beim Arbeitsschutz Änderungen geben sollte.
- Ähnlich hoch ist die Zustimmung bei Veränderungen im Tierschutz (88 % eher oder auf jeden Fall dafür).
- Beim Thema Umwelt- und Klimaschutz sind zwar im Vergleich weniger Teilnehmer der Meinung, dass es höhere Auflagen geben müsste. Dennoch spricht sich auch hier eine deutliche Mehrheit eher oder auf jeden Fall dafür aus, nämlich mehr als Dreiviertel der Teilnehmer (77 %).
Deutliche Mehrheit für Verbot von Werkverträgen in Schlachthöfen
Besonders das geplante Aus für Werkverträge in Schlachthöfen wird von den meisten Menschen, die sich an der Befragung beteiligt haben, begrüßt: 91 Prozent finden es richtig. Nur 4 Prozent finden die Entscheidung falsch.
Auch hierzu haben uns einige Befragte ihre Meinung geschrieben:
Die Thematik Werkvertrag und die ausbeuterischen Verhältnisse z.B. im Schlachtbereich, Ernte und Bau sind der Politik längst bekannt. Ich finde es äußerst bedenklich, dass noch immer nur darüber geschwafelt wird.
Werkverträge sollten abgeschafft werden und ''normales Personal'' dafür mit Tariflohn eingestellt werden. Dafür wäre ich auch bereit mehr zu zahlen.
Eine Abschaffung der Werkverträge in Deutschland ändert nichts an den Lebensbedingungen der Arbeiter. Es wird nur dazu führen, dass die Betriebe ins benachbarte EU-Ausland ausweichen. Damit gehen hier auch Arbeitsplätze in der Verwaltung und Kontrolle verloren und ebenfalls erhebliche Steuereinnahmen. Tschechien und Polen werden sich freuen und die Lebensbedingungen für die Arbeiter aus Rumänien und Bulgarien werden dort noch schlechter sein. Die Politik aber auch die Medien denken hier viel zu kurz.
Herkunft von Wurst und Fleisch wird wichtiger
Durch die derzeitigen Skandale um die Großschlachthöfe wollen viele Menschen ihre Ess- und Einkaufsgewohnheiten ändern:
- Mehr als die Hälfte (53 %) gibt an, dass sie mehr darauf achten wollen, wo Fleisch und Wurst herkommen.
- Etwa jede oder jeder Fünfte (21 %) wird nach eigenen Angaben weniger Wurst und Fleisch essen.
- Aufgrund der Skandale gänzlich auf Fleisch und Wurst verzichten wollen jedoch nur die wenigsten: 3 Prozent geben an, dies versuchen zu wollen. Weitere 5 Prozent tun dies schon und gaben an, bereits jetzt kein Fleisch und keine Wurst zu essen.
- Etwa ein Drittel (32 %) sagt aber auch: Ich werde nichts an meinen Ess- oder Einkaufsgewohnheiten ändern.
In ihren Kommentaren geben viele Teilnehmer aber auch an, dass sie schon jetzt eher beim Metzger vor Ort oder regionalen Bauern einkaufen als im Supermarkt und daher keine Notwendigkeit sehen, etwas zu ändern:
Schon vor den letzten Skandalen ist mir der Appetit auf Fleisch/Wurst vergangen. Ich gehe zum Bauern/Direktvermarkter bei denen ich weiß, wo das Fleisch herkommt und wie es den Tieren ergeht.
In Deutschland sollte überlegt werden, ob es noch gut ist, große Ställe oder Schlachthöfe zu betreiben, bzw. in allen Supermärkten Fleischwaren anzubieten. Sinnvoller wären kleinere Fleischverarbeiter mit Verkauf. Wir haben für uns die Fleischer unseres Vertrauens gefunden!
Ich zahle gern für Tierwohl und gute Fleischqualität einen angemessenen Preis. Aber eine pauschale Abgabe ist für mich zu untransparent. Die Erzeuger und Verarbeiter müssen für ihre Arbeit fair entlohnt werden. Daher müssen die Herkunft sowie die gesamte Verarbeitungskette bis zur Ladentheke nachgewiesen werden. Nur dann kann ich mit gutem Gewissen Fleischprodukte kaufen und entsprechend bezahlen.
Vor allem die Älteren nehmen sich vor, nun mehr auf die Herkunft von Fleisch und Wurst zu achten: Bei den über 65-Jährigen, die sich an der aktuellen mdrFRAGT-Runde beteiligt haben, geben dies 59 Prozent an. Bei den Menschen bis 30 Jahren sind es 45 Prozent. Allerdings ist in dieser jüngsten Befragtengruppe auch der Anteil derjenigen, die sich bereits jetzt fleischlos ernähren, mit 23 Prozent am größten.
Über die Befragung
In einer Befragung vom 03. bis zum 06. Juli 2020 wollten wir von den mdrFRAGT-Teilnehmerinnen und Teilnehmern wissen: "Rekordschulden und dauerhafte Umbrüche – Inwiefern verändert Corona unser Leben dauerhaft?"
An der Befragung haben 14.946 Menschen teilgenommen. Insgesamt sind mittlerweile 29.139 registrierte Mitglieder aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Teil der mdrFRAGT-Gemeinschaft.
52 Prozent der Befragten kommen aus Sachsen, 24 Prozent aus Sachsen-Anhalt und 24 Prozent aus Thüringen. Das entspricht in etwa der Verteilung der Einwohner in den drei Bundesländern.
56 Prozent der Befragten sind männlich und 44 Prozent weiblich.
Die Teilnehmer dieser Befragung verteilen sich auf folgende Altersgruppen:
305 Menschen sind zwischen 16 und 30 Jahre alt,
2.767 zwischen 31 und 50 Jahren,
6.162 zwischen 51 und 64 Jahren und
5.712 Teilnehmer sind 65 Jahre und älter.
Die Befragungen sind nicht repräsentativ, aber sie werden nach statistischen Merkmalen wie Geschlecht, Bildung und Beruf gewichtet. Die Gewichtung ist eine Methode aus der Wissenschaft bei der es darum geht, die Befragungsergebnisse an die real existierenden Bedingungen anzupassen. Konkret heißt das, dass wir die Daten der Befragungsteilnehmer mit den statistischen Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgleichen.
Wenn also beispielsweise mehr Männer als Frauen abstimmen, werden die Antworten der Männer weniger stark, die Antworten der Frauen stärker gewichtet. Die Antworten verteilen sich dann am Ende so, wie es der tatsächlichen Verteilung von Männern und Frauen in der Bevölkerung Mitteldeutschlands entspricht.
Dabei unterstützt ein wissenschaftlicher Beirat das Team von "mdrFRAGT". Mit dem MDR Meinungsbarometer soll ein möglichst breites Stimmungsbild der Menschen in Mitteldeutschland eingefangen werden – mit möglichst vielen Teilnehmenden.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR um 2 | 08. Juli 2020 | 14:00 Uhr