MDRfragt Krieg in Ukraine: Sicherheitsgefühl bei großer Mehrheit nachhaltig beeinträchtigt
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24. Februar 2023, 05:00 Uhr
Ein Jahr Krieg in der Ukraine hat das Sicherheitsempfinden vieler MDRfragt-Teilnehmenden nachhaltig ins Wanken gebracht. Das zeigt die nicht repräsentative, aber gewichtete Befragung von MDRfragt, bei der mehr als 30.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ihre Meinung eingebracht haben.
- Die überwiegende Mehrheit der Befragungsteilnehmenden sieht ihr Sicherheitsgefühl aufgrund des Ukraine-Kriegs negativ beeinflusst.
- Am meisten besorgt die Befragten derzeit, dass weitere Staaten oder die Nato in den Krieg eingreifen könnten.
- Von der Politik wünscht sich der Großteil mehr diplomatische Anstrengungen.
Vor genau einem Jahr, am 24. Februar 2022, begann der russische Angriffskrieg auf die Ukraine mit einem Angriff der russischen Luftwaffe auf zahlreiche ukrainische Städte. Das hat auch Auswirkungen auf die Menschen hier in Mitteldeutschland: 78 Prozent der Teilnehmenden der aktuellen MDRfragt-Befragung gaben an, dass ihr Sicherheitsgefühl dadurch nachhaltig beeinträchtigt wurde.
Die MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer haben uns geschrieben, welche konkreten Ängste und Sorgen sie hinsichtlich des Ukraine-Kriegs haben.
Angst vor einer Eskalation trifft es am besten. Als junger Mensch habe ich mich nie vor der Zukunft gefürchtet. Doch mittlerweile habe ich Angst, dass ich gar keine mehr habe.
Wer hätte gedacht, dass es nach jahrzehntelangem Frieden nun wieder Krieg gibt? Man würde denken, die Menschen sind schlauer. Warum muss sich die Geschichte wiederholen?
Reinhard Mey hat gesungen: ''Nein, meine Söhne geb’ ich nicht". Dieses Lied spricht mir aus der Seele!
Es gibt auch Befragungsteilnehmende, denen eine weitere Eskalation des Krieges kaum Sorgen bereitet.
Der Russe war schon immer unser Freund. Ich habe null Angst vor einem Krieg.
Ich frage mich, wie man auf die Idee kommt, dass ein Weltkrieg entbrennen könnte! Niemand hat meiner Meinung nach mal genau erklärt, wie er sich das vorstellt. Mit den Russen? Die nicht mal in der Lage sind, die Ukraine einzunehmen?
Deutschland ist in ein Verteidigungsbündnis eingebunden und wird nicht bedroht. Insofern mache ich mir keine Sorgen, dass unser Land überfallen werden könnte. Allerdings macht mir große Sorge, dass sich dies durch eine zunehmende Eskalation des Krieges in der Ukraine ändern kann. Deshalb dürfen wir uns nicht weiter in den Krieg hineinziehen lassen.
Bei Älteren ist Sicherheitsempfinden stärker beeinträchtigt
Vergleicht man die Altersgruppen, wird ein deutlicher Unterschied im Antwortverhalten zwischen jüngeren und älteren MDRfragt-Mitgliedern, die an der Befragung teilgenommen haben, deutlich. Zwar überwiegt bei allen das Gefühl, dass ihre Sicherheit gelitten hat, bei den Älteren ist dieses Gefühl jedoch viel stärker ausgeprägt.
Sorge vor militärischem Eingriff weiterer Staaten
So machen sich die MDRfragt-Teilnehmer auch Sorgen darüber, wie es mit dem Krieg in der Ukraine weitergeht. Die Befragten sorgt zum Beispiel, dass weitere Staaten oder die Nato in der Kriegsregion militärisch eingreifen könnten. Rund sieben von zehn gaben das an.
Etwas mehr als die Hälfte äußert zudem Sorge vor einem Dritten Weltkrieg sowie vor einem Angriff Russlands auf weitere Länder. Rund 40 Prozent teilen diese Sorgen aber nicht. Was den Einsatz von Atomwaffen angeht, ist das Stimmungsbild geteilt: 49 Prozent befürchten, dass dieses Szenario eintreten könnte – bei ebenfalls 49 Prozent ist das hingegen nicht der Fall.
Sorge vor Atomwaffeneinsatz und Angriff Russlands auf andere Länder hat abgenommen
Seit Februar vergangenen Jahres haben wir die MDRfragt-Mitglieder regelmäßig nach ihrer Sorge vor bestimmten Kriegsszenarien befragt. Dabei zeigt sich: Sowohl die Sorge vor einem Einsatz von Atomwaffen als auch davor, dass Russland unter Putin weitere Länder angreifen könnte, ist seit Beginn des Ukraine-Krieges geringer geworden. Während Anfang März 2022 noch zwei Drittel der MDRfragt-Teilnehmenden Sorge vor einem Angriff weiterer Länder durch Putin hatten, liegt der Anteil jetzt bei etwas mehr als der Hälfte. Parallel dazu ist auch die Sorge vor dem Einsatz von Atomwaffen gesunken: Waren Anfang März 2022 rund zwei Drittel deswegen besorgt, ist es jetzt knapp die Hälfte.
Prof. Raj Kollmorgen zu den Ergebnissen
Der Professor für Soziologie, Raj Kollmorgen, ordnet die Ergebnisse insbesondere vor dem Hintergrund der ostdeutschen Wendeerfahrung ein. Er ist Mitglied des wissenschaftlichen Beirates von MDRfragt.
Forderung nach mehr diplomatischen Bemühungen
Deutschland hat auf den russischen Einmarsch in die Ukraine bislang mit etlichen Schritten reagiert, die von den Befragungsteilnehmenden unterschiedlich bewertet werden. Vor allem die diplomatischen Anstrengungen, um den Krieg zu beenden, gehen einem Großteil – 77 Prozent – nicht weit genug. Lediglich 17 Prozent halten sie für angemessen.
Was MDRfragt Mitglieder zu den diplomatischen Möglichkeiten denken, habe sie uns in den Kommentaren geschrieben.
Die Bevölkerung der Länder kann nichts für diesen Krieg. Es muss ein Weg gefunden werden, um diesen zu beenden. Dazu müssen endlich Verhandlungen beginnen.
Wem es gelingt das Thema Verhandlungen gesellschafts- bzw. medienfähig zu machen, dem würde ich gern eine sehr positive Bewertung geben.
Ich würde es sehr unterstützen, wenn dieser Krieg so schnell wie möglich enden würde – auch mit Kompromissen, die der 'Westen" bisher ablehnt.
Hilfe mit leichten Waffen findet mehr Zustimmung
Vor allem in den letzten Wochen wurde in Politik und Medien viel darüber debattiert, mit welcher Art von Waffen die Ukraine unterstützt werden soll. Unter den MDRfragt-Mitgliedern, die an der Befragung teilgenommen haben, zeigt sich eine größere Zustimmung für die Lieferung leichter Waffen und militärischer Hilfsgüter. 43 Prozent halten sie für angemessen, 38 Prozent geht sie zu weit. Die Lieferung schwerer Waffensysteme halten dagegen nur 20 Prozent für angemessen, der überwiegenden Mehrheit – 68 Prozent – geht sie zu weit.
Wie weit die Meinungen der MDRfragt Teilnehmer auseinandergehen Befragten beim Thema Waffenlieferungen zum Teil auseinanderliegen, wird in den Kommentaren erkennbar.
Je mehr und je bessere Waffen die Ukraine erhält, desto besser kann sie sich verteidigen. Jede weitere Unterstützung verlängert den Krieg. Aber es gibt aber nur diesen Weg, da Putin nicht verhandeln will.
Wenn nicht die Unterstützung der Ukraine massiv gesteigert und gleichzeitig die Sanktionen gegen Russland deutlich verschärft werden, kann dieser Krieg noch sehr lange dauern.
Jede Waffenlieferung verlängert den Krieg; andererseits können wir die Ukraine Putin nicht 'zum Fraß übergeben'. Wir müssen die Ukraine bei der Verteidigungsfähigkeit unterstützen, aber nicht mit Angriffswaffen. Ich denke, dass Raketenabwehrsysteme am wichtigsten sind.
Solange wie der Westen fleißig Waffen liefert endet da nix. Es verlängert nur das Leid der kleinen Leute in ganz Europa.
Der russische Einmarsch in die Ukraine ist nicht zu rechtfertigen, doch die Steigerung der Waffenlieferungen bringt den Frieden keineswegs näher.
Humanitäre Hilfe für Ukraine befürwortet
Darüber hinaus befürworten die MDRfragt-Teilnehmenden weitere Arten der Unterstützung für die Ukraine. Vor allem für humanitäre Hilfe spricht sich die überwiegende Mehrheit (76 Prozent) aus. 18 Prozent könnten sich zudem vorstellen, dass die Ukraine der EU beitritt, zehn Prozent sind auch für einen Nato-Beitritt des Landes. Aber nicht alle sehen das so: 18 Prozent haben auch angegeben, dass Deutschland ihrer Ansicht nach keinerlei aktive Unterstützung für die Ukraine leisten sollte.
Obwohl die Meinungen der MDRfragt-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer – zum Beispiel beim Thema Waffenlieferungen – zum Teil sehr konträr sind, scheint viele der Wunsch nach einem baldigen Ende des Krieges zu einigen. Dazu haben uns viele Kommentare erreicht.
Ich wünsche, dass der Krieg so schnell wie möglich endet. Aber ich befürchte, dass dieser Wunsch nicht erfüllt wird.
Ich hoffe, dass eine Friedensbewegung in der Lage sein wird, die Verantwortlichen zu diplomatischen Lösungen zu zwingen.
Über diese Befragung
Die Befragung vom 10.02. - 14.02.2023 stand unter der Überschrift:
Ein Jahr Krieg in der Ukraine – Wo stehen wir?
Insgesamt sind bei MDRfragt 65.242 Menschen aus Mitteldeutschland angemeldet (Stand 16.02.2023, 13 Uhr).
30.533 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben online an dieser Befragung teilgenommen.
Verteilung nach Altersgruppen:
16 bis 29 Jahre: 306 Teilnehmende
30 bis 49 Jahre: 3.846 Teilnehmende
50 bis 64 Jahre: 12.436 Teilnehmende
65+: 13.945 Teilnehmende
Verteilung nach Bundesländern:
Sachsen: 15.760 (52 Prozent)
Sachsen-Anhalt: 7.440 (24 Prozent)
Thüringen: 7.333 (24 Prozent)
Verteilung nach Geschlecht:
Weiblich: 12.776 (42 Prozent)
Männlich: 17.681 (58 Prozent)
Divers: 76 (0,2 Prozent)
Die Ergebnisse der Befragung sind nicht repräsentativ. Wir haben sie allerdings in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Beirat nach den statistischen Merkmalen Bildung, Geschlecht und Alter gewichtet. Das heißt, dass wir die Daten der an der Befragung beteiligten MDRfragt-Mitglieder mit den Daten der mitteldeutschen Bevölkerung abgeglichen haben.
Aufgrund von Rundungen kann es vorkommen, dass die Prozentwerte bei einzelnen Fragen zusammengerechnet nicht exakt 100 ergeben.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR extra | 24. Februar 2023 | 19:50 Uhr