Vier deutsche Beamte der Bundespolizei im Frontex-Einsatz gehen während des Besuchs der deutschen Innenministerin Faeser an der türkisch-bulgarischen «Grünen Grenze» entlang. 5 min
Wenn es nach der MDRfragt-Gemeinschaft geht, soll die deutsche Bundespolizei lieber an den EU-Außengrenzen patrouillieren, um den Zuzug von Asylsuchenden zu begrenzen Bildrechte: picture alliance/dpa | Soeren Stache
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MDR AKTUELL Do 30.01.2025 08:52Uhr 04:53 min

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MDRfragt Lieber EU-Lösung als Zurückweisung an deutschen Grenzen

30. Januar 2025, 08:29 Uhr

Sollte Europa den Zuzug von Asylsuchenden und Flüchtlingen stärker steuern und begrenzen, und wenn ja, wie? In der ersten Frage herrscht in einem Meinungsbild des MDR-eigenen Meinungsbarometers viel Einigkeit: Ja. Und anders als aktuell im Bundestag diskutiert, würde eine Mehrheit der Befragten lieber an den EU-Außengrenzen ansetzen, statt nationale Alleingänge zu starten.

MDR-Redakteurin Franziska Höhnl
MDR-Redakteurin Franziska Höhnl Bildrechte: MDR / David Sievers

In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gibt es einer aktuellen Befragung zufolge einen großen Wunsch, die Zahl der Asylsuchenden stärker als bisher zu beschränken. Das geht aus dem aktuellen Stimmungsbild des MDR-eigenen Meinungsbarometers MDRfragt hervor, das am Donnerstag veröffentlicht wurde.

Demnach wünschen sich vier von fünf Befragten (81 Prozent), dass der Asylzuzug von der Europäischen Union stärker begrenzt wird als bisher. Rund jede und jeder Zehnte (9 Prozent) hält die aktuelle Begrenzung für ausreichend. Nur halb so groß ist der Anteil derjenigen, die sich weniger Begrenzung wünschen.

Bei dieser Frage zeigt sich zudem ein Trend: Je älter die Befragten sind, desto größer ist der Anteil derjenigen, die sich wünschen, dass die Zahl der Asylsuchenden stärker als bisher begrenzt wird.

Asylzugänge stärker begrenzen - Zustimmung nach Altersgruppen
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Bereits am Mittwoch war ein CDU-Antrag mit Unterstützung der FDP und der in Teilen gesichert rechtsextremistischen AfD erfolgreich, der jedoch keine bindende Wirkung für die Bundesregierung von Olaf Scholz (SPD) hat.

MDRfragt-Gemeinschaft findet eine EU-Lösung besser

Wenn es nach der MDRfragt-Gemeinschaft geht, dann würde die Zahl der Asylsuchenden nicht an den deutschen Grenzen stärker begrenzt werden, sondern über eine Lösung an den EU-Außengrenzen: Zwar gab ein Viertel der Befragten (26 Prozent) an, sie hielten Zurückweisungen an den deutschen Grenzen für die beste Option. Mehr als doppelt so viele (58 Prozent) sind eher dafür, Asylsuchende an den EU-Außengrenzen aufzuhalten. Jede und jeder Zehnte (10 Prozent) lehnt beide Optionen ab.

Asylsuchende aufhalten - Bevorzugte Möglichkeit
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Alle Ergebnisse, auch nach Bundesländern und Altersgruppen, finden Sie wie immer in unserer Übersicht zum Download — auch am Ende dieses Artikels.

Hinweis An dem aktuellen Stimmungsbild von MDRfragt haben sich Mitte Januar rund 26.500 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen beteiligt. Das Meinungsbarometer ist nicht repräsentativ, aber aussagekräftig für die Stimmungen im MDR-Sendegebiet. Alles zur Methodik, den Mitmachmöglichkeiten und den Ergebnissen gibt es am Ende dieses Artikels.

Um mögliche Verzerrungen durch die Zusammensetzung der Befragten zu verringern, werden die Befragungsergebnisse nach bewährten wissenschaftlichen Methoden gewichtet.

Zudem erlauben die Begründungen und Kommentare der Befragten, die Stimmungstendenzen einzuordnen.

Wie begründen die Befragten ihre Haltung?

Wer im MDRfragt-Stimmungsbild eine europäische Lösung bevorzugt, argumentiert etwa wie Julia (24) aus dem Landkreis Görlitz: "Aufhalten an der EU-Außengrenze, damit dann je nach Kapazität fair in alle EU-Staaten verteilt werden kann." Andere MDRfragt-Mitglieder sehen für eine fairere Verteilung der Asylsuchenden innerhalb Europas noch andere Stellschrauben, halten gleichzeitig aber nichts von nationalen deutschen Alleingängen. So meint Kathrin (60) aus dem Burgenlandkreis: "Man kann nicht alle Asylsuchenden pauschal zurückweisen. Das Thema ist sehr komplex. Es müsste auch Europa-einheitliche Regelungen zu Leistungen für Asylbewerber geben, die EU-Staaten sollten ihre Unterstützung für Asylsuchende und Flüchtlinge vereinheitlichen."

Andere Befragte, wie zum Beispiel Markus (48) aus dem Saalekreis, verweisen darauf, dass eine ungelöste Herausforderung der Asylpolitik darin besteht, wie abgelehnte Asylsuchende effektiv abgeschoben werden können oder freiwillig ausreisen. Markus schreibt: "Nur an der Außengrenze kann man die Asylanten aufhalten. Wenn sie erst einmal in der EU sind, wird man sie nicht mehr los."

Anderen geht es eher darum, dass Personen- und Güterverkehr im Schengen-Raum möglichst ohne Unterbrechungen und Grenzkontrollen ablaufen. So schreibt etwa Bettina (49) aus Dresden: "Die Grenzkontrollen sind für die wirtschaftliche Entwicklung sehr hinderlich. Es gibt moderne Fahndungsmethoden, für die es keine Grenzkontrollen braucht. Diese sollen unbedingt angewendet werden."

Auch aus anderen Gründen herrscht Skepsis mit Blick auf die Möglichkeit, die Bundespolizei könnte bei verschärften Grenzkontrollen Asylsuchende an der deutschen Grenze zurückweisen: "Die Art von Kontrollen, die derzeit stattfinden sind vor allem ein effektives Symbol und damit gewissermaßen gerechtfertigt", meint Markus (18) aus dem Erzgebirgskreis mit Blick auf die aktuellen stationären Kontrollen an den deutschen Grenzen zu den europäischen Nachbarn wie Österreich und Italien. An dem verschärften Vorschlag zweifelt er: "Innereuropäische Zurückweisungen stelle ich mir allerdings praktisch sehr schwer vor."

Ich hätte mehr Vertrauen in die deutschen Grenzkontrollen.

MDRfragt-Mitglied Ursula (60), Burgenlandkreis

Wer für Zurückweisungen an den deutschen Grenzen ist, verbindet damit oft Hoffnungen wie Christian (62) aus dem Saale-Holzland-Kreis: "Wenn es der Eindämmung der Kriminalität dient, befürworte ich es."

Ein verwandtes Argument formuliert zum Beispiel Silvia (60) aus dem Landkreis Harz: "Ich bin für strikte Kontrolle an den Grenzen, leider. Leider hat sich das eben als wichtig erwiesen. Ohne Grenzen sind wir ein unsicheres Land und ich möchte in Sicherheit leben. Wir müssen doch wissen, wer in unser Land will."

Andere, wie Ramona (60) aus dem Landkreis Meißen argumentieren mitunter sehr grundsätzlich: "Jedes Land hat das Recht, Einreisende zu prüfen beziehungsweise zurückzuweisen, wenn dafür Gründe bestehen. In Deutschland sind die Kommunen und die Sozialsysteme an Grenzen gekommen, was unter anderem durch eine nicht praktikable Asylpolitik verursacht wurde. Änderungen sind daher dringend erforderlich." Und Ursula (60) aus dem Burgenlandkreis ist nicht allein mit dem Gefühl: "Ich hätte mehr Vertrauen in die deutschen Grenzkontrollen...".

Lars (45) aus Leipzig ist hin- und hergerissen, präferiert aber eher die aktuelle Praxis deutscher Grenzkontrollen: "Von Grenzkontrollen im großen Stil innerhalb des Schengen-Raums halte ich nicht viel, aber stichprobenartige Kontrollen sollte es einfach immer geben. Nur so kann man die Einreise auch stückweise kontrollieren und das ist nicht nur auf Asylbewerber und Flüchtlinge bezogen. Das gilt auch für Kriminelle & Co." Auch Mario (45) aus dem Landkreis Gotha sieht Vor- und Nachteile: "Einerseits finde ich die stationären Grenzkontrollen sehr gut. Andererseits bedeutet das dann wahrscheinlich künftig wieder Staus und Wartezeiten an den Grenzübergängen."

Es müssen die Gründe dafür, dass jemand sein Land verlässt, verschwinden.

MDRfragt-Mitglied Danilo (40), Landkreis Wittenberg

Und diejenigen, die sowohl das Aufhalten von Asylsuchenden an den EU-Außengrenzen als auch eine Zurückweisung an der deutschen Grenze ablehnen, argumentieren zum Beispiel so wie Marvin (28) aus Halle: "Die Kosten für diese Kontrollen sind enorm und liefern keine wirkliche Verbesserung der Lage. Es ist erneut reine Augenwischerei."

Andere, wie Danilo (40) aus dem Landkreis Wittenberg, meinen, es müsste mehr getan werden, um die Ursachen zu beseitigen, wegen denen Menschen ihre Heimatländer verlassen: "Es müssen die Gründe dafür, dass jemand sein Land verlässt, verschwinden. Man muss mehr dafür tun, dass solche Länder toleranter werden, Krieg beenden und verhindern."

Und Lucas (28) würde Steuergeld lieber für etwas anderes ausgeben, als für eine hoch gerüstete Grenze: "Egal, wo man Menschen zurückweist, wer ein Ziel vor Augen hat, wird nicht kurz davor aufgeben. Notfalls werden dann Grenzübertritte an weitaus schlechter zu kontrollierenden Stellen versucht, wodurch wieder um mehr Ausgaben für die Sicherung der Außengrenzen geworben werden könnte, wodurch das Budget für andere Projekte schrumpfen könnte."

Und Matthias (51) aus Erfurt hält die Idee für weltfremd, dass Asylanträge gestellt und geprüft werden könnten, bevor die Betroffenen auf europäischem Boden sind: "Verfolgte haben keine Chance außerhalb der EU ohne Repressalien einen Asylantrag zu stellen und gar noch auf dessen Bearbeitung und Entscheidung zu warten. Das ist total naiv oder gar eine Frechheit der Politiker."

Asylrechts-Experte sieht es wie Mehrheit der MDRfragt-Gemeinschaft

Als das MDRfragt-Team Mitte Januar seine Fragen zur Begrenzung der Migration gestellt hat, hatten die Union und ihr Fraktionschef Friedrich Merz die konkreten Forderungen für eine schnelle nationale Lösung noch nicht gemacht. Gleichwohl steht seit Monaten die Forderung von Merz und anderen CDU-Politikern, wie dem sächsischen Innenminister Armin Schuster, im Raum, dass die Bundespolizei Asylsuchende an den deutschen Grenzen zurückweisen soll.

Die Mehrheit der MDRfragt-Mitglieder, die lieber eine europäische als eine rein nationale Lösung hätten, ist mit ihrer Position nicht allein. Der Rechtswissenschaftler Daniel Thym von der Uni Konstanz, auf den sich auch die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf argumentativ stützt, sagte zuletzt im Podcast "Ronzheimer", die Papiere der Union erweckten nicht den Anschein, als ginge es vor allem darum, Druck auf die europäischen Partner zu machen, den Asyl-Kompromiss noch einmal anzufassen und noch restriktivere Maßnahmen zu verhandeln: "Das ist alles, um es mal hart zu formulieren, ein bisschen kurzfristig, ist auch ein bisschen arg national und ich glaube für ein Land in der Mitte Europas ist das jetzt — mal ganz unabhängig davon, dass wir Europa für andere Sachen wirtschaftlich, außenpolitisch zwingend brauchen — auch asylpolitisch illusorisch zu denken, wir können die Asylmigration dauerhaft an den deutschen Grenzen lösen."

Thym, der sich als Professor für Öffentliches Recht und Europa-Recht auf das Migrationsrecht spezialisiert hat, zieht das Fazit, dass die Steuerung und Begrenzung von Asylmigration per se schwierig genug sei: "Sie wird aber immer nur dann halbwegs zufriedenstellend funktionieren, wenn man entlang der Reiserouten an ganz vielen Stellen ansetzt."

Von der Leyen und Meloni bei einer PK über die humanitäre Situation auf Lampedusa. 3 min
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Bei Treffen in Warschau geht es auch um nationale Alleingänge

MDR AKTUELL Do 30.01.2025 09:07Uhr 03:13 min

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Italien-Plan mit ausgelagerten Asylverfahren fände ein Großteil gut

Eine Option, die auch in der EU immer wieder diskutiert und derzeit von Italien forciert ist, ist es, Asylsuchende für die Dauer der Asylverfahren grundsätzlich in Lagern in Drittstaaten unterzubringen und nur jene einreisen zu lassen, deren Asylantrag erfolgreich war.

In der MDRfragt-Gemeinschaft stößt dieser Plan auf großen Zuspruch, auch wenn Italien bisher neben hohen Kosten noch keinen Beweis antreten konnte, dass er praktisch tatsächlich funktioniert. Rund sieben von zehn Befragten (69 Prozent) gaben an, sie seien dafür oder eher dafür, Asylverfahren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union auszulagern. Jede und jeder Fünfte ist dagegen oder eher dagegen (21 Prozent).

Asylverfahren auslagern in Drittstaaten außerhalb der EU
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Zu jenen, die diesen Plan positiv sehen, gehört zum Beispiel Arne (34) aus dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge: "Wer tatsächlich will, wird diese Zeit durchstehen. Denn er ist erstmal in Sicherheit und hungert nicht. Allerdings kommt er eben auch nicht auf dumme Ideen oder kann plötzlich 'verreist' sein."

Kritisch blickt etwa Mario (45) aus dem Landkreis Görlitz auf solche Ideen: "Ich sehe Asyllager an den EU-Außengrenzen oder sogar in Drittstaaten kritisch. Besonders wenn diese wie 'Gefängnisse' funktionieren sollen, bis der Asylantrag bearbeitet wird. So wird den Migranten das Menschenrecht der Freiheit genommen und die Chance, sich in der neuen Gesellschaft des Landes integrieren zu können."

Er hat noch mehr zu seiner Sicht zu sagen: "In der aktuellen Migrationsdebatte vermisse ich den Blick auf das Schicksal des Geflüchteten. Warum ist die Person geflohen? Ist sie vielleicht ein Gewinn für unsere Gesellschaft? Des Weiteren gehört Flucht auch zur deutschen Geschichte, was in den Diskussionen nie zu Wort kommt."

Über diese Befragung Die Befragung: "Deutschland wählt - Was zählt für Sie?" lief vom17. bis 20. Januar 2025. Insgesamt haben 26.442 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mitgemacht.

Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden.

Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen. Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ.

Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland. MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.

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Di 02.07.2024 15:29Uhr 00:57 min

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Di 02.07.2024 15:29Uhr 00:57 min

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Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | MDR AKTUELL - Das Nachrichtenradio | 30. Januar 2025 | 09:48 Uhr