Ein Junge mit einem Smartphone und einem Basecap mit TikTok-Logo
Was hilft, wenn sich bei den Kids vor allem die Daumen auf dem Smartphone statt des ganzen Kinds bewegen? Die MDRfragt-Gemeinschaft hat einige Ideen. Bildrechte: IMAGO/Pixsell

MDRfragt Eher Daumen hoch für TikTok-Verbot in Europa

20. Januar 2025, 09:00 Uhr

In den USA läuft ein Tauziehen um ein eigentlich beschlossenes Verbot von TikTok. Die beliebte chinesische App sorgt auch hierzulande für viel Unmut. In der MDRfragt-Gemeinschaft gibt es Zuspruch für einen Bann in Europa. Die Jüngeren und Befragte mit minderjährigen Kindern sind häufiger dafür. Doch wie begründen sie ihre Sicht?

MDR-Redakteurin Franziska Höhnl
MDR-Redakteurin Franziska Höhnl Bildrechte: MDR / David Sievers

In den Vereinigten Staaten droht der beliebten Video-App TikTok ein Verbot, auch wenn unklar ist, ob der neue US-Präsident Donald Trump einen Weg findet, das zu verhindern. Wenn es nach der MDRfragt-Gemeinschaft ginge, sollte auch die Europäische Union darüber nachdenken, das soziale Netzwerk zu verbannen.

Konkret gab in einem aktuellen Stimmungsbild fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent) an, eher für ein TikTok-Verbot in Europa zu sein. Allerdings ist der Anteil der Gegnerinnen und Gegner nur geringfügig kleiner (41 Prozent).

Grafik: TikTok-Verbot auch in Europa
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Dabei zeigt sich: Wer selbst minderjährige Kinder hat, der ist etwas häufiger dafür, das vor allem bei Kindern und Jugendlichen beliebte soziale Netzwerk in Europa zu verbieten (52 Prozent), als jemand, der keine minderjährigen Kinder hat (46 Prozent).

Grafik: TikTok in Europa verbieten – Zustimmung nach Familienstand
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Insgesamt haben sich rund 20.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen am Meinungsbarometer zum TikTok-Verbot beteiligt.

Alle Ergebnisse, auch nach Bundesländern und Altersgruppen, finden Sie wie immer in unserer Übersicht zum Download — auch am Ende dieses Artikels.

Hinweis Die Stimmungsbilder von MDRfragt sind auch dank der hohen Teilnehmendenzahl aussagekräftig.
Dieses Mal sind es fast 20.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Da alle MDRfragt-Mitglieder ihre Meinung einbringen können und sollen, werden keine Zufalls-Stichproben gezogen.

Die Ergebnisse sind damit nicht repräsentativ. Um mögliche Verzerrungen durch die Zusammensetzung der Befragten zu verringern, werden die Befragungsergebnisse nach bewährten wissenschaftlichen Methoden gewichtet. Zudem erlauben die Begründungen und Kommentare der Befragten, die Stimmungstendenzen einzuordnen. Mehr zur Methodik von MDRfragt am Ende des Artikels.

Obwohl TikTok vor allem bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen beliebt ist, sind es im MDRfragt-Stimmungsbild eher die älteren Befragten, die einem TikTok-Verbot kritischer gegenüber stehen.

Konkret zeigt sich: Sowohl bei den Unter-30-Jährigen als auch bei den 30- bis 50-Jährigen sind die Pro-Verbots-Befragten leicht in der Überzahl. Bei den 50- bis 64-Jährigen sowie den Über-65-Jährigen sind hingegen die Kontra-Verbots-Befragten leicht in der Überzahl.

Grafik: TikTok-Verbot in Europa – Zustimmung nach Altersgruppen
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Was spricht aus Sicht der Befragten für ein Verbot?

Doch wie argumentieren die Befragten, die es befürworten würden, wenn TikTok nicht nur in den USA, sondern auch in Europa verbannt werden würde?

Manche MDRfragt-Mitglieder, wie Christian (64) aus dem Landkreis Meißen, sind in ihren Argumenten auf ähnlicher Linie wie das US-amerikanische Gesetz, mit dem TikTok dort verbannt werden könnte. Christian schreibt: "Chinesische Eigner und der unklare Algorithmus erfordern ein Verbot." Doch ihm geht es nicht nur um TikTok selbst. Er findet: "Kinder und Jugendliche sollten soziale Medien erst ab 16 nutzen dürfen."

Auch Jana (43) aus dem Altenburger Land und viele andere Befragte argumentieren, dass nicht nur für TikTok über Verbot und Beschränkung nachgedacht werden sollte: "Die sozialen Netzwerke, egal ob Facebook, Instagram et cetera, bescheren Probleme und Konflikte, die es ohne sie so nicht gäbe."

Auf einem Smartphonedisplay ist das TikTok Logo zu sehen, im Hintergrund eine US-Amerikanische Flagge. 1 min
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MDR AKTUELL So 19.01.2025 06:13Uhr 01:02 min

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Ein sehr häufig genanntes Argument kommt etwa von Cindy (36) aus dem ostsächsischen Landkreis Bautzen: "Jugendliche verbringen viel zu viel Zeit in sozialen Netzwerken und verlernen den Umgang mit echten sozialen Beziehungen im wahren Leben."

"Nicht nur, dass dort viel Hass und Hetze verbreitet wird", argumentiert Sebastian (40) aus dem Landkreis Harz. "Es lässt die User mehr und mehr 'verblöden' und verringert die Aufmerksamkeit im Allgemeinen, da es nur noch schnell, schnell, schnell sein muss."

Drogen sind doch auch verboten, weil sie gefährlich sind und die Konsumenten verblöden. Nichts anderes ist TikTok!

MDRfragt-Mitglied Stephan (64) aus Thüringen

Mit den Worten von Bernd (67) aus Dresden wäre ein Verbot geboten, aber es ist aus seiner Sicht fraglich, ob es die erhoffte Wirkung hätte: "Die negative Einflussnahme von TikTok auf Kinder und Jugendliche ist meines Erachtens kriminell, auf jeden Fall negativ. Ich befürchte allerdings, dass bei einem Verbot sich schnell ein ähnlich schlimmer Nachfolger findet."

Stephan (64) aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen argumentiert mit einem Vergleich: "Drogen sind doch auch verboten, weil sie gefährlich sind und die Konsumenten verblöden. Nichts anderes ist TikTok!"

Gabriele (69) aus Dresden meint, es müsste so oder so was passieren: "Wenn nicht verbieten, dann aber wenigstens kontrollieren."

Für Oliver (40) aus dem Landkreis Meißen ist der Handlungsbedarf ebenfalls offensichtlich. Und als letztes Mittel findet er ein TikTok-Verbot legitim: "Wenn es nicht gelingt, sich mit TikTok auf Modalitäten zu einigen, bei denen die Nutzenden ausreichend Datenschutz, Jugendschutz und Schutz vor Suchterkrankungen erhalten, dann sollte es ganz klar verboten werden."

Was sagen Gegner eines TikTok-Verbotes

Oft ist der Widerspruch ein sehr grundsätzlicher. So meint etwa Sabine (61) aus dem Erzgebirgskreis: "Es soll jeder selbst entscheiden, ob er TikTok benutzt. Wir sind alles mündige Bürger und brauchen keine Bevormundung." Immer wieder ist zu lesen, dass Befragte ein Verbot einer Plattform, auf der auch Meinungen geteilt werden, mit einem Eingriff in die Meinungsfreiheit gleichsetzen und deswegen ablehnen.

In eine ähnliche Richtung argumentiert auch Thomas (49) aus Leipzig: "Ich bin mit Verbotswahn eher vorsichtig, was soziale Medien betrifft. Im Prinzip geht es eher um Schulung der Social-Media-Kompetenzen."

Für René (59) aus dem Landkreis Leipzig gilt: Ein Verbot "ist keine Lösung. Aufklärung über Medien in der Schule sollte ein wichtiges Fach werden." In eine ähnliche Richtung geht die Meinung von Christopher (28) aus dem Erzgebirgskreis: "Viel besser als ein Verbot wäre eine sinnvolle Bildung im Umgang mit sozialen Medien und generell dem Internet."

Wenn TikTok abgeschaltet wird, kommt der Nächste um die Ecke mit einer neuen Plattform.

MDRfragt-Mitglied Nicole (42) aus Leipzig

Für Jens-Uwe (65) aus Magdeburg wäre die bessere Alternative zu einem TikTok-Verbot, eine europäische Video-Plattform: "Warum haben wir denn keine eigenen Wettbewerber, die solche Diskussionen überflüssig machen würden? Selbst Marktführer entwickeln, statt unliebsame Konkurrenten mit Verboten bekämpfen." Ähnlich wie MDRfragt-Mitglied Jens-Uwe argumentieren derzeit auch mehrere deutsche Spitzenpolitikerinnen und Spitzenpolitiker.

Und ein weiteres Argument, das so oder ähnlich immer wieder kommt: Einige Gegner eines Verbots glauben einfach nicht, dass es wirkungsvoll ist. So meint Nicole (42) aus Leipzig: "Snapchat ist viel schlimmer, wenn man die negativen Effekte beleuchten will. Wenn TikTok abgeschaltet wird, kommt der Nächste um die Ecke mit einer neuen Plattform."

Oder damit verwandt die Befürchtung, dass Kinder und Jugendliche technische Mittel und Wege finden, die aus den hiesigen App-Stores verbannte App nach einem möglichen Verbot irgendwie auf Umwegen weiterzunutzen: "Ein Verbot würde TikTok noch interessanter machen", meint zum Beispiel Andrej (71) aus dem Saalekreis.

Was Eltern von minderjährigen Kindern dazu sagen

Einige Erfahrungsberichte aus der MDRfragt-Gemeinschaft machen betroffen. So schreibt eine Befragte (51) aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt, die für ein TikTok-Verbot ist: "Eine Freundin meiner Tochter hat sich vor knapp zwei Monaten das Leben genommen. Sie war gerade 15 Jahre alt geworden. Ein Drama für alle, ohne Gleichen." Die Befragte schreibt, sie gebe TikTok nicht die Schuld, "aber es hat vermutlich dazu beigetragen, den letzten Schritt tatsächlich zu gehen. Sein Algorithmus, immer wieder entsprechende Beiträge zu zeigen, und ganz klar, die Vermittlung falscher Eindrücke."

Hilfe bei Suizidgedanken

Haben Sie oder jemand in Ihrer Umgebung mit Suizidgedanken zu kämpfen? Suchen Sie Hilfe.
Die Telefonseelsorge ist kostenfrei und anonym erreichbar unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 (24 Stunden täglich).
Krisen-Chat der Telefonseelsorge: Auch online können Sie Hilfe erhalten unter
www.telefonseelsorge.de/chat.

Die Thüringerin schreibt weiter, Eltern könnten nicht allein für die Regulierung der Social-Media-Nutzung ihrer Kinder verantwortlich sein. Und sie hofft, auf konsequentes Eingreifen der Gesetzgeber: "Es gibt genug Forschung zu diesen Themen und Menschen, die über die Auswirkungen des Zugriffs von Social Media auf unsere Kinder wissen. Ihnen muss zugehört werden – und danach gehandelt."

Silvia (46) aus Jena, ist eher gegen ein TikTok-Verbot, wünscht sich aber durchaus, dass die Plattformen stärker als bisher zur Verantwortung gezogen werden: "Sie sollten dafür verantwortlich gemacht werden, den Algorithmus offenzulegen und einen ausgewogenen Algorithmus zu gewährleisten."

Aus Sicht von Johannes (54) aus Dresden ist Aufklärung zwar mühsamer als ein Plattform-Verbot. Trotzdem hält er das für den besseren Weg. Der Familienvater schreibt weiter: "Ich denke, das Wichtigste ist, seinen Kindern einen vernünftigen, kritischen Umgang mit dem Internet zu bringen. Ich halte es für aussichtslos, sie davon fernhalten zu wollen. Sie müssen lernen, damit kritisch umzugehen."

Alternativen zu Verboten von TikTok und Co.

In mehreren europäischen Ländern, wie Großbritannien und Albanien, läuft gerade eine Debatte, ob soziale Netzwerke gerade mit Blick auf den Kinder- und Jugendschutz schärfer reguliert werden sollten.

Auch in Deutschland läuft die Debatte, ob Kinder und Jugendliche negative Folgen erleiden, weil sie viel Zeit mit Social Media verbringen. Aus Sicht der MDRfragt-Gemeinschaft gibt es zahlreiche Optionen, dieses Risiko zu verringern:

Den größten Zuspruch gibt es dafür, die Schule in die Verantwortung zu nehmen. Ein Großteil der MDRfragt-Gemeinschaft (65 Prozent) fände es sinnvoll, wenn der richtige Umgang mit sozialen Medien Teil des Schulunterrichts wird. Auch einen verpflichtenden Altersnachweis für alle, die sich bei einem sozialen Netzwerk anmelden wollen, bekommt überwiegend Zuspruch (63 Prozent). So könnte zumindest sichergestellt werden, dass die geltenden Altersgrenzen für die Social-Media-Nutzung, die die Plattformen selbst aufstellen, eingehalten werden.

Grafik: Social-Media-Nutzung Jugend – Sinnvolle Wege zur Begrenzung
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Doch auch hier zeigt sich wieder: Auch ein Verbot würde mehrheitlich unterstützt. Gut jede und jeder Zweite findet es sinnvoll, wenn der Gesetzgeber die Benutzung von Social-Media-Plattformen für Kinder (also alle unter 14 Jahren) verbietet.

Damit landet diese Verbots-Maßnahme nur knapp hinter der Aufstellung klarer Nutzungsregeln in der Familie (57 Prozent) und noch klar vor dem sogenannten begleiteten Surfen, bei dem Eltern an ihren Geräten technisch die Nutzung kontrollieren und einschränken können (39 Prozent) oder auch Beratungsangeboten für Eltern, wie sie mit der Social-Media-Nutzung ihrer Kinder richtig umgehen können (38 Prozent).

Über diese Befragung Die Befragung: "TikTok verbieten - eine gute Idee?" lief vom 9. bis 13. Januar 2025. Insgesamt haben 19.770 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mitgemacht.

Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden.

Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen. Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ.

Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland. MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.

MDR fragt 1 min
Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Di 02.07.2024 15:29Uhr 00:57 min

https://www.mdr.de/nachrichten/mitmachen/mdrfragt/video-MDRfragt-long-sie-quer-100.html

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 19. Januar 2025 | 19:30 Uhr