Mann an der Kontrollstation einer mechanischen Säge in einer Metall CNC Fabrik
Aus der Sicht von sieben von zehn Befragten ist die gesetzliche Rente nicht sicher. Die Idee, am Aktienmarkt eine neue Einnahmequelle für das Rentensystem zu schaffen, begrüßt nicht ganz die Hälfte der Befragten (45 Prozent). Bildrechte: IMAGO/imagebroker

MDRfragt Große Mehrheit hält Rente nicht für sicher - doch fast alle Reformvorschläge fallen durch

13. Januar 2025, 03:00 Uhr

Drei von vier Befragten halten die gesetzliche Rente für nicht sicher. Vor allem die Jüngeren zweifeln, ob sie so im Alter wenigstens grundlegend abgesichert sind. Gleichzeitig fallen bei sehr vielen fast alle derzeit diskutierten Ansätze für eine Reform des Rentensystems durch. Das zeigt das aktuelle Stimmungsbild des MDR-eigenen Meinungsbarometers mit fast 24.000 Teilnehmenden. Danach zieht sich die Ablehnung der meisten Reformvorschläge durch alle Altersgruppen.

Pierre Gehmlich
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"Das wird nicht mehr lange gut gehen. Ich bin 22 Jahre alt und ich habe den Glauben an eine sichere Rente aufgegeben", kommentiert Jakob aus dem Landkreis Gotha. "Eine große Unsicherheit" empfindet Christiane (61) aus Dresden: "Wer soll die Rente in Zukunft finanzieren? Die Regierung sollte endlich handeln." Reinhard (68) aus Erfurt schreibt: "Der Generationenvertrag lässt sich aufgrund der demografischen Entwicklung nicht halten." Quer durch alle Altersgruppen befürchtet eine große Mehrheit, das gesetzliche Rentensystem könnte in Zukunft ins Wanken geraten. Drei von vier Befragten (74 Prozent) glauben aktuell nicht daran, dass die Rente sicher ist. Davon gehen nur jede und jeder vierte Teilnehmende (24 Prozent) aus der MDRfragt-Gemeinschaft aus.

„Die Rente ist sicher.“
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Die jüngeren Befragten blicken im Vergleich der Altersgruppen noch einmal deutlich pessimistischer auf die Zukunft des Rentensystems in der jetzigen Form:

  • Bei den 16- bis 29-jährigen würde nur jede und jeder zehnte Befragte (8 Prozent) den Satz "Die Rente ist sicher" unterschreiben.
  • Bei allen Teilnehmenden über 65 Jahren gehen mehr als drei von zehn Befragten (35 Prozent) davon aus, dass die Rente sicher ist.

Die Zahl der Erwerbstätigen sinkt in Deutschland und gleichzeitig steigt die Zahl der Menschen, die eine Rente beziehen. "Die demografische Entwicklung wird von den Politikern seit Jahrzehnten nicht beachtet“, kritisiert Hans-Joachim (69) aus Nordsachsen. Auch in zahlreichen anderen Kommentaren wird auf die demografische Entwicklung und damit den nötigen Reformbedarf des Rentensystems hingewiesen.  

„Die Rente ist sicher.“ - Zustimmung nach Altersgruppen
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Geteilte Meinung: Sollte Geld für Rentensystem am Kapitalmarkt angelegt werden?

Der Reformdruck bei der Rente ist seit Jahrzehnten bekannt und auch die nötigen Stellschrauben sind lange klar. So gilt als ein möglicher Weg, das Rentensystem mit mehr Geld zu versorgen. Unabhängig von Zuschüssen vom Staat, die aktuell bei rund 80 Milliarden Euro pro Jahr liegen. Für das Rentensystem soll Geld am Kapitalmarkt, beispielsweise in Aktien, angelegt werden. Dabei sollen nicht Rentner oder Beitragszahler investieren, sondern der Staat oder auch mit staatlichen Geldern ausgestattete Stiftung. Die erhofften Renditen aus den Anlagen sollen dann in die gesetzliche Rentenversicherung fließen. Einen entsprechenden Vorschlag hatte die gescheiterte Ampel-Koalition in ihr Reformpaket eingebaut, das aber nicht mehr kommt. Für diesen Reformvorschlag gab es in der aktuellen Befragung im Vergleich mit anderen Ideen noch am meisten Zuspruch.

Damit hätte zwingend bereits vor mindestens 25 Jahren begonnen werden müssen.

MDRfragt-Teilnehmerin Anne-Katrin (53) aus Dresden

45 Prozent der Teilnehmenden befürworten diese Art der Finanzierung. Das macht auch Anne-Katrin (53) aus Dresden, schränkt allerdings ein: "Damit hätte zwingend bereits vor mindestens 25 Jahren begonnen werden müssen. Jetzt kann es das System längst nicht mehr retten, es muss aber damit begonnen werden." 38 Prozent stehen solchen Investitionen jedoch skeptisch gegenüber. Zu dieser Gruppe gehört Petra (65) aus dem Landkreis Saalfeld-Rudolstadt: "Das Risiko am Kapitalmarkt ist ziemlich hoch. Spekulationsgeschäfte mit dem Geld anderer zu machen, ist sehr gewagt! Wer kommt dann für eventuelle Verluste auf?" 17 Prozent der Befragten trauen sich in dieser Frage kein Urteil zu. Ein Vergleich der Altersgruppen zeigt: Die jüngeren Befragten stehen Investitionen am Kapitalmarkt zur Rentensicherung deutlich offener gegenüber. Die befürworten sechs von zehn Teilnehmenden zwischen 16 und 29 Jahren. Bei allen Befragten über 50 Jahren sprechen sich nur noch vier von zehn Befragten dafür aus.

 Investieren am Kapitalmarkt damit Rentensystem finanziert wird
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Klares Nein zu höheren Beiträgen, späterer Rente und zum Absenken des Rentenniveaus

Die Vorschläge für das Entlasten des Rentensystems werden im aktuellen Stimmungsbild von MDRfragt mit jeweils klaren Mehrheiten abgelehnt:

  • Rund zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) sprechen sich gegen ein Anheben der Rentenbeiträge aus, die von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlt werden.
  • Neun von zehn Teilnehmenden (89 Prozent) lehnen das Absenken des Rentenniveaus ab, das derzeit bei 48 Prozent liegt. Das heißt, eine Durchschnittsrente ist derzeit etwa halb so hoch wie ein Durchschnittseinkommen.
  • Nur jeder und jede Hundertste (1 Prozent) findet einen späteren Einstieg in die Rente sinnvoll. Geht es nach den Befragten, sollte das Renteneintrittsalter eher sogar noch abgesenkt werden. Sechs von zehn Teilnehmenden (62 Prozent) wären für die Rente ab 65 statt wie jetzt mit 67.

Immerhin jeder und jede fünfte Befragte spricht sich dafür aus, bei der Rente ab 67 zu bleiben und gleichzeitig aber mehr Anreize für längeres Arbeiten zu schaffen. Das bilde auch die Realität in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ab, heißt es in zahlreichen Kommentaren. Bei uns arbeiten zunehmend mehr Menschen auch im Rentenalter noch weiter.

Aktuelles Rentenalter von 67 Jahren
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Christian (79) aus dem Saale-Orla-Kreis schreibt dazu: "Schauen Sie sich um, wie viele noch arbeiten, die es können. Dazu zählen auch die vielen freiwilligen Helfer in allen Bereichen des Lebens." Sebastian (22) aus Dresden spricht sich generell für eine etwas weniger starre Regelung beim Renteneintrittsalter aus: "Es kommt auch auf den Beruf an, wie lange man arbeiten kann. Ein berufsspezifisches Renteneintrittsalter wäre eine Option, die zum Beispiel an die Lebenserwartung einer Berufsgruppe gekoppelt ist."

Hinweis Die Stimmungsbilder von MDRfragt sind auch dank der hohen Teilnehmendenzahl aussagekräftig. Dieses Mal sind es fast 24.000 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Da alle MDRfragt-Mitglieder ihre Meinung einbringen können und sollen, werden keine Zufalls-Stichproben gezogen.

Die Ergebnisse sind damit nicht repräsentativ. Um mögliche Verzerrungen durch die Zusammensetzung der Befragten zu verringern, werden die Befragungsergebnisse nach bewährten wissenschaftlichen Methoden gewichtet. Zudem erlauben die Begründungen und Kommentare der Befragten, die Stimmungstendenzen einzuordnen. Mehr zur Methodik von MDRfragt am Ende des Artikels.

Rentenreformen werden als zusätzliche Zumutung empfunden

Die Ablehnung der genannten Entlastungsmöglichkeiten für das Rentensystem zieht sich durch alle Altersgruppen. In allen Altersgruppen findet sich in zahlreichen Kommentaren auch eine Argumentation dafür, warum die meisten Rentenreform-Vorschläge so deutlich abgelehnt werden. Die Reformen werden als zusätzliche Zumutungen empfunden – für Menschen, die nach vielen Jahren Arbeit mit ihrer Rente schon jetzt mehr schlecht als recht durchs Leben kommen.

  • "Die Höhe der Rente ist im Verhältnis zu den Ausgaben und dem Durchschnittslohn sehr dürftig." Anton (26) aus Magdeburg
  • "Das Rentenniveau ist viel zu niedrig, es wurde Jahr für Jahr abgebaut. Die Löhne, um einen vollen Rentenpunkt für ein Jahr zu bekommen, erreichen nur ganz wenige." Hartmut (27) aus dem Saalekreis
  • "Wer sein ganzes Leben lang gearbeitet hat, sollte einen Anspruch auf eine Mindestrente bekommen. Und nicht zur Tafel gehen müssen." Karl (33) aus Mittelsachsen
  • "Es kommt ja nicht nur darauf an, ob man ein paar müde Groschen als Rente erhält, sondern auch ab wann man in Rente gehen kann und dass man davon auch ordentlich einkaufen kann." Tom (33) aus Dresden
  • "Ich gehe schon länger davon aus, dass meine gesetzliche Rente nicht reichen wird, um die Lebenshaltungskosten zu decken, auch wenn ich eher sparsam bin." Anja (50) aus Weimar
  • "Die drastischen Preissteigerungen sind ein großes Problem. Wenn das so weitergeht, bekomme ich Angst, wie man da mit der Rente auskommen soll!" Regina (69) aus dem Landkreis Sonneberg
  • "Die gesetzliche Rente ist zu knapp, ich bin auf 538-Euro-Basis noch in meinem Beruf tätig und kann mir (uns) bis dato ein finanziell  sorgenfreies Leben leisten." Hans (76) aus Jena

Paul (33) aus dem Landkreis Zwickau greift in seinem Kommentar die berühmt gewordene Aussage von Norbert Blüm von 1986 auf: "Sicher ist die Rente sicher. Die Frage ist doch eher, ob sie dann zum Leben ausreichen wird."

Über diese Befragung Die Befragung: "Die Rente ist sicher – oder?“ lief vom 20. bis zum 27. Dezember. Insgesamt haben 23.890 Menschen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mitgemacht.

Bei MDRfragt können sich alle anmelden und beteiligen, die mindestens 16 Jahre alt sind und in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen wohnen, denn: Wir wollen die Vielfalt der Argumente kennenlernen und abbilden. Die Kommentare der Befragten erlauben, die Gründe für die jeweiligen Positionen und das Meinungsspektrum sichtbar zu machen. Da sich jede und jeder beteiligen kann, der möchte, sind die Ergebnisse von MDRfragt nicht repräsentativ.

Die Ergebnisse von MDRfragt werden nach wissenschaftlichen Kriterien anhand verschiedener soziodemografischer Merkmale wie Alter, Geschlecht oder Bildungsgrad gewichtet, um sie an die tatsächliche Verteilung in der mitteldeutschen Bevölkerung anzupassen. Damit wird die Aussagekraft der Ergebnisse erhöht und es ergibt sich ein valides und einordnendes Stimmungsbild aus Mitteldeutschland. MDRfragt wird zudem wissenschaftlich beraten und begleitet, beispielsweise durch regelmäßige Validitätstests.

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Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 13. Januar 2025 | 21:45 Uhr